JudikaturBVwG

I415 2155927-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2025

Spruch

I415 2155927-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX alias XXXX alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. ÄGYPTEN, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX ( XXXX ) vom 09.12.2024, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein. Nachdem das Verfahren betreffend seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 18.04.2015 in zweiter Instanz gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt und sein zweiter Antrag auf internationalen Schutz vom 25.01.2023 rechtskräftig negativ beschieden wurde, stellte er am 27.02.2024 den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz.

2. Noch am selben Tag wurde er einer niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er befragt zu den Gründen seiner neuerlichen Asylantragstellung angab: „Ich habe hier in Österreich eine Frau mit christlichem Glauben geheiratet. Meine Familie in Ägypten akzeptiert es nicht und hat mir deshalb mit dem Tod gedroht, sollte ich mich nicht von ihr trennen. Sie wollen mich mit meiner Cousine verheiraten“. Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen brachte er vor, dass er Angst davor habe getötet zu werden sowie ferner, dass seine Frau auf sich alleine gestellt sei.

3. Am 13.09.2024 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA/belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er hinsichtlich seiner Fluchtgründe bzw. Befürchtungen im Falle einer Rückkehr erneut, dass er von seiner strenggläubigen Familie mit dem Umbringen bedroht worden sei, zumal er mit einer christlichen Frau verheiratet sei.

4. Mit dem verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid vom 09.12.2024 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 27.02.2024 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück und erteilte dem BF keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.).

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und mangelhafter Führung des Ermittlungsverfahrens.

6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden in weiterer Folge vom BFA vorgelegt und sind am 17.01.2025 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Am 24.01.2025 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I415 neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der 25-jährige, kinderlose BF ist ein ägyptischer Staatsangehöriger, seine Identität steht nicht fest. Er ist der Volksgruppe der Araber zugehörig und ist geborener Moslem. Er spricht muttersprachlich Arabisch und ist gesund und arbeitsfähig, er leidet an keinen schweren chronischen oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Der BF wurde im Gouvernement XXXX in der Stadt XXXX geboren und ist in einer nahegelegenen Ortschaft aufgewachsen. In seiner Heimat hat er mehrere Jahre lang die Schule besucht und in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Er verfügt in Ägypten auch nach wie vor über familiäre Anbindungen, dies unter anderem in Gestalt seiner Mutter, seiner Schwester und mehrerer Cousins.

Der BF hat Ägypten noch als Minderjähriger im Jahr 2014 verlassen und reiste in der Folge nach Österreich, wo er am 18.04.2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Diesen begründete er im Zuge seiner Erstbefragung damit, dass die Unruhen in Ägypten und die gegenseitige Bekämpfung der Volksgruppen sowie die Tatsache, dass er in Österreich eine Ausbildung machen möchte, ihn dazu veranlasst hätten die Heimat zu verlassen. Sie seien von kriminellen Gruppierungen verfolgt worden. In seiner Einvernahme vor dem BFA führte er in der Folge zusammengefasst an, dass er aus Angst vor Blutrache in Zusammenhang mit einem tödlichen Autounfall, in den sein Vater verwickelt gewesen sei, geflüchtet sei.

Mit Bescheid des BFA vom 29.03.2017 zur Zl. XXXX wurde der Antrag des BF vom 18.04.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten als unbegründet abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei. Ferner wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Zumal er in weiterer Folge im Bundesgebiet nicht mehr aufrecht gemeldet war und auch kein Aufenthaltsort ermittelt werden konnte, wurde das Asylverfahren mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.01.2021 zur Zl. XXXX gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt.

Am 25.01.2023 stellte der BF seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. In der daraufhin erfolgten Erstbefragung erklärte er im Hinblick auf die Gründe der neuerlichen Asylantragstellung wie folgt: „Ich bin kein Muslim mehr, weil ich mich dazu, auf Grund der Muslimbrüder, dem IS und allem anderen auf der Welt, entschieden habe. Auf Grund des 2. Artikels des islamischen Rechts, droht mir als Abtrünniger, die Todesstrafe, außerdem verfolgt mich auch meine Familie. Das war mein Fluchtgrund“. Vor dem BFA gab er im Wesentlichen an, dass er Todesangst wegen eines Mädchens habe. Ihr Vater sei Offizier und verfolge ihn. Zudem führte er aus: „Ja. Ich will meinen Asylantrag jetzt zurückziehen. Das hat mir mein Anwalt so geraten. Ich habe einen Antrag auf eine Aufenthaltsgenehmigung eingebracht, weil ich jetzt in Österreich verheiratet bin. Befragt weiß ich nicht, wann dieser eingebracht wurde, aber ich glaube letzte Woche. Befragt ist das alles und ich will nicht mehr aussagen dazu“.

Mit Bescheid des BFA vom 04.12.2023 zur Zl. XXXX wurde auch der zweite Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ägypten als unbegründet abgewiesen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde dem BF nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt. Sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen wurde als unglaubwürdig qualifiziert. Dieser Bescheid wurde der Rechtsvertretung des BF am 13.12.2023 zugestellt. Innerhalb der Beschwerdefrist wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs der Bescheid am 10.01.2024 in Rechtskraft. Der Antrag des BF auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 23.06.2024 wurde mit Bescheid des BFA vom 18.12.2024 gemäß § 69 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag zur Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.

Am 27.02.2024 stellte der BF schließlich den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Fest steht, dass er am 04.12.2024 im Zuge einer Dokumentenvorlage vor dem BFA sinngemäß angab: „Ich brauche derzeit kein Asyl in Österreich. Warum genau ich diesen dritten Asylantrag gestellt habe, kann ich nicht sagen. Ich möchte hier in Österreich gemeinsam mit meiner Frau leben und mir eine Existenz aufbauen“.

Der BF bezieht keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, er ist nicht berufstätig und verfügt über gute Deutschkenntnisse. Seit dem 19.01.2023 ist er mit der ungarischen Staatsangehörigen L.B. standesamtlich verheiratet, sie leben im gemeinsamen Haushalt. Seine Ehegattin ist Christin, sie ist aktuell nicht erwerbstätig und bezieht Arbeitslosengeld in Österreich.

1.2. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des BF:

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Asyl-Erstverfahrens mit Bescheid des BFA vom 04.12.2023 und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid vom 09.12.2024 ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten, welche geeignet wäre, einen neuen Grund für die Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz darzustellen. Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

Auch hat sich die individuelle Situation für den BF im Hinblick auf seinen Herkunftsstaat Ägypten nicht in einem Umfang verändert, dass von einer entscheidungswesentlichen Änderung des Sachverhaltes auszugehen wäre. Der BF wird im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Ägypten eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Ihm droht in Ägypten weder die reale Gefahr der Folter, noch unmenschliche Bestrafung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Ägypten:

Zur (auszugsweise wiedergegebenen) Lage im Herkunftsstaat (mit Angabe der Quellen), soweit sie für den vorliegenden Beschwerdefall von Relevanz sind:

Politische Lage

Das in der Verfassung garantierte Regierungssystem eines demokratischen Rechtsstaats, wie auch die dort enthaltenen Rechte wie Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind de facto und de jure ausgehöhlt. Verfassungsänderungen im April 2019 griffen erheblich in die Gewaltenteilung ein, stärkten die Kontrolle des Militärs über das zivile Leben und verlängerten die Amtszeit des Staatspräsidenten um zwei auf sechs Jahre (AA 26.1.2022). Präsident Abdel Fatah Al-Sisi regiert Ägypten seit seiner Machtübernahme auf eine immer autoritärere Weise (FH 28.2.2022). Die Lage in Ägypten unter Staatspräsident Al-Sisi ist durch ein hohes Maß an staatlicher Repression und eine Politik geprägt, die – dominiert durch Militär und Sicherheitsbehörden und vermeintlich im übergeordneten Interesse der Stabilität – für oppositionspolitische Betätigungen und die Entfaltung bürgerlicher Freiheiten kaum noch Raum lässt (AA 26.1.2022). Die anhaltende Menschenrechtskrise in Ägypten unter der Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi war Gegenstand internationaler Kritik im Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (HRW 13.1.2022).

