JudikaturVwGH

Ro 2021/04/0018 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser, Hofrätin Mag. Hainz Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des T R in V, bei Revisionseinbringung vertreten durch die Winalek, Nikodem, Weinzinger Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Hörlgasse 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. März 2021, Zl. W211 2232992 1/17E, betreffend eine Übertretung der DSGVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund den Aufwand in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 1. Am 17. April 2020 erließ die belangte Behörde gegen den Revisionswerber ein Straferkenntnis, mit welchem diesem soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz zur Last gelegt wurde, er habe am 31. März 2019 als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Z 7 DSGVO zu einer bestimmten Uhrzeit (Tatzeit) an einem näher bezeichneten Ort (Tatort) ohne Vorliegen der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter oder eines sonstigen Zulässigkeitsgrundes nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO Videoaufnahmen von zwei minderjährigen betroffenen Personen angefertigt. Der Revisionswerber habe dadurch gegen den Grundsatz der Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise, und gegen den Grundsatz der Verarbeitung von personenbezogenen Daten für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke verstoßen, weshalb über ihn gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a und b iVm Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 5 lit. a DSGVO und § 16 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 800,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) verhängt wurde. Ferner wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge, als es die Strafe auf insgesamt EUR 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) herabsetzte und den Kostenbeitrag zum Strafverfahren entsprechend reduzierte. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig.

3 Das Bundesverwaltungsgericht traf in seiner Begründung die Feststellungen, der Revisionswerber habe am 31. März 2019 Herrn C.S. im Foyer eines Kinos angetroffen. Die beiden Personen hätten wegen früherer Rechtsstreitigkeiten kein gutes Verhältnis zueinander gehabt. C.S. habe im Foyer des Kinos gewartet, um nach Ende der Vorstellung seine minderjährige Tochter und deren minderjährigen Freund abzuholen. Der Revisionswerber habe mit seinen ebenfalls minderjährigen Söhnen das Foyer betreten. In der Folge sei es zwischen C.S. und dem Revisionswerber zu einem beleidigenden Wortwechsel gekommen, wobei zunächst C.S. sein Handy verwendet habe, um das Gespräch zu filmen. Daraufhin habe der Revisionswerber sein Handy auf C.S. gerichtet und das Gespräch ebenfalls zu filmen begonnen. C.S. habe in der Folge aufgehört, zu filmen. Der Revisionswerber habe jedoch das Filmen fortgesetzt, und das Handy ständig auf C.S. gerichtet gehalten. Er selbst habe dabei auf das Display geschaut. In der Folge habe C.S. seiner Tochter und deren Freund, die gerade aus dem Kinosaal gekommen seien, zugerufen, worauf sich der Revisionswerber nach den jugendlichen Personen umgedreht habe. Er habe dabei die Kamera mitgedreht und sie gezielt auf die Minderjährigen gerichtet. Die Tochter des C.S. und deren minderjähriger Freund seien direkt auf C.S. zugegangen. Sie seien damit im Blickfeld der Handykamera des Revisionswerbers gewesen. C.S. habe den Revisionswerber aufgefordert, mit dem Filmen aufzuhören. Er habe dem Revisionswerber das Handy aus der Hand geschlagen und sich seiner Tochter und deren Freund zugewendet. Der Revisionswerber habe sein Handy aufgehoben und weiterhin gezielt C.S., hinter dem sich seine Tochter gestellt habe, gefilmt, wobei die Minderjährige nicht gänzlich durch C.S. verdeckt gewesen sei. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung habe der Revisionswerber weiterhin seine Kamera auf die Personengruppe gerichtet. Nachdem der Revisionswerber nicht aufgehört habe, C.S. auch bei Verlassen des Foyers mit den Minderjährigen aufzunehmen, sei C.S. letztlich zurückgegangen und habe dem Revisionswerber einen Stoß versetzt, damit dieser vom Filmen ablasse. Der Revisionswerber habe damit von C.S., aber auch von dessen minderjähriger Tochter und deren minderjährigem Freund eine Bildaufnahme in Form eines Videos angefertigt, ohne für die Filmaufnahmen das Einverständnis der Erziehungsberechtigten der Minderjährigen zu verfügen.

