Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Mag. a Nussbaumer Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des H K in P, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Davisstraße 7, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2020, Zl. W122 2235303 2/2E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iA Jubiläumszuwendung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Personalamt Salzburg der österreichischen Post AG), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist der österreichischen Post Aktiengesellschaft zur Dienstleistung zugewiesen.
2 Mit Bescheid vom 23. Juli 2020 wies die Dienstbehörde seine Anträge vom 4. Juli 2016 sowie vom 27. März 2019 auf Zuerkennung einer Jubiläumszuwendung aus Anlass seines 25 jährigen Dienstverhältnisses gemäß § 20c Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54, ab. Unter einem sprach die Behörde aus, dass das in dieser Angelegenheit infolge einer vom Revisionswerber am 9. Juli 2020 erhobenen und am 13. Juli 2020 bei der Dienstbehörde eingegangenen Säumnisbeschwerde anhängige Verfahren eingestellt werde.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber im Wege seiner anwaltlichen Vertretung mit Schriftsatz vom 27. August 2020 Beschwerde.
4 Das Bundesverwaltungsgericht ging von der verspäteten Erhebung des Rechtsmittels aus und räumte dem Revisionswerber diesbezüglich Gelegenheit zur Stellungnahme ein.
5 Dieser äußerte sich zum Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichts (zur im weiteren Verfahrensverlauf erfolgten Zurückweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht siehe das zu Ra 2020/12/0085 protokollierte hg. Verfahren und den in dieser Sache ergangenen hg. Beschluss vom heutigen Tag) und beantragte „vorsichtshalber“ die Wiedereinsetzung in die betreffende Frist. Zur Handhabung des Posteingangs in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Revisionswerbers wurde ausgeführt, dass von der Sekretärin, die die Post vom Zusteller übernehme, unmittelbar nach Einlangen der Post auf dieser ein Eingangsstempel angebracht, eine im Schriftstück angegebene Frist selbständig in ein Terminbuch eingetragen und auf dem Schriftstück an der Stelle, wo die Rechtsmittelfrist angeführt werde, handschriftlich ein Häkchen gesetzt werde, anhand dessen ersichtlich sei, dass die Frist eingetragen worden sei. Sofern sich für die Sekretärin Unklarheiten ergäben, wende sich diese an den Rechtsanwalt. Die Fristeintragung werde durch den Rechtsanwalt laufend stichprobenweise kontrolliert. In den letzten Jahren seien bei der Fristeintragung durch das Sekretariat keine Fehler aufgetreten. Bei Ausarbeitung eines Rechtsmittels, sohin einige Tage vor Fristablauf, werde durch den Rechtsanwalt noch einmal das Fristende kontrolliert. Nachdem im vorliegenden Fall auf dem Originalkuvert eine Benachrichtigung, Übernahme oder Hinterlegung am 29. Juli 2020 nicht ersichtlich gewesen sei, habe der Vertreter des Revisionswerbers nur davon ausgehen können, dass die in Rede stehende Zustellung am 30. Juli 2020 erfolgt sei.
6 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Gericht für nicht zulässig.
7 Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass trotz rechtswirksamer Zustellung des Bescheides am 29. Juli 2020 von der Kanzlei des anwaltlichen Vertreters des Revisionswerbers ein mit 30. Juli 2020 datierter Eingangsstempel auf dem Schriftstück angebracht worden und auch davon ausgehend eine unzutreffende Kalendierung erfolgt sei. Es sei aus näher genannten Gründen vom Fehlen eines wirksamen Kontrollsystems in der Kanzlei des Vertreters des Revisionswerbers auszugehen. Dem Argument, die Sekretärin, die den Stempel mit dem unzutreffenden Eingangsdatum angebracht habe, habe sich aufgrund urlaubsbedingter Absenzen anderer MitarbeiterInnen in einer Stresssituation befunden, sei entgegenzuhalten, dass mit der Behauptung beruflicher Überlastung kein Wiedereinsetzungsgrund dargelegt werde. Der aufgetretene Fehler sei dem Revisionswerber zuzurechnen. Es handle sich nicht um einen minderen Grad des Versehens, weil der durch den unrichtig datierten Stempel verursachte Irrtum bei gehöriger und zumutbarer Sorgfalt spätestens im Zuge einer „Nachkontrolle“ hätte auffallen müssen.
8 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Diese bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe einen mit dem Akteninhalt nicht übereinstimmenden Sachverhalt angenommen. Da dies als selbstverständlich zu erachten sei, sei weder in der Beantwortung des Verspätungsvorhalts noch im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich geschildert worden, dass die Post dem Rechtsanwalt täglich vorgelegt werde. Aufgrund des „Originalbescheides“ und des „Originalkuverts“ sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Zustellung bereits am 29. Juli 2020 bewirkt worden sei. Es treffe nicht zu, dass für die Bearbeitung von Rechtsmitteln im Kanzleibetrieb keine Vorfrist vorgesehen sei. Es bestünden für die Bearbeitung von Rechtsmitteln mehrere Kontrollfristen und es werde der jeweilige Akt dem Sachbearbeiter zumindest eine Woche vor Ablauf der Frist vorgelegt. Die durch die Sekretärinnen vorgenommenen Fristeintragungen würden stichprobenweise kontrolliert werden. Das Verwaltungsgericht habe ungeachtet eines entsprechenden Antrags des Revisionswerbers keine Verhandlung durchgeführt.