Abdel Fatah Al-Sisi ist seit dem 8.6.2014 Präsident Ägyptens. Seine Wiederwahl erfolgte im März 2018 (AA 28.2.2022). Der Präsident wird durch Volksabstimmung für bis zu zwei Amtszeiten gewählt. Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, der 2013 durch einen Staatsstreich an die Macht kam, während er als ägyptischer Verteidigungsminister und Befehlshaber der Streitkräfte diente, wurde nur durch unfaire, nicht wettbewerbsfähige Wettbewerbe gewählt. Bei den Wahlen 2018 erhielt Sisi 97% der Stimmen, nachdem er alle Oppositionskandidaten zum Rückzug gedrängt hatte, so dass nur noch Mousa Mostafa Mousa, der Vorsitzende der Al-Ghad-Partei, der sich für Sisi eingesetzt hatte, im Rennen war. Die Wahlen im Jahr 2018 wurden durch eine niedrige Wahlbeteiligung, den Einsatz staatlicher Mittel und Medien zur Unterstützung von Sisis Kandidatur, Einschüchterung der Wähler und Stimmenkauf beeinträchtigt (FH 28.2.2022).

Das im Jänner 2021 neu zusammengetretene Parlament ist von einer regierungstreuen nationalen Wahlliste dominiert. Lediglich eine kleine Gruppe von Abgeordneten nimmt, in einem sehr eng begrenzten Rahmen, oppositionelle Positionen ein. Parteien nehmen keine eigenständige Rolle in der Willensbildung ein und wurden durch das 2014 reformierte Wahlrecht weiter geschwächt. Angesichts breiter Desillusionierung bzgl. der Parlamentsarbeit und sehr niedriger Wahlbeteiligung setzte das neue Parlament Befragungen von Regierungsmitgliedern an, die aber die grundsätzliche Rolle des Parlaments als Legitimierungsinstitution für Exekutivhandeln nicht ändern (AA 26.1.2022)

Quellen:

AA - Auswätiges Amt [Deutschland] (28.2.2022): Ägypten: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/steckbrief/203556, Zugriff 26.8.2022

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html, Zugriff 23.8.2022

HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066548.html, Zugriff 23.8.2022

Sicherheitslage

Verschiedene terroristische Gruppen sind in Ägypten aktiv, die bedeutendste ist der IS Wilayat Sinai. Terroristische Anschläge können im ganzen Land stattfinden, wiewohl sie sich zuletzt auf der Sinai Halbinsel konzentriert haben. Im Jahr 2020 gab es gemäß öffentlich zugänglicher Informationen ca. 234 terroristische Angriffe. Immer wieder, auch im Jahr 2021, finden sich Berichte über Zusammenstöße zwischen ägyptischer Armee und Terroristen v.a. am Nord-Sinai, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Neben dem Nord-Sinai ist auch das Wüstengebiet im Westen bis zur libyschen und sudanesischen Grenze ein Hotspot. Terroristische Anschläge und Militäroperationen führen (auch) zu zivilen Opfern. Ziele der terroristischen Angriffe sind die Sicherheitskräfte, aber auch diplomatische Vertretungen, Touristenorte, Transportknotenpunkte, Märkte und Einkaufszentren, westliche Unternehmen, Restaurants und lokale Regierungseinrichtungen. Die Behörden sind aktiv in der Terrorismusbekämpfung, die Anti-Terrorgesetzgebung ist streng und bedeutet Einschränkungen fundamentaler Menschen- und Freiheitsrechte. Erfolge werden erzielt. Im Jahr 2020 wurden nach offiziellen Angaben 750 Waffenverstecke ausgehoben und 150 Terroristen getötet (STDOK 17.3.2022).

Das Risiko terroristischer Anschläge ist weiterhin gegeben (FD 2.8.2022; vgl. AA 22.6.2022, BMEIA 22.8.2022). Im Norden der Sinai-Halbinsel, dem Gouvernorat Nordsinai und dem ägyptisch-israelischen Grenzgebiet - mit Ausnahme des unmittelbaren Küstenabschnitts und des Grenzortes Taba - finden militärische Operationen statt, da es in der Vergangenheit zu terroristischen Anschlägen kam. Im Gouvernorat Nordsinai gilt der Ausnahmezustand, der mit nächtlichen Ausgangssperren einhergeht. Die ägyptischen Behörden haben die Grenzregionen zu Libyen und zum Sudan zu Sperrgebieten erklärt (AA 22.6.2022; vgl. BMEIA 22.8.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 25.8.2022

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres [Österreich] (22.8.2022): Reiseinformation, Ägypten - Sicherheit Kriminalität, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/aegypten/, Zugriff 26.8.2022

FD - France diplomatique [Frankreich] (2.8.2022): Egypte - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/egypte/#securite, Zugriff 26.8.2022

STDOK – Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenweswen und Asyl (17.3.2022): Themenbericht: Terrorismus in Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor. Einzelnen Gerichten fehlt es manchmal an Unparteilichkeit und diese gelangen zu politisch motivierten Ergebnissen. Die Regierung respektiert in der Regel Gerichtsbeschlüsse (USDOS 12.4.2022). Die Unabhängigkeit der Justiz ist vor allem im Bereich der äußerst weit verstandenen Terrorismusbekämpfung erheblich beeinträchtigt. Willkürliche Verhaftungen, Fälle von erzwungenem Verschwindenlassen von Personen durch die Staatssicherheit und politisch motivierte Gerichtsverfahren sind an der Tagesordnung. Folter und Misshandlungen in Haft sind verbreitet (AA 26.1.2022).

Der Aufbau der Justiz und die Grundzüge der Verfahren folgen formell und materiell weitgehend europäischen (v.a. französischen) Mustern (Unabhängigkeit der Richter, Instanzenzüge etc). Islamische Einschläge existieren zwar (Sharia z.B. für muslimische von 36 Bürger relevant im Familien- und Erbrecht; Sharia in der Verfassung als Rechtsquelle festgelegt), sind aber für die Rechtsordnung insgesamt nicht bestimmend. Mit 4.6.2022 wurde auf Weisung des Präsidenten im Justizministerium ein Expertenkomitee zur Reform des Personenstandsrechts eingesetzt, welches die neuen Gesetzesvorlagen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen diskutieren soll (ÖB 6.2022).

Staatsanwaltschaften und Gerichte verlängerten die Untersuchungshaft Tausender Inhaftierter, gegen die wegen fabrizierter Terrorismusanklagen ermittelt wurde, ohne ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die Rechtmäßigkeit ihrer Haft anzufechten. Im Oktober 2021 erließ das Justizministerium eine Verordnung, wonach die Untersuchungshaft auch in Abwesenheit der Betroffenen und somit ohne ordnungsgemäße Verfahrensgarantien verlängert werden konnte (AI 29.3.2022).

Es existieren in Ägypten Straftatbestände, die, als solche oder in ihrer konkreten Anwendung, eine Diskriminierung aufgrund bestimmter Merkmale darstellen. So werden die vage gefassten Straftatbestände der Antiterror-Gesetzgebung und der Straftatbestand der Verbreitung von Falschnachrichten regelmäßig gegen politische Opposition oder politisch aktive Zivilgesellschaft eingesetzt. Insgesamt ist die Einleitung von Strafverfahren, die aufgrund vager Strafvorschriften regelmäßig möglich ist und lange Untersuchungen, Inhaftierung, Reisesperren oder Kontensperrung nach sich ziehen kann, häufiger zu beobachten gegen Personen, deren politische Meinung im Konflikt mit staatlichen Stellen steht, sowie gegen deren Umfeld und Verwandte. Der Blasphemieparagraph findet überproportional auf Christen und Atheisten Anwendung, der Unzuchtparagraph nahezu ausschließlich auf homosexuelle Männer (AA 26.1.2022).

Gesetzlich ist das Recht auf ein faires Verfahren vorgesehen, aber die Justiz kann dieses Recht oft nicht gewährleisten. Das Gesetz geht von einer Unschuld der Angeklagten aus und die Behörden informieren sie in der Regel unverzüglich und im Detail über die Anklagen gegen sie. Die Angeklagten haben das Recht, bei den Verfahren anwesend zu sein. Die Teilnahme ist verpflichtend für Personen, die eines Verbrechens angeklagt werden, und fakultativ für diejenigen, die wegen Vergehen angeklagt sind. Zivilverhandlungen sind in der Regel öffentlich. Die Angeklagten haben das Recht, einen Anwalt zu konsultieren, und die Regierung ist zuständig für die Finanzierung des Rechtsbeistands, wenn der Angeklagte sich keinen Rechtsanwalt leisten kann. Angeklagte haben das Recht auf Berufung. Verhandlungen vor dem Militärgericht sind nicht öffentlich (USDOS 12.4.2022).