4 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Feststellungen würden im Wesentlichen auf den Aufnahmen der Überwachungskamera des Kinofoyers beruhen. Die Behauptung, der Revisionswerber habe aus Versehen gar keine Videoaufnahme an jenem Tag gemacht, wertete das Bundesverwaltungsgericht als bloße Schutzbehauptung. Der Revisionswerber habe einerseits in der Verhandlung den Eindruck erweckt, sehr wohl mit der von ihm verwendeten Film App umgehen zu können. Zudem zeuge das Überwachungsvideo aus dem Kinofoyer davon, dass der Revisionswerber während einer Dauer von mehreren Minuten das Smartphone als Kamera verwendet habe, dieses immer wieder gezielt auf C.S. und später auch auf die Minderjährigen gerichtet habe. Dass dem Revisionswerber in der ganzen Zeit, in der er über weite Strecken hinweg auf sein Display geschaut habe, nicht aufgefallen sein solle, dass er gar keine Aufzeichnung mache, sei nicht nachvollziehbar, weil die Situation zu lange angedauert habe und der Revisionswerber jedenfalls Gelegenheit gehabt hätte, sein Versehen zu bemerken und zu korrigieren. Die Feststellung, dass die beiden Minderjährigen ohne Zustimmung der Erziehungsberechtigten aufgenommen worden seien, ergebe sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden Angaben der beteiligten Personen.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht aus, nach den getroffenen Feststellungen habe der Revisionswerber durch das Filmen der Minderjährigen und das Speichern dieser Bilddaten eine datenschutzrechtliche Verarbeitung im Sinne des Art. 4 Z 2 DSGVO vorgenommen. Der vom Revisionswerber angeführte Zweck der vorgenommenen Verarbeitung die Dokumentation der verbalen Auseinandersetzung mit C.S. zu Beweiszwecken könne die Verarbeitung betreffend die minderjährige Tochter von C.S. und ihren minderjährigen Freund nicht umfassen, weil diese Personen mit der Auseinandersetzung zwischen dem Revisionswerber und C.S. nichts zu tun gehabt hätten. Eine entsprechende Verarbeitung müsse nach der Rechtsgrundlage der DSGVO den Verarbeitungsgrundsätzen Art. 5 DSGVO genügen und im Sinne des Art. 6 DSGVO rechtmäßig sein. Der belangten Behörde sei dahingehend zuzustimmen, dass der Revisionswerber sich hinsichtlich der Minderjährigen nicht auf ein berechtigtes Interesse im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO berufen könne. Das beharrliche und wiederholt vorgenommene Filmen der Minderjährigen habe im Gegenteil zu einer Fortsetzung und finalen Handgreiflichkeit in der Auseinandersetzung mit C.S. geführt. Der Revisionswerber habe anders als C.S., der das Filmen bereits am Anfang der Auseinandersetzung eingestellt habe, betreffend die Minderjährigen auch fortgeführt, obwohl er mehrmals von C.S. darauf angesprochen worden sei, dies zu unterlassen. Zum Zeitpunkt dieses Geschehens habe eine Beweissicherungsnotwendigkeit insbesondere die beiden Minderjährigen umfassend nicht mehr angenommen werden können. Das Vorbringen, das Filmen der Minderjährigen sei nur reflexartig und sehr kurz passiert, stehe nicht in Einklang mit den Feststellungen, die auf den Überwachungsvideos des Kinofoyers beruhen würden. Das Filmen der beiden Minderjährigen durch den Revisionswerber sei zu Beweissicherungszwecken nicht notwendig oder erforderlich gewesen und könne nicht durch ein berechtigtes Interesse des Revisionswerbers im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO als gedeckt angesehen werden. Damit habe die Bildaufnahme der minderjährigen Tochter des C.S. und ihres minderjährigen Freundes zum Tatzeitpunkt objektiv gegen Art. 5 Abs. 1 lit. a und b DSGVO verstoßen und es sei auch keine rechtmäßige Verarbeitung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 DSGVO vorgelegen. Die Strafbarkeit des Verstoßes gründe sich auf § 83 Abs. 1 und 5 lit. a DSGVO. Der Revisionswerber sei dabei als Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Z 7 DSGVO anzusehen. Es liege Verschulden in Form von Vorsatz im Sinne des Art. 83 Abs. 2 lit. b DSGVO vor. Hinsichtlich der Strafbemessung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es sei zugunsten des Revisionswerbers die aufgewiegelte Situation und der Umstand der gegenseitigen Provokationen als mildernd zu werten, sodass die verhängte Geldstrafe zu reduzieren sei.

6 Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zu Verfahren nach Art. 83 DSGVO sowie zu den im Erkenntnis dargestellten Anwendungen der Art. 5 und 6 DSGVO fehle.

7 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12 4.1. Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der Revision lediglich mit dem Fehlen der Rechtsprechung „zu Verfahren nach Art. 83 DSGVO sowie zu den im Erkenntnis dargestellten Anwendungen der Art. 5 und 6 DSGVO“.

13 Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des VwGH führt jedoch nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. die Nachweise bei Thienel , Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ZVG 2018, 180 [189]). Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert die Darlegung, konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 27.6.2019, Ro 2018/07/0046). Vor diesem Hintergrund vermag die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulässigkeit der Revision nicht darzulegen.

14 Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte ist nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 5.6.2020, Ro 2018/04/0023, mwN).

15 Die Revision führt im Wesentlichen gleichlautend wie in der Zulässigkeitsbegründung im angefochtenen Erkenntnis aus, dass keine Rechtsprechung des VwGH betreffend die Verfahren gemäß Art. 83 DSGVO bzw. zu der gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO vorzunehmende Interessenabwägung vorliege. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei gegeben, weil „der Beurteilung des Umfangs von legitimen Zwecken im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. b insbesondere im Zusammenhang mit der gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO durchzuführenden Interessenabwägungen auch für andere Verfahren über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt“. Damit ist der Revision ebenso nicht zu entnehmen, welche konkrete Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof zu beantworten hätte, der über den vorliegenden Fall hinausgehende Bedeutung zukomme, zumal wenn es sich wie die Revision selbst anführt um eine fallbezogene Interessenabwägung handelt. Bei einer im Einzelfall vorgenommenen Interessenabwägung wäre jedoch um die Zulässigkeit der Revision zu begründen vom Revisionswerber aufzuzeigen gewesen, dass das Ergebnis (fallbezogen das Überwiegen des berechtigten Interesses an der Datenverarbeitung) in unvertretbarer Weise erzielt worden wäre (vgl. etwa VwGH 21.11.2022, Ra 2021/04/0008, mwN).

Das dies hier der Fall sei, zeigt die Revision nicht auf.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 2. April 2024

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