9 Vorliegend habe der Rechtsanwalt keine Möglichkeit gehabt, den ein einziges Mal aufgetretenen, auf die Anbringung eines falschen Eingangsstempels zurückzuführenden Irrtum zu erkennen. Bei hinterlegten und vom Postamt abgeholten Schriftstücken werde zwar von der Sekretärin eine Rechtsmittelfrist eingetragen, aber kein Häkchen bei der Frist gesetzt, sodass der Rechtsanwalt daran ersehen könne, dass die Sendung nicht in der Kanzlei zugestellt worden sei, und ein solches Schriftstück gesondert prüfen könne. Da aber beim in Rede stehenden „Originalbescheid“ das Häkchen bei der Rechtsmittelfrist gesetzt worden sei, habe sich keinerlei Hinweis dafür ergeben, dass der Bescheid nicht am mit dem Eingangsstempel verzeichneten Tag in der Kanzlei eingegangen sei. Das Bestehen des vom Verwaltungsgericht vermissten Kontrollsystems hätte somit nichts daran geändert, dass der bei Anbringung des Eingangsstempels unterlaufene Fehler unbemerkt geblieben wäre.
10 Es sei auch entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts bei Vorlage des Posteingangs an den Rechtsanwalt das Kuvert dem eingegangenen Schriftstück beigeschlossen gewesen. Aus der Tatsache, dass es sich um einen ein einziges Mal aufgetretenen Fehler handle, sei ersichtlich, dass das Kontrollsystem grundsätzlich funktioniere. Es sei nicht erforderlich, dass der Rechtsanwalt die Sekretärin auf Schritt und Tritt überwache. Um die Anbringung eines korrekten Eingangsstempels zu kontrollieren, müsste der Rechtsanwalt beim Einlangen von Sendungen stets anwesend sein. In diesem Fall wäre es besser, wenn der Rechtsanwalt die Angelegenheit selbst übernehme und die Sekretärin in der Zwischenzeit etwas Anderes mache.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
13 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 1. Aus der ständigen hg. Rechtsprechung ergibt sich eine Verpflichtung des Wiedereinsetzungswerbers zur Konkretisierung aller Umstände, die es ermöglichen, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes zu beurteilen. Der Wiedereinsetzungswerber hat von sich aus initiativ alles vorzubringen, was die Annahme eines die Rechtzeitigkeit der Vornahme einer Prozesshandlung hindernden Umstandes begründen kann (VwGH 30.3.2020, Ra 2019/05/0076; 20.11.2015, Ra 2015/02/0209; jeweils mwN). Dazu zählt auch die Darstellung eines in der Kanzlei des Rechtsvertreters eingerichteten Kontrollsystems zur Sicherstellung, dass für hinterlegte und durch Kanzleibedienstete vom Postamt abgeholte Sendungen die Rechtsmittelfrist zutreffend eingetragen und berechnet wird.
15 Fehlt es an einer derartigen Darstellung im Wiedereinsetzungsantrag, kann das Verwaltungsgericht vom Fehlen solcher Kontrollmaßnahmen und Anordnungen ausgehen, und es kann am Vorliegen eines (dem Wiedereinsetzungswerber zuzurechnenden und) den Grad minderen Versehens übersteigenden Verschuldens des Vertreters kein Zweifel bestehen (vgl. VwGH 27.7.2020, Ra 2020/11/0102; 19.4.2007, 2007/09/0019; jeweils mwN).
16 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision ist das Verwaltungsgericht nicht von der hg. Judikatur abgewichen, wenn es angesichts des oben wiedergegebenen Vorbringens im Wiedereinsetzungsantrag, das keine Darstellung einer systematischen Kontrolle der Richtigkeit des kanzleiinternen Eingangsstempels und insbesondere der Eintragung des bei hinterlegten Sendungen gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz (ZustG), BGBl. Nr. 200/1982, ausgelösten Fristbeginns enthielt, vom Fehlen eines diesbezüglichen Kontrollsystems ausging und daher das Vorliegen eines nur minderen Grads des Versehens verneinte (vgl. etwa auch VwGH 8.7.1992, 92/03/0093).
17 2. Ferner handelt es sich, soweit in der Zulässigkeitsbegründung ein Kontrollsystem dahin behauptet wird, dass bei hinterlegten Sendungen kein Häkchen bei der Rechtsmittelfrist gesetzt werde, sodass solche Schriftstücke durch den Rechtsanwalt gesondert überprüft werden könnten, um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung (vgl. § 41 VwGG), mit der von vornherein keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2019/11/0050).
18 Im Übrigen widerspricht dieses Vorbringen jenem im Wiedereinsetzungsantrag und der Revision (S. 4), wonach aus dem Häkchen ersichtlich sei, dass die Frist (im Terminbuch) eingetragen ist.
19 3. Entgegen dem in der Zulässigkeitsbegründung erstatteten Vorbringen wurde im Wiedereinsetzungsantrag kein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung gestellt und es wurde in diesem auch nicht die Aufnahme von weiteren Beweisen begehrt. Da überdies wie oben dargestellt bereits die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag erkennen ließen, dass im Einklang mit den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vertretbarer Weise vom Fehlen der Voraussetzungen für die Bewilligung dieses Antrags ausgegangen werden durfte, stellt auch das Unterlassen einer Verhandlung kein Abweichen von der hg. Judikatur dar.
20 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. März 2021
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