Das Recht auf ein faires Verfahren ist in der Praxis – v.a. bei Delikten, die die Staatssicherheit betreffen – oft nicht gewährleistet und wird u.a. durch folgende Praktiken beeinträchtigt: Verhaftungen ohne Haftbefehl, exzessive Anwendung von Präventiv- und Untersuchungshaft, Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten, Massenprozesse gegen eine große Anzahl von Beschuldigten mit mangelnder Beweisführung zum Einzelfall. Auffallend sind die teils unverhältnismäßigen Strafen, was nicht immer nur an den Rechtsnormen selbst, sondern oft auch an der Ermessensausübung durch die jeweiligen Richter liegt, sowie der Umstand, dass eine sehr dürftige Beweislage keineswegs einer Verurteilung entgegensteht (in dubio pro reo ist kein die Praxis bestimmendes Prinzip) (ÖB 6.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html, Zugriff 1.8.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 1.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist zuständig für die Durchsetzung der Gesetze und innere Sicherheit, ihm unterstehen die Polizei (Public Security Sector Police), die Zentralen Sicherheitkräfte (Central Security Force – CSF), der Nationale Sicherheitssektor (National Security Sector – NSS) sowie Zoll und Immigration. Die Polizei ist für die Strafverfolgung bundesweit verantwortlich. Die Zentralen Sicherheitskräfte sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Der NSS ist bei Bedrohungen der inneren Sicherheit zuständig sowie für die Bekämpfung des Terrorismus, gemeinsam mit anderen ägyptischen Sicherheitskräften. Zivile Behörden haben eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 12.4.2022).

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten bei fehlender Transparenz oder Rechenschaftspflicht. Die reguläre Polizei ist formal von den Sicherheitsdiensten getrennt, in der Praxis beaufsichtigt der Staatssicherheitsdienst das Handeln der Polizei. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Terrorismusvorwürfe werden weit ausgelegt und regelmäßig zur Ahndung jeder Form von Kritik an Regierungshandeln eingesetzt. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 26.1.2022).

Der seit 2017 bestehende Ausnahmezustand wurde im Oktober 2021 durch Präsident Sisi nicht verlängert, jedoch führte dieser im November 2021 gesetzliche Regelungen ein, die es dem Präsidenten erlauben, im Fall von Naturkatastrophen oder Terrorismus Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zu ergreifen, wie Ausgangssperren oder Evakuierungen, für eine maximale Dauer von sechs Monaten (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 26.1.2022), dadurch wurden im Ausnahmezustand bestehende Regelungen in reguläre Gesetze überführt (AA 26.1.2022).

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Militärs auch im wirtschaftlichen Umfeld. Die traditionell starke Verflechtung des Militärs in sämtlichen ägyptischen Strukturen ist laut Schätzungen für bis zu 45% des BIP verantwortlich, auch wenn es dazu aus Gründen der Geheimhaltung keine offiziellen/verlässlichen Zahlen gibt (Präsident Al-Sisi spricht von knapp 2%). Das Militär ist in sämtlichen Infrastrukturbereichen ebenso tätig wie beispielsweise beim Abfüllen von Wasser oder der Produktion von Pasta und beim Import von Babymilchpulver (WKO 5.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

WKO - Wirtschaftskammer Österreich – Außenwirtschafts Center Kairo (5.2022): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegyptenwirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 22.8.2022

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung besagt, dass einer Person, die die Behörden inhaftiert oder festgenommen haben, keine Folter, Einschüchterung, Nötigung oder körperlicher oder moralischer Schaden zugefügt werden darf. Das Strafgesetzbuch verbietet Folter zur Erlangung eines Geständnisses, berücksichtigt aber keinen psychischen Missbrauch (USDOS 12.4.2022). Folter ist in offiziellen und inoffiziellen Haftanstalten weit verbreitet und nur in einzelnen Fällen werden Polizeibeamte strafrechtlich verfolgt (AI 29.3.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).

Folter wird durch ägyptische Sicherheitsbehörden in unterschiedlichen Formen und Abstufungen praktiziert. In Gewahrsam der Staatssicherheit und der Polizei sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. In diesem Zusammenhang kommt es auch zu Todesfällen in Haft. Menschenrechtsverteidiger kritisierten, dass Beweise, die zu Verurteilungen in Strafverfahren führten, unter Folter gewonnen werden (AA 26.1.2022; USDOS 12.4.2022). Betroffen waren bisher vor allem Muslimbrüder und Islamisten. In letzter Zeit werden aber auch verstärkt Mitglieder der Zivilgesellschaft und Oppositionelle Opfer von Folter. Folter wird als Mittel zur Informationsgewinnung, Abschreckung und Einschüchterung eingesetzt (AA 26.1.2022). Lokale Menschenrechtsorganisationen berichten von systematischer Folter, die auch zu Todesfällen führt. Nach Angaben inländischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen greifen Polizei und Gefängniswärter auf Folter zurück, um Informationen aus Inhaftierten, darunter auch Minderjährigen, zu erlangen (USDOS 12.4.2022).

Extralegale Tötungen werden im Zusammenhang mit dem staatlichen Vorgehen gegen Islamisten verübt. Willkürliche Festnahmen und erzwungenes Verschwindenlassen, Inhaftierungen durch die Sicherheitsbehörden über längere Zeiträume ohne Anklage und Benachrichtigung von Angehörigen und Rechtsbeiständen sind verbreitet und üblich. Die Zahl solcher Fälle ist zuletzt im Zuge der verstärkten Repression gegen die politische Opposition und Zivilgesellschaft stark angestiegen (AA 26.1.2022; vgl. HRW 13.1.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

AI - Amnesty International (29.3.2020): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2019 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070272.html, Zugriff 1.8.2022

HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066548.html, Zugriff 23.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Korruption

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht konsequent um, und Beamte üben manchmal ungestraft korrupte Praktiken aus (USDOS 12.4.2022).

Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Die Administrative Control Authority (ACA), die für die meisten Antikorruptionsinitiativen zuständige Stelle, untersteht Al-Sisi. Der ACA fehlt es an Glaubwürdigkeit, Transparenz und Unparteilichkeit, und es ist ihr nicht gestattet, die wirtschaftlichen Aktivitäten des Militärs zu überwachen. Daher wird angenommen, dass die ACA ein Instrument für Sisi ist, um die Bürokratie zu kontrollieren, wichtige Patronagenetzwerke zu verwalten und der Propaganda des Regimes zu dienen (FH 28.2.2022).

Laut Corruption Perceptions Index 2021 befindet sich Ägypten auf Platz 117 von 180 Ländern; das Land befindet sich damit am selben Platz wie im Vorjahr (TI 2022).

Quellen:

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html, Zugriff 23.8.2022

TI - Transparency International (2022): Corruption Perceptions Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021, Zugriff 23.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Wehrdienst und Rekrutierungen

Männer im Alter von 18-30 Jahren werden zum Wehrdienst verpflichtet. Die Dienstpflicht beträgt zwischen 14-36 Monate, gefolgt von einer neun-jährigen Reserveverpflichtung. Der freiwillige Militärdient ist für Frauen und Männer ab 16 Jahren (Stand 2022) möglich (CIA 10.8.2022). Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist, sie erfolgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. Wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten werden häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt (AA 26.1.2022).

Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht formal nicht, gleichwohl gibt es für Wehrpflichtige, die den Dienst an der Waffe ablehnen, vielfältige Möglichkeiten eines waffenlosen Dienstes innerhalb der Streitkräfte (z. B. als Bausoldaten oder Hilfskräfte) oder in den vielen vom Militär betriebenen Wirtschaftsbetriebe. Die Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst existiert nach ägyptischem Recht nicht. Zu inoffiziellen Möglichkeiten des Freikaufs bestehen keine Erkenntnisse. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt (AA 26.1.2022).

Wehrdienstverweigerung (im Sinne einer Totalverweigerung) wird mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren und / oder einer Geldstrafe bestraft. Sie zieht zudem den Entzug politischer Rechte und die Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, nach sich. Bei einem entsprechenden Strafverfahren während des wehrpflichtigen Alters (d. h. in der Regel bis zum 30. oder 31. Lebensjahr) werden im Normalfall Gefängnisstrafen ausgesprochen, in Strafverfahren nach dem wehrpflichtigen Alter zumeist eine Geldstrafe. Die Straftatbestände verjähren mit dem Erreichen des 45. Lebensjahrs (AA 26.1.2022).

Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Identifikationskarten indizieren den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 12.4.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

CIA - Central Intelligence Agency [USA] (10.8.2022): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/, Zugriff 23.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in Ägypten hat sich – bei bereits Besorgnis erregendem Niveau – 2021 in fast allen Bereichen weiter verschlechtert (AA 26.1.2022).

Ägypten hat einige internationale Menschenrechtsübereinkommen ratifiziert. Erhebliche Vorbehalte zu diesen Instrumenten betreffen unter anderem Bestimmungen betreffend die Gleichstellung von Mann und Frau vor dem Hintergrund islamischen Rechts (Scharia-Vorbehalt) (AA 26.1.2022).

Die im September 2021 veröffentlichte nationale Menschenrechtsstrategie präsentiert Ägypten als Vorreiter in der Region. Dies spiegelt sich allerdings bisher in der Umsetzung des Schutzes von Menschenrechten nicht wieder. Während im Bereich Frauen- und Kinderrechte gewisse Fortschritte erzielt werden konnten, werden politische und zivile Rechte fast ausschließlich durch die Verfassung geschützt. Konkrete Gesetze zum Schutz von politischen Rechten fehlen. Die Umsetzung des Schutzes ist folglich mangelhaft. Auch die Menschenrechtsstrategie sieht Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen vornehmlich bei der Zivilbevölkerung. Politisch motivierte Strafverfolgung und Einschränkung von Rechten seitens des Regimes und insbesondere der Sicherheitsdienste werden nicht thematisiert (AA 26.1.2022).

Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter sowie durch terroristische Gruppen; erzwungenes Verschwindenlassen durch die Staatssicherheit; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; politisch motivierte Repressalien gegen Personen, die sich in einem anderen Land aufhalten; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Verstöße in einem Konflikt, einschließlich Berichten zufolge Verschwindenlassen, Entführungen, körperliche Misshandlungen und außergerichtliche Tötungen; schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur, Sperrung von Websites und Missbrauch von Verleumdungsgesetzen; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, einschließlich Reiseverbote für Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Aktivisten; schwerwiegende und unangemessene Beschränkungen der politischen Partizipation; schwerwiegende staatliche Beschränkungen für inländische und internationale Menschenrechtsorganisationen; Straftaten, die mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen verbunden sind, sowie die Anwendung des Gesetzes zur willkürlichen Verhaftung und Verfolgung dieser Personen (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022). Todesurteile wurden nach grob unfairen Verfahren verhängt und Hinrichtungen vollstreckt, auch für Drogendelikte (AI 29.3.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070273.html, Zugriff 1.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Religionsfreiheit

90% aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Ca. 10% der Bevölkerung sind Christen, 90% davon gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und der Rest anderen christlichen Konfessionen an (USDOS 2.6.2022).

Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Verfassung von 2014 bestimmt die Scharia zur Quelle des Rechts (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022). Die Religionsfreiheit ist eingeschränkt (AA 26.1.2022).

Die Verfassung von 2014 garantiert zwar uneingeschränkte Freiheit des Glaubens, beschränkt die Freiheit des Kultes aber auf Offenbarungsreligionen (Islam, Christentum, Judentum). Dadurch besteht eine Unterscheidung zwischen „anerkannten“ und „nicht-anerkannten“ Religionen, beispielsweise in der Freiheit zum Bau von Gotteshäusern (AA 26.1.2022; vgl. ÖB 6.2022, USDOS 2.6.2022) und der Ausübung religiöser Riten, die zu zahlreichen Formen der Diskriminierung im Alltag für die Anhänger „nicht-anerkannter“ Glaubensgemeinschaften führt. Atheismus ist nicht anerkannt (AA 26.1.2022).

Führende Vertreter des staatlichen Islam haben Einfluss auf die Politik, besonders in Fragen der privaten Lebensführung und sozialer Normen. Zugleich üben sie staatliche Kontrolle über Glaubensinhalte aus, beispielsweise durch die Ausbildung sämtlicher Geistlichen, die Zulassung von Moscheen und deren Personal und die Kontrolle bzw. Vorgabe von Predigten. Diese staatsnahe Mehrheitsreligion schreibt unter dem Signum des „moderaten Islam“ und im Rahmen des staatlichen Kampfes gegen terroristische und extremistische Strömungen eine sozial tief konservative aber ansonsten unpolitische Form der Religion vor und richtet sich in starkem Maße gegen unabhängige Prediger aus dem islamistischen Spektrum. Der staatliche Islam schränkt aber auch die Religionsfreiheit nicht-sunnitischer Muslime ein: besonders der schiitischen Gemeinde und generell für Muslime, die Religionsfreiheit außerhalb des Rahmens der staatlichen anerkannten Religion leben wollen; beispielsweise die Freiheit, die Religion zu verlassen, heterodoxe Glaubenssätze zu vertreten oder außerhalb der Religion zu heiraten oder Beziehungen zu führen (AA 26.1.2022).

Die Konversion vom Christentum zum Islam ist einfach und wird vom Staat anerkannt, während die umgekehrte Konversion vom Islam zum Christentum zu massiven Problemen für die Betroffen führt. Zwar ist die Aufgabe des islamischen Glaubens nicht im geschriebenen Recht, wohl aber nach islamischem Recht verboten. Aufgrund innerislamischer Vorschriften gegen Apostasie haben Konvertiten in Ägypten mit gesellschaftlicher Ächtung zu rechnen. Die Behörden weigern sich in solchen Fällen häufig, neue Personaldokumente auszustellen (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022).

Der Eintrag der Religionszugehörigkeit in Personaldokumenten bleibt auch für andere religiöse Minderheiten ein Einfallstor für Diskriminierung und Ungleichbehandlung. Seit März 2009 ist es den Bahai erlaubt, nationale Ausweise und Pässe zu haben, in denen das Feld „Religion“ offen bleibt, was jedoch zu vielfältigen Problemen im Alltag führen kann (AA 26.1.2022).

Eine interreligiöse Ehe zwischen einem christlichen Mann und einer muslimischen Frau ist nach islamischem Recht verboten und kann in Ägypten nicht geschlossen oder nachträglich anerkannt werden (AA 26.1.2022; vgl. USDOS 2.6.2022, ÖB 6.2022). Entsprechende Beziehungen können nur im Verborgenen geführt werden und Betroffene müssen, je nach familiärem Hintergrund, mit erheblichen Vergeltungsmaßnahmen durch Familienmitglieder rechnen. Sogenannte Ehrenmorde, gerade in konservativ islamisch geprägten Schichten, kommen in Ägypten immer wieder vor (AA 26.1.2022).

[Anm.: zu Kopten siehe folgendes Kapitel]

Die schiitische Minderheit ist marginalisiert und wird immer wieder Opfer von Übergriffen. Da Schiismus in Ägypten nicht als Religion anerkannt ist, sind die Mitglieder dieser Minderheit gezwungen, ihren Glauben im Verborgenen auszuüben (AA 26.1.2022). Schiiten riskieren Vorwürfe der Blasphemie, wenn sie ihre religiösen Meinungen öffentlich äußern, öffentlich beten oder schiitische Bücher besitzen. Schiiten geben an, sie seien vom Dienst in den Streitkräften sowie in den Sicherheits- und Geheimdiensten ausgeschlossen (USDOS 2.6.2022). Es gibt keine belastbaren Zahlen über die Anzahl von in Ägypten lebenden Schiiten (AA 26.1.2022). Schätzungen zufolge machen sie ca 1% der Bevölkerung aus (USDOS 2.6.2022). In ähnlicher Situation finden sich die etwa 2.000 Bahai, die ebenfalls keine staatliche Anerkennung genießen (AA 26.1.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068728.html, Zugriff 23.8.2022

ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2022): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2075269/AEGY_%C3%96B_Bericht_2022_06.pdf, Zugriff 1.8.2022

USDOS - U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html, Zugriff 24.8.2022

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Wiedereinbürgerung vor. Zudem darf laut Verfassung kein Bürger daran gehindert werden, das Staatsgebiet zu verlassen. Dennoch dürfen Männer, die den Wehrdienst nicht absolviert und keine Ausnahmegenehmigung erhalten haben, nicht ins Ausland reisen oder auswandern. Nationale Personalausweise belegen den Abschluss des Militärdienstes (USDOS 12.4.2022).

