Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Umweltverbandes W, vertreten durch Mag. Dr. Gerit Katrin Jantschgi, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Bischofplatz 3/1. Stock, der gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 26. September 2019, Zlen. 1. LVwG-2019/26/0987-11 und 2. LVwG- 2019/26/0988-11, betreffend Bewilligungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 und dem Tiroler Naturschutzgesetz 2005 (belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Tirol und Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei:
P Ges.m.b.H. Co KG, vertreten durch Dr. Christian Girardi, Ing. Dr. Stefan Schwärzler und Mag. Daniel Pichler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 29/P), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1 Mit gemeinsam ausgefertigten Bescheiden der belangten Behörden vom 25. März 2019 wurden der mitbeteiligten Partei die wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligungen zur Erweiterung einer Beschneiungsanlage in einem Gletscherskigebiet erteilt. 2 Mit den angefochtenen Beschlüssen des Verwaltungsgerichtes vom 26. September 2019 wurde die dagegen erhobene Beschwerde des nunmehrigen Revisionswerbers als verspätet zurückgewiesen und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gegen die Versäumung der Beschwerdefrist) nicht stattgegeben. 3 Die dagegen erhobene Revision verband der Revisionswerber - eine anerkannte Umweltorganisation im Sinne des § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 - mit dem Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4 Dazu brachte er vor, durch die Bewilligungen würde ein nicht wiedergutmachbarer und wiederherstellbarer Eingriff in zwei konkret bezeichnete Bachgerinne erfolgen. Durch die Neuerrichtung eines Speicherteiches würde es zur (unumkehrbaren) Verschlechterung der hydromorphologischen Qualitätskomponente eines dieser Bäche kommen. Der andere sei schon durch eine frühere nicht bewilligte Maßnahme im Zustand verschlechtert worden und solle nun erneut in Richtung Südwesten verschoben werden. All diese Maßnahmen seien unumkehrbar und führten zur Verschlechterung des Zustandes dieser beiden Gewässerkörper. Hingegen sei ein öffentliches Interesse nicht erkennbar, vielmehr liege ausschließlich ein betriebswirtschaftliches Interesse der mitbeteiligten Partei vor.
5 Die belangten Behörden haben sich zu diesem Antrag innerhalb der ihnen vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht geäußert.
6 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der sie vorbrachte, dass durch die Beistellung einer ökologischen Baubegleitung und gewässerökologischen Bauaufsicht und bei Einhaltung der ihr erteilten Auflagen sichergestellt sei, dass das Bauvorhaben unter bestmöglicher Schonung der Natur umgesetzt werde, sodass der Revisionswerber keine unverhältnismäßigen Nachteile darlegen habe können.
7 Überdies stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach Ansicht der mitbeteiligen Partei deren massive Interessen an der Ausübung der erteilten Genehmigungen entgegen. Ohne die Erweiterung sei der Betrieb der Beschneiungsanlage und damit einhergehend der Betrieb des Gletscherskigebietes in der vorliegenden Form gefährdet. Die Talgemeinden hätten im Verfahren die regionalwirtschaftliche Notwendigkeit der Projektverwirklichung dargelegt und sähen die Erweiterung der Beschneiungsanlage als Voraussetzung zur Aufrechterhaltung und weiteren Entwicklung des Skibetriebes. Der Betrieb des Gletscherskigebietes trage zum volkswirtschaftsregionalen wirtschaftlichen Nutzen für die gesamte Region bei, die Absicherung der Beschneiungsanlage sei davon ein wesentlicher Bestandteil. Der weitere Betrieb des Gletscherskigebietes sei für die ökonomische Struktur des Tales unabdingbar. Der wasserwirtschaftliche Bedarf an der gegenständlichen Erweiterung sei auch gutachterlich belegt.
8 Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers einer Revision die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind diese Bestimmungen nach § 30 Abs. 5 VwGG sinngemäß anzuwenden.
9 Voraussetzung für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist zunächst, dass die bekämpfte Entscheidung einem Vollzug zugänglich ist. Diese Voraussetzung wurde in der Rechtsprechung vor der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit für Bescheide, mit denen ein Rechtsmittel als verspätet zurückgewiesen wurde, jedenfalls dann bejaht, wenn der im Verwaltungsverfahren mit dem (sodann zurückgewiesenen) Rechtsmittel bekämpfte Bescheid einem Vollzug zugänglich ist. Diese Rechtsprechung wurde auch zur Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 fortgesetzt. Wesentlich ist daher weiterhin, ob der von den Revisionswerbern jeweils mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpfte Bescheid einem Vollzug im Sinne des § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG zugänglich ist (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2019/01/0117, mwN). Im Falle der negativen Erledigung eines Wiedereinsetzungsantrages liegt die Vollzugstauglichkeit im Wegfall der Möglichkeit, dem Wiedereinsetzungsantrag selbst (nunmehr nach § 33 Abs. 4 letzter Satz VwGVG) aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. VwGH 29.9.2011, AW 2011/21/0117, mwN). Es ist daher im Ergebnis insgesamt davon auszugehen, dass die angefochtenen Beschlüsse einem Vollzug zugänglich sind. 10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach seiner ständigen Judikatur im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Revision erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen des Verwaltungsgerichtes auszugehen. Unter diesen Annahmen sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. VwGH 1.8.2014, Ra 2014/07/0032, mwN).
11 Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in die von Umweltschutzvorschriften geschützten Interessen einen "unverhältnismäßigen Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darstellt, ist unter anderem maßgeblich, inwieweit die Folgen des Eingriffes im Fall der Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beseitigt werden können, wobei den Antragsteller eine Konkretisierungspflicht trifft. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab (vgl. etwa VwGH 19.8.2019, Ra 2019/04/0094; 31.7.2015, Ra 2015/03/0058 und 18.2.2010, AW 2009/10/0054). 12 Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Beschlüssen lediglich über die Rechtzeitigkeit der Beschwerde bzw. über einen Wiedereinsetzungsantrag entschieden hat, sind der Entscheidung über die Gewährung der aufschiebenden Wirkung zunächst die - im Aufschiebungsverfahren nicht bestrittenen - Annahmen der belangten Behörden in deren vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheiden zu Grunde zu legen. 13 Demnach führt die