JudikaturVwGH

Ra 2019/21/0192 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. März 2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des N U in S, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2019, I421 2198282-2/8E, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein im August 1990 geborener Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 21. Oktober 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 vollumfänglich abgewiesen. Zugleich wurde gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen, seine Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt und eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen gewährt. Dieser Bescheid erwuchs unbekämpft in Rechtskraft.

2 Der Revisionswerber kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb in Österreich.

3 Am 25. April 2018 beantragte er die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005. Mit Bescheid vom 9. Mai 2018 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2019 als unbegründet abgewiesen.

4 Mit Bescheid des BFA vom 22. Jänner 2019 wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und es wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine neuerliche Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen; gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei. Unter einem wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot erlassen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

6 Es führte bezüglich der Rückkehrentscheidung aus, dass der Revisionswerber über kein Familienleben in Österreich verfüge und ein solches auch nicht behauptet habe. Unter dem Aspekt eines Eingriffs in das Privatleben könne im Hinblick auf den ca. vier Jahre andauernden Aufenthalt des Revisionswerbers nicht von einem maßgeblichen und überdurchschnittlichen Grad an Integration gesprochen werden, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Es werde nicht verkannt, dass der Revisionswerber über ein Deutsch-Zertifikat Niveau A2 sowie eine Einstellungszusage verfüge, gemeinnützig tätig gewesen sei, eine Straßenzeitung verkauft und Freundschaften geschlossen habe. Dies vermöge aber keine nachhaltige Integration darzulegen. Der vorgelegten Arbeitsplatzzusage komme mangels Aufenthaltsberechtigung und Arbeitserlaubnis keine wesentliche Bedeutung zu. Zudem könne nach wie vor von einem Bestehen von Bindungen des Revisionswerbers zu seinem Heimatstaat Nigeria ausgegangen werden.

In Bezug auf das Einreiseverbot führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass dieses vom BFA aufgrund der nicht vorhandenen Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers zu Recht auf § 53 Abs. 2 Z 6 FPG gestützt worden sei. Dazu komme die langjährige Weigerung des Revisionswerbers, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. In diesem Zusammenhang stellte das Bundesverwaltungsgericht auch fest, dass sich der Revisionswerber einer Abschiebung widersetzt habe, indem er "an drei Terminen bei der nigerianischen Botschaft in Wien zur Erlangung eines Ersatzdokumentes untergetaucht" sei und erst beim vierten Termin unter Androhung einer Haft erschienen sei. In einer Gesamtschau erweise sich das Einreiseverbot daher als zulässig. 7 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber geltend, dass das angefochtene Erkenntnis von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG bezüglich des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung abweiche. Im Hinblick auf die vorhandenen tatsächlichen Sprachkenntnisse, welche das Niveau A2 durchwegs übersteigen würden, die Eruierung der persönlichen Beziehungen des Revisionswerbers und die aufgrund des Vorvertrages vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten wäre es dringend geboten gewesen, sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber zu verschaffen. Das Durchführen einer mündlichen Verhandlung wäre auch erforderlich gewesen, um sich vom tatsächlichen Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines 18-monatigen Einreiseverbotes selbst überzeugen zu können. 11 § 21 Abs. 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung trotz deren ausdrücklicher Beantragung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Aus dieser Regelung ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig war; das ist, wenn es nicht von vornherein auf der Hand liegt, in der Revision darzutun.

Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0275, mwN).

12 Von einem derartigen eindeutigen Fall durfte das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG angesichts der erst ca. viereinhalbjährigen Aufenthaltsdauer, des Fehlens familiärer Bindungen und der wenig ausgeprägten beruflichen Integration in vertretbarer Weise ausgehen (vgl. zu einem ähnlichen Fall etwa VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0242).

13 Das Gleiche gilt letztlich auch im Hinblick auf die zur Verhängung des 18-monatigen Einreiseverbots führende Gefährdungsprognose. Das Einreiseverbot wurde insbesondere darauf gestützt, dass der Revisionswerber seiner Rückkehrverpflichtung seit November 2016 unter mehrmaliger Missachtung von Terminen zur Erlangung eines Heimreisezertifikats nicht nachgekommen sei. Die Revision führt diesbezüglich lediglich ins Treffen, dass der Revisionswerber aus Hoffnung, einen Aufenthaltstitel zu erlangen, weiter im österreichischen Bundesgebiet verblieben und der Ladung zur Überprüfung der Identität zwecks Ausstellung eines Heimreisezertifikates schlussendlich ohnedies nachgekommen sei. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Erlassung eines Einreiseverbots wegen der mehrjährigen und beharrlichen Nichterfüllung der Ausreiseverpflichtung zulässig war. Zwar rechtfertigt ein unrechtmäßiger Aufenthalt per se nicht immer auch die Verhängung eines Einreiseverbotes zusätzlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104, mwN); liegt aber nicht bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt, sondern eine qualifizierte Verletzung der Ausreiseverpflichtung vor, so kann daraus eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG abzuleiten sein (vgl. in diesem Sinn VwGH 24.5.2018, Ra 2018/19/0125, sowie darauf Bezug nehmend etwa VwGH 12.8.2019, Ra 2018/20/0514). Dies entspricht auch Art. 11 Abs. 1 lit. b der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde. Von einer derartigen, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mit sich bringenden Verletzung der Ausreiseverpflichtung ist das Bundesverwaltungsgericht angesichts der bereits mehr als dreieinhalb Jahre zuvor eingetretenen Rechtskraft der Rückkehrentscheidung und der mehrfachen Missachtung von Ladungen zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikats zu Recht ausgegangen; in Anbetracht dessen, dass das Einreiseverbot ohnedies mit nur 18 Monaten befristet wurde, durfte das Bundesverwaltungsgericht vertretbarer Weise auch das Vorliegen eines eindeutigen Falles annehmen, der das Absehen von der mündlichen Verhandlung erlaubt hat.

14 Auf die Frage, ob das Einreiseverbot auch auf die Mittellosigkeit des Revisionswerbers (§ 53 Abs. 2 Z 6 FPG) gestützt werden durfte, was angesichts des vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrags fraglich erscheinen musste, ist es nicht angekommen, weil schon die dargestellte Verletzung der Ausreiseverpflichtung die Erlassung eines 18-monatigen Einreiseverbots erlaubt hat.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 2020

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