Die Behörden verlangen sporadisch, dass Bürger im Alter von 18 bis 40 Jahren eine Erlaubnis des Innenministeriums vorlegen, um in bestimmte Länder zu reisen. Dies soll den Beitritt zu terroristischen Gruppen erschweren und die Flucht von Kriminellen verhindern (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung verhängt Reiseverbote für manche Menschenrechtsverteidiger und politische Aktivisten, die wegen Straftaten angeklagt oder untersucht wurden. Die Verfassung verbietet der Regierung, Bürger auszuweisen oder Bürgern die Rückkehr ins Land zu verbieten. Einige Politiker leben freiwillig außerhalb des Landes, da sie von der Regierung mit Strafverfolgung bedroht wurden (USDOS 12.4.2022).

Zu internen Ausweichmöglichkeiten liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor. Es ist grundsätzlich von einer unterschiedslosen Verfolgungspraxis auszugehen. Allerdings kann zumindest bei vergleichsweise minder schweren Verfolgungsgründen (z.B. niedrigschwelligem oppositionellen Engagement) der Ortswechsel innerhalb des Landes dazu führen, dass die Betroffenen unbehelligt bleiben. Auf dem Nordsinai und in entlegenen Wüstenregionen ist das staatliche Gewaltmonopol zum Teil faktisch eingeschränkt. Bei geschlechtsspezifischen Verfolgungsgründen (z.B. Genitalverstümmelung, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt) ist eine interne Ausweichmöglichkeit keine realistische Option (AA 26.1.2022).

Die Regierung versucht, den Zugang zum Nordsinai einzuschränken (USDOS 12.4.2022).

Ein Meldewesen existiert nicht (AA 26.1.2022; vgl. DEB 3.2014). Die Wohnadresse wird auf dem Personalausweis angeführt. Bei einem Umzug muss die Adresse aktualisiert werden. Es gibt aber keine Überprüfung der Wohnsitzdaten durch die Meldebehörde, wodurch veraltete oder falsche Adressen unentdeckt bleiben und es gibt keine Strafe für die Nichtaktualisierung der Adresse (DFAT 17.6.2019).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

DEB - Deutsche Botschaft Kairo [Deutschland] (3.2014): Rechtsverfolgung in Ägypten in Zivil-und Handelssachen, https://kairo.diplo.de/blob/1504098/ed993d3218a2f43cdbae47f47c9650da/merkblattrechtsverfolgung-in-aegypten-data.pdf, Zugriff 25.8.2022

DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.6.2019): DFAT Country Information Report – Egypt, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-informationreport-egypt.pdf, Zugriff 25.8.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.4.2022): Country Report on Human Rights Practices 2021 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071155.html, Zugriff 1.8.2022

Grundversorgung und Wirtschaft

Durch die Leistungen der Vorjahre kam Ägypten recht gut durch die Covid-19 Krise. Zwar wurde das gesteckte Ziel eines jährlichen 6 %-igen Wachstums in den COVID-Jahren nicht erreicht, aber mit einem BIP Wachstum von 3,6 % im Jahr 2020 und 3,3 % im Jahr 2021 gab es trotz der herausfordernden Situation ein stabiles Wachstum. Um gut durch die COVID-19 Pandemie zu kommen, war ein Rettungs- bzw. Konjunkturpaket über EGP 100 Mrd. (ca. EUR 6 Mrd.) geschnürt worden. Das Jahr 2022 bringt der ägyptischen Wirtschaft aber große Herausforderungen und eine strukturelle Wirtschaftskrise (WKO 5.2022).

Ob man auch 2022 mit den üblichen Stützen die Wirtschaft wieder ankurbeln kann, ist aber noch fraglich. Bisher war der Tourismus ein Hauptfaktor. Nach COVID-19 hatte sich Ägypten schnell wieder für Touristen geöffnet. Ob man die ausbleibenden Ankünfte aus der Ukraine und Russland schnell ersetzen kann, bleibt fraglich. Zuletzt sorgten auch die staatlichen Megaprojekte (nicht weniger als 34 neue Städte und Stadtteile) für gut gefüllte Auftragsbücher. Mittels internem Schreiben an die jeweiligen Fachminister hat der ägyptische Ministerpräsident im März 2022 einen Stopp für sämtliche Neuprojekte mit Devisenbezug verordnet. Nur die wichtigsten Projekte sollen durchgeführt werden. Um die derzeitige Krise wieder meistern zu können, ist Ägypten auf Investitionen und Hilfsprogramme angewiesen. Zusagen finanzieller Unterstützung gab es sehr schnell u.a. aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und aus Katar. Daneben ist Ägypten wieder im Gespräch mit dem IWF. Derzeit ist noch unklar, ob Ägypten wieder um finanzielle Unterstützung, oder nur technische Unterstützung für Reformprogramme ansuchen wird (WKO 5.2022).

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Daran ändert auch das mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarte Reformprogramm, das Kürzungen der staatlichen Subventionen für Elektrizität, Treibstoff, aber auch für Brotgetreide einschließt, nichts. So wurde z.B. nach Kürzung von Subventionen im Sommer 2017 und damit verbundenen Preissteigerungen die Zahl der Berechtigten für Lebensmittelkarten erhöht (bisher schon ca. 70 Mio. Personen) und auch der Umfang der über diese Karten zu beziehenden Güter nochmals ausgedehnt. Nicht-Ägypter haben keinen Zugang zu diesem System (AA 26.1.2022).

Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen, die in den 1950er- und 1960er-Jahren geschlossen und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden, gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost (AA 26.1.2022).

Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an besonders Bedürftige sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule (AA 26.1.2022).

Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und wohltätige Stiftungen (AA 26.1.2022).

Subventionsabbau droht – trotz langsam sinkender Inflation und sozialen Gegenmaßnahmen der Regierung die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft weiter zu verschlechtern (AA 26.1.2022).

Über USD 20 Mrd. werden jährlich von ägyptischen Migranten aus dem Ausland rücküberwiesen. Diese Überweisungen sind für die Bevölkerung und den Konsum unverzichtbar (WKO 5.2022).

Um der bestehenden Arbeitslosigkeit (offiziell unter 10% sowie ca. 30% Jugendarbeitslosigkeit, inoffiziell und insgesamt bei etwa 20 bis 25%) Herr zu werden und künftig genug Arbeitsplätze zu generieren, braucht das Land ein BIP Wachstum von ca. 6%. 2012-2014 wurde dieses Ziel mit einem Wert von ca. 2,2% beunruhigend unterschritten. Auch 2015-2017 konnte das Ziel nicht erreicht werden und die 5% Marke knapp nicht geknackt werden. 2017/2018 (5,4%) und 2018/1 (5,6%) konnte die 5% Grenze endlich überschritten werden. Obwohl laut ursprünglichen Planungen endlich ein höheres Wachstum verzeichnet hätte werden sollen, brachte 2020 und 2021 den nächsten Rückschlag. Aufgrund von COVID-19 sank die Wirtschaftswachstumsrate 2020 auf 3,3 und 2021 auf 3,6. Dennoch wird 2022 mit einer Steigerung auf 5,3% gerechnet (WKO 5.2022).

Um dem Anstieg der Lebenshaltungskosten Einhalt zu gebieten, deckelte Premierminister Mustafa Madbuli den Brotpreis im März 2022. Ein 90-Gramm-Fladen darf nun nirgendwo mehr als ein Ägyptisches Pfund, also ca. 0,05 Euro kosten. Dies ist der Preis, für die rund 63 Millionen Bezugsberechtigte in rund 30.000 Bäckereien subventioniertes Brot beziehen können. Ab sofort gilt er auch für die 5000 Bäckereien, die nicht subventioniertes Brot verkaufen. Für die Zukunft kündigte die Regierung an, die Wirtschaft mit 130 Millionen Ägyptischen Pfund (ca. 6,4 Mio. Euro) zu stützen. Sie wolle damit gegen die wachsende Armut, das Schrumpfen der Privatwirtschaft und die wachsende Arbeitslosigkeit im Land vorgehen, die sich bereits vor der Corona-Pandemie abzeichneten. In Ägypten leben rund 30 Millionen Menschen in Armut [ca. ein Drittel der Bevölkerung], 70 % der Bevölkerung ist auf Staatshilfen angewiesen (DW 27.3.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

DW - Deutsche Welle (27.3.2022): Ägypten: Regierung ringt um Ernährungssicherheit, https://www.dw.com/de/%C3%A4gypten-regierung-ringt-um-ern%C3%A4hrungssicherheit/a61273354, Zugriff 25.8.2022

WKO - Wirtschaftskammer Österreich - AußenwirtschaftsCenter Kairo (5.2022): Außenwirtschaftsbericht Ägypten, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aegyptenwirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 22.8.2022

Medizinische Versorgung

Neben den relativ zahlreichen, sehr teuren Kliniken und Krankenhäusern mit internationalem Renommee gibt es in Ägypten ein Netz von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, deren Leistungsniveau nicht europäischen Standards entspricht (MSZ 17.6.2022). In Kairo ist eine ausreichende Versorgung gewährleistet. Die medizinische Versorgung außerhalb Kairos hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch entspricht sie nach wie vor oft nicht westeuropäischem Standard (AA 22.6.2022).

Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, unter anderem die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können und die auch Behandlungsmöglichkeiten für chronische Krankheiten – hauptsächlich aus dem Bereich der Inneren Medizin und Psychiatrie – bieten. Im öffentlichen Gesundheitswesen besteht für letztere nur eine minimale Versorgung (AA 26.1.2022).

Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Häufig sind Generika zu niedrigen Preisen verfügbar. Preise für Importe werden staatlich kontrolliert (AA 26.1.2022).

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grundversorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben (AA 26.1.2022).

Ägypten hat 2018 ein Gesetz über die universelle Krankenversicherung (UHI) erlassen, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auszuweiten. Das Gesetz, dessen Umsetzung im Juli 2019 begonnen hat, birgt ein enormes Potenzial, wesentliche Fortschritte auf dem Weg zur universellen Gesundheitsversorgung (UHC) zu erzielen. Bei vollständiger Umsetzung über einen Zeitraum von 12-15 Jahren sollen alle Ägypterinnen und Ägypter im Rahmen des UHI-Systems versichert sein und ein Leistungspaket mit hochwertigen Gesundheitsleistungen und finanziellem Schutz erhalten (Khalifa et al 1.11.2021). Die Zahl der im System registrierten Personen hat bis August 2022 mehr als 4,5 Millionen Begünstigte [Anm.: bei einer Bevölkerung von insgesamt ca. 100 Millionen] erreicht. In den Gouvernoraten Port Said, Ismailia und Luxor wurden fast 13 Millionen medizinische Leistungen erbracht und über 196.000 Operationen in 21 Krankenhäusern und 134 Gesundheitsstationen in diesen drei Gouvernoraten durchgeführt (EI 9.8.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.6.2022): Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/aegypten-node/ aegyptensicherheit/212622#content_5, Zugriff 25.8.2022

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_ %28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

EI - Egypt Independent (9.8.2022): Madbouli follows up on UHI system’s application, https://egyptindependent.com/madbouli-follows-up-on-uhi-systems-application/, Zugirff 25.8.2022

Khalifa et al (1.11.2021): Purchasing health services under the Egypt's new Universal Health Insurance law: What are the implications for universal health coverage?, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/hpm.3354, Zugirff 25.8.2022

MSZ - Ministerstwo Spraw Zagranicznych / Außenministerium [Polen] (17.6.2022): Informacje dla podróżujących – Egipt, https://www.gov.pl/web/dyplomacja/egipt, Zugriff 25.8.2022

Rückkehr

Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind nicht bekannt. Nach Ägypten zurückkehrende abgelehnte Asylwerber sind in der Regel keiner spezifischen Gefährdung aufgrund ihres Asylantrags im Ausland ausgesetzt. Sie unterliegen nach ihrer Rückkehr jedoch der allgemeinen Situation staatlicher Repression und der weitgehenden Einschränkung der Menschenrechte. Dies gilt besonders für die gefährdeten Gruppen (u. a. Angehörige der Opposition, insbesondere Muslimbrüder, religiöse Minderheiten, LGBTI-Personen, Frauen) (AA 26.1.2022).

In Ägypten wird ein von der EU ausgestelltes Heimreisepapier nicht anerkannt. Ägyptische Staatsangehörige können bei freiwilliger Rückkehr nicht ohne Vorlage eines ägyptischen Identitätsdokuments oder eines von einer ägyptischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokuments (Laissez-Passer) wieder nach Ägypten einreisen (AA 26.1.2022).

IOM unterstützt seit 2011 die Rückkehr von in Europa gestrandeten Ägyptern und ihre anschließende sozioökonomische Reintegration in Ägypten. Die meisten Rückkehrer entscheiden sich dafür, mit der geleisteten Wiedereingliederungshilfe ein eigenes Unternehmen zu gründen (96,8 % der Rückkehrer im Jahr 2016) und damit sowohl ihren eigenen Lebensunterhalt als auch den ihrer Gemeinschaft zu verbessern. Eine der wichtigsten gefährdeten Kategorien ägyptischer Rückkehrer, die IOM zunehmend unterstützt, sind unbegleitete Migrantenkinder (UMF), die allein das Mittelmeer auf der Suche nach einem neuen Leben in Europa überqueren. Für UMF unternehmen IOM Ägypten und ihre Regierungspartner erhebliche Anstrengungen, um sicherzustellen, dass das Wohl des Kindes im Mittelpunkt ihrer Rückkehr und Wiedereingliederung steht (IOM o.D.).

Quellen:

abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2C_26.01.2022.pdf, Zugriff 1.8.2022

IOM Egypt - International Organization for Migration (o.D.): Assisted Voluntary Return and Reintegration, https://egypt.iom.int/assisted-voluntary-return-and-reintegration, Zugriff 25.8.2022

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der belangten Behörde, in die in Vorlage gebrachten Nachweise sowie in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ferner wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Ägypten vom 29.08.2022 berücksichtigt. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Hauptverband österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des BF:

Die Identität des BF steht in Ermangelung der Vorlage entsprechender identitätsbezeugender Dokumente im Original nicht fest.

Die Feststellungen zu seinen Personenmerkmalen (Herkunft und Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit und Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit, Schulbildung und Berufserfahrung sowie familiäre Anbindungen an Ägypten) fußen auf den Angaben des BF im gegenständlichen Verfahren und in den Vorverfahren und ist kein Grund ersichtlich, an diesen zu zweifeln. Zudem wurde den dahingehend getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid auch in der Beschwerdeschrift nicht entgegengetreten bzw. wurden diese zum Teil gleichlautend wiedergegeben. Der Aktenlage sind keinerlei Anhaltspunkte auf etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen des BF bzw. auf chronische oder gar lebensbedrohliche Erkrankungen zu entnehmen. In seiner Einvernahme vor dem BFA am 13.09.2024 hat er im Übrigen selbst ausgeführt, gesund und arbeitsfähig zu sein.

Die Feststellungen zur Ausreise des BF aus Ägypten, zur Weiterreise nach Österreich, seinen Asylantragstellungen sowie zu den in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten Fluchtgründen und dem Ausgang der Verfahren beruhen auf der dahingehend unstrittigen Aktenlage und sind insbesondere durch den eingeholten Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister und eine Einsichtnahme in die Akten der Vorverfahren belegt. Dem Aktenvermerk des BFA vom 09.12.2024 (AS 185) sind die Feststellungen zu den Angaben des BF im Zuge der Dokumentenvorlage vom 04.12.2024 zu entnehmen.

Dass der BF keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus der im Akt erliegenden Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem des Bundes. Aus dem Auszug aus der Datenbank des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) geht hervor, dass der BF nicht berufstätig ist. Die Feststellungen zur Heirat im Jänner 2023, zum gemeinsamen Wohnsitz, zur Religionszugehörigkeit der L.B. und dem Umstand, dass die Ehegattin des BF aktuell nicht erwerbstätig ist und Arbeitslosengeld bezieht, gründen auf dem in Vorlage gebrachten Auszug aus dem Heiratseintrag, auf den Angaben des BF im Verfahren sowie auf den eingeholten, aktuellen Auszügen (ZMR und AJ-WEB) seine Gattin betreffend. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Einvernahmeprotokoll des BFA vom 13.09.2024, dass der BF über gute Deutschkenntnisse verfügt.

2.3. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des BF:

Vom Bundesverwaltungsgericht ist im gegenständlichen Verfahren zu prüfen, ob zwischen der Rechtskraft des Bescheides des BFA vom 04.12.2023 und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit Bescheid des BFA vom 09.12.2024 eine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist.

Eine solch wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage ist fallbezogen nicht erkennbar und gelangt das erkennende Gericht zur Überzeugung, dass keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht wurden, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

In seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der BF befragt zu den Gründen der neuerlichen Asylantragstellung aus: „Ich habe hier in Österreich eine Frau mit christlichem Glauben geheiratet. Meine Familie in Ägypten akzeptiert es nicht und hat mir deshalb mit dem Tod gedroht, sollte ich mich nicht von ihr trennen. Sie wollen mich mit meiner Cousine verheiraten“. Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen brachte er vor, dass er Angst davor habe getötet zu werden sowie ferner, dass seine Frau dann auf sich alleine gestellt sei. In der am 13.09.2024 erfolgten Einvernahme durch das BFA erklärte er, dass er von seiner strenggläubigen Familie mit dem Umbringen bedroht worden sei, zumal er mit einer christlichen Frau verheiratet sei. In Ägypten werde ihn seine Familie umbringen und wisse er nicht, wo er wohne könnte. Er wolle in Österreich bleiben und seine Frau nicht verlassen. In der Beschwerde wurde in weiterer Folge dargelegt, dass der BF von strenggläubigen Familienmitgliedern aufgrund seiner Eheschließung mit einer Christin und seiner Apostasie mit dem Umbringen bedroht worden sei.

Nicht nachvollziehbar ist zunächst, weshalb der BF dieses Vorbringen nicht bereits im Zuge seines vorherigen Asylverfahrens ins Treffen geführt hat. Dies vor dem Hintergrund, dass er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz am 25.01.2023 und damit erst nach der am 19.01.2023 erfolgten Eheschließung gestellt hat. Bis zum Abschluss des Verfahrens mit Bescheid des BFA vom 04.12.2023 hat er von keinerlei Drohungen seitens etwaiger Familienangehöriger bzw. von Problemen aufgrund der Ehe mit einer christlichen Frau berichtet, obwohl er im Zuge der Erstbefragung selbst ausführte, dass ihm die Änderung der Situation bzw. seiner Fluchtgründe seit der Heirat im Jänner 2023 bekannt sei. Erst nach dem rechtskräftigen negativen Abschluss seines zweiten Asylverfahrens mit 10.01.2024, wobei der Bescheid des BFA unbekämpft blieb, brachte er – dies am 27.02.2024 und damit nicht einmal zwei Monate später – den verfahrensgegenständlich dritten Antrag auf internationalen Schutz ein und machte erstmalig eine Verfolgung durch seine Familie aufgrund seiner Eheschließung geltend. Sein Aussageverhalten ist der Glaubhaftigkeit in einer Gesamtbetrachtung keinesfalls zuträglich, es ist nicht verständlich, weshalb er das von ihm nunmehr geschilderte Bedrohungsszenario nicht bereits im Vorverfahren zur Sprache gebracht hat, wird wohl kein Asylwerber eine sich bietende Gelegenheit zur Erstattung eines zentral entscheidungsrelevanten Vorbringens ungenützt vorübergehen lassen.

Darüber hinaus bleibt festzuhalten, dass der BF seine erneute Asylantragstellung weder vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes noch vor der belangten Behörde von sich aus mit einer Abkehr vom muslimischen Glauben und einer damit einhergehenden drohenden Verfolgung begründete. Vielmehr verwies er in beiden Einvernahmen lediglich auf familiäre Probleme aufgrund seiner Eheschließung mit einer Christin, dass er selbst vom Glauben abgefallen und deshalb bedroht worden sei, erwähnte er hingegen mit keinem Wort. Die Frage, ob er damit alle Ausreise-, Flucht- oder Verfolgungsgründe genannt habe (AS 28), bejahte er und verneinte er vor dem BFA die Frage, ob er noch ein weiteres Vorbringen erstatten oder Fluchtgründe zu Protokoll geben wolle (AS 93). Erstmals in der Beschwerdeschrift wurde in weiterer Folge gesteigert behauptet, dass seine strenggläubigen Angehörigen ihm auch aufgrund seiner Apostasie gedroht hätten, ihn umzubringen, was jedoch in Anbetracht der Tatsache, dass der BF dies von sich aus zuvor gänzlich unerwähnt ließ, nicht zu überzeugen vermag. Dabei ist vor allem auch anzumerken, dass im Erstbefragungsprotokoll betreffend die Religionszugehörigkeit des BF explizit Islam/Sunnit vermerkt wurde, wobei der BF mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben letztlich auch bestätigt hat. Das in der Beschwerde zitierte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes steht im Übrigen in keinem Zusammenhang mit dem vorliegenden Beschwerdefall, es liegt weder eine Konversion vom Islam zum Christentum vor, noch hat der BF von sich aus eine Abkehr vom Islam und eine Verfolgung aus diesem Grund glaubhaft ins Treffen geführt und gehen die diesbezüglichen Ausführungen vor diesem Hintergrund insgesamt ins Leere. Selbst wenn er sich zu keiner Religion mehr bekennen will, ergibt sich aus der Berichtslage zu Ägypten letztlich auch keine systematische, landesweite Verfolgung von Menschen ohne Glaubensbekenntnis.

Was das Vorbringen des BF betreffend eine Zwangsheirat mit seiner Cousine anbelangt, so ist darauf zu verweisen, dass davon lediglich vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Rede war. Im gesamten weiteren Verlauf des Verfahrens hat der BF dies nicht einmal mehr ansatzweise erwähnt, auch in der Beschwerde werden diesbezüglich keinerlei Befürchtungen mehr dargetan und ist in Anbetracht dessen nicht davon auszugehen, dass er tatsächlich eine Zwangsverheiratung befürchtet bzw. ihm eine solche tatsächlich angedroht wurde, hätte er andernfalls im Hinblick auf die Schilderung seiner Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtungen doch weiterhin darauf Bezug genommen. Dies hat auch für die Angaben des BF vor dem BFA, denen zufolge er eine Einziehung als Reservist befürchte, zu gelten. Dahingehendes hat der BF in seiner Erstbefragung nicht vorgebracht, auch vor der belangten Behörde hat er befragt zu seinen Fluchtgründen nicht auf diesen Umstand verwiesen und wurde eine etwaige Einziehung zum Reservedienst auch in der Beschwerde nicht aufgegriffen. Zudem ist nicht ersichtlich, inwieweit eine solche eine asylrelevante Verfolgung des BF aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung begründen sollte.

Davon abgesehen fällt auf, dass der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA pauschal angab, dass seine Familie strenggläubig sei, wohingegen in der Beschwerde ausgeführt wurde, dass es sich dabei lediglich um einen Teil seiner Familie handle. Vor der belangten Behörde vermeinte der BF überdies, dass er vor zwei Tagen mit seinem Cousin aus Ägypten Kontakt gehabt hätte. Dass dabei – wie von ihm in der Folge selbst zugestanden – die aktuelle Bedrohungssituation durch Mitglieder seiner Familie gar nicht thematisiert wurde bzw. der BF sich diesbezüglich offenbar auch gar nicht erkundigt hat, ist im Falle des Wahrheitsgehalts ebenso nicht nachvollziehbar.

Die Angaben des BF im Verfahren blieben zudem stets auffällig vage und allgemein gehalten und ließen diese jegliche Realkriterien, wie sie für Erzählungen von selbst wahrgenommenen Ereignissen typisch sind, etwa Zeit-Ort-Verknüpfungen, unwesentliche Details oder Nebenumstände oder auch eigene Emotionen, vermissen. So sprach der BF wiederholt nur davon, dass er von seiner Familie mit dem Umbringen bedroht worden sei, ohne jemals auf konkrete Familienangehörige oder darauf Bezug zu nehmen, in welchem Zusammenhang, auf welchem Wege oder wie oft es zu den vermeintlichen Drohungen kam bzw. ob solche nach wie vor stattfinden. Dies wird auch in der Beschwerde nicht konkretisiert. Seine Ausführungen lassen jeglichen Detailreichtum und auch jegliche Emotionen vermissen, die Erzählungen über tatsächlich Erlebtes üblicherweise innewohnen und kann es im Allgemeinen nicht als Aufgabe der belangten Behörde gesehen werden, jede seiner vagen und pauschalen Angaben bzw. Andeutungen durch mehrmaliges Nachfragen zu konkretisieren, sondern liegt es am BF ein detailliertes und stimmiges Vorbringen zu erstatten, um die nötige Glaubwürdigkeit zu erlangen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Ansicht, dass es einem Asylwerber obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (vgl. VwGH 20.01.1993, 92/01/0752; 19.05.1994, 94/19/0465) und dass weder die erstinstanzliche Behörde noch das Bundesverwaltungsgericht verpflichtet ist, den Antragsteller derart anzuleiten, dass sein Antrag von Erfolg gekrönt sein muss.

Dem BF ist es mit seinen überaus vagen und detailarmen Angaben in einer Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr durch seine Familienangehörigen aufgrund der Eheschließung mit einer Christin glaubhaft zu machen und hat er letztlich auch keinerlei Beweismittel in Vorlage gebracht, welche die vermeintlich erfolgten Drohungen belegen könnten. Der Feststellung der belangten Behörde, wonach der BF im gegenständlichen Folgeantragsverfahren keinen neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt vorgebracht hat, ist sohin ohne Vorbehalt beizutreten. Dem Vorbringen wohnt insgesamt kein glaubhafter Kern inne und ist dieses nicht dazu geeignet, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken bzw. kann darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt erkannt werden. Nicht zuletzt hat der BF im Zuge einer Dokumentenvorlage vor dem BFA am 04.12.2024 selbst zugestanden: „Ich brauche derzeit kein Asyl in Österreich. Warum genau ich diesen dritten Asylantrag gestellt habe, kann ich nicht sagen. Ich möchte hier in Österreich gemeinsam mit meiner Frau leben und mir eine Existenz aufbauen“. Nach Ansicht des erkennenden Richters liegt daher das Argument, dass der BF mit dem gegenständlichen Folgenantrag lediglich den Versuch unternommen hat, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren und ein Bleiberecht zu erwirken und er in erster Linie mit dem Ausgang des ersten Verfahrens nicht einverstanden war, wesentlich näher, als das vom BF nur vage geschilderte Bedrohungsszenario im Herkunftsland, dies umso mehr, als er dieses auch im Vorverfahren noch gänzlich unerwähnt ließ.

Doch selbst wenn man – dies ungeachtet der aufgezeigten Umstände, die das Vorbringen des BF jedenfalls bereits für sich genommen als unglaubhaft erscheinen lassen – davon ausgeht, dass der BF tatsächlich von Familienmitgliedern aufgrund seiner Eheschließung mit einer Christin mit dem Tode bedroht wurde bzw. wird, so ist darin keine asylrelevante Verfolgung zu erblicken. Es sind keine Gründe ersichtlich, weswegen dem BF nicht die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative möglich und zumutbar sein sollte. Der BF ist jung, gesund und erwerbsfähig und stünde es ihm ohne weiteres offen, sich mit seiner Gattin an einem anderen Ort Ägyptens niederzulassen und sich der befürchteten Verfolgung durch seine Familie durch eine innerstaatliche Relokation – etwa in eine frei zugängliche Millionenstadt wie Alexandria oder Kairo – zu entziehen. Die Bewegungsfreiheit ist innerhalb Ägyptens der Berichtslage zufolge gewährleistet und existiert auch kein Meldewesen.

Im Übrigen kann eine wie seitens des BF behauptete, von nichtstaatlichen Akteuren ausgehende Verfolgung nur dann Asylrelevanz entfalten, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010, mwN). Fallbezogen spezifische Umstände, die gegen die Annahme einer grundsätzlich bestehenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der ägyptischen Behörden sprechen würden, wurden vom BF ebenfalls nicht substantiiert aufgezeigt. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0228, mwN). Wenngleich der ägyptische Staatsapparat ausweislich der Länderfeststellungen unstreitig mit Korruptionsproblematiken zu kämpfen hat, verfügt das Land über einen grundsätzlich funktionierenden Sicherheits- und Justizapparat und liegen auch keinerlei Hinweise vor, dass vergleichbare, mutmaßliche Übergriffe durch Privatpersonen, wie sie seitens des BF im gegenständlichen Verfahren behauptet wurden, von den staatlichen Behörden Ägyptens nicht ordnungsgemäß verfolgt würden. Dabei bleibt schließlich auch festzuhalten, dass die Ehe des BF mit seiner dem Christentum zugehörigen Frau am Standesamt in Ägypten eingetragen (vgl. S 2 der Beschwerde) und damit anerkannt wurde und ist es in diesem Zusammenhang offenbar zu keinerlei Problemen mit den ägyptischen Behörden gekommen.

Bei Folgeanträgen sind die Asylbehörden auch dafür zuständig, mögliche Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus des Antragstellers einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 15.05.2012, 2012/18/0041). Eine wesentliche Änderung der Situation in Ägypten wurde im Verfahren nicht substantiiert dargelegt. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichts. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, etwa eine schwere lebensbedrohliche Erkrankung oder ein sonstiger auf seine Person bezogener außergewöhnlicher Umstand, welcher eine neuerliche umfassende Refoulementprüfung notwendig erscheinen ließe. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, ist der BF gesund und arbeitsfähig, er leidet an keinen schweren chronischen oder gar lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Auch ist nicht bekannt, dass in ganz Ägypten gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefahr im Sinn der Art. 2 oder 3 EMRK ausgesetzt ist. Hierbei verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass in Ägypten terroristische Anschläge stattfinden können. Jedoch sind die Behörden aktiv in der Terrorismusbekämpfung bei strenger Anti-Terrorgesetzgebung und werden dabei Erfolge erzielt – wobei Einschränkungen fundamentaler Menschen- und Freiheitsrechte nicht verkannt werden. Ägypten ist jedoch kein klassisches Bürgerkriegsland. Zwar ist die Sicherheitslage nicht mit jener in Österreich vergleichbar, jedoch erreichen die nach den einschlägigen Länderberichten vorgekommenen sicherheitsrelevanten Vorfälle nicht ein derart hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen würden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Ägypten alleine durch seine Anwesenheit im Staatsgebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Risikoerhöhende Umstände im Hinblick auf den BF wurden im Verfahren ebenfalls nicht substantiiert vorgebracht und wurde nicht dargelegt, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Ägypten und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt betroffen wäre. Solche Umstände sind im Verfahren auch nicht hervorgekommen.

In Bezug auf eine etwaige Rückkehrgefährdung im Sinne einer realen Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK verankerten Rechte des BF ist daher keine Änderung des Sachverhaltes erkenntlich. Insgesamt ist somit weder eine Änderung der Rechts- noch der Sachlage feststellbar.

2.4. Zu den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in Ägypten basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.08.2022 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen.

Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen im angefochtenen Bescheid um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln und trat der BF diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland auch nicht substantiiert entgegen, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten. Die Situation im Herkunftsstaat hat sich nicht entscheidungswesentlich verändert.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/20/0192, mwN).

Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, 93/08/0207).

Für das Bundesverwaltungsgericht ist daher Sache des gegenständlichen Verfahrens die Frage, ob das BFA den neuerlichen Antrag des BF auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. VwGH 20.01.2021, Ra 2020/19/0381, mwN).

Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrags darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 10.09.2021, Ra 2021/14/0256, mwN). Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).

Als Vergleichsmaßstab im Hinblick auf das Vorbringen des BF anlässlich seines verfahrensgegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz ist der Bescheid des BFA vom 04.12.2023 heranzuziehen, mit welchem sein zweiter Antrag auf internationalen Schutz nach inhaltlicher Prüfung rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde.

Die Anwendbarkeit des § 68 AVG setzt gemäß Abs. 1 das Vorliegen eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides, d.h. eines Bescheides, der mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht (mehr) bekämpft werden kann, voraus. Diese Voraussetzung ist hier gegeben, der den zweiten Antrag auf internationalen Schutz abweisende Bescheid des BFA vom 04.12.2023 ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Im hier zu entscheidenden Beschwerdefall hat die belangte Behörde – wie in der Beweiswürdigung unter Punkt 2.3. dargelegt – völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass entschiedene Sache vorliegt. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Auffassung des BFA an, dass die Angaben des BF im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet sind, eine neue inhaltliche Entscheidung zu bewirken und dass darin kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden kann. Weder im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren, noch im gegenständlichen Verfahren hat der BF glaubhaft asylrelevante Fluchtgründe ins Treffen geführt und war er demnach nicht in der Lage, eine seine Person betreffende Bedrohungssituation aufzuzeigen. Wesentliche Änderungen in der Person des BF bzw. der allgemeinen Lage in Ägypten wurden ebenso nicht substantiiert behauptet und sind nicht hervorgekommen, sodass auch unter dem Blickwinkel des subsidiären Schutzes keine neue inhaltliche Prüfung notwendig war.

Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann.

Die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides waren sohin vollinhaltlich zu bestätigen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG 2005 abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Verhandlung kann nach Abs. 2 entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (Z 1) oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (Z 2).

Da der verfahrenseinleitende Antrag des BF zurückzuweisen war, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben. Der für die Zurückweisung maßgebliche Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Das Beschwerdevorbringen wirft keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf. In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens des BFA entgegenstehender oder darüberhinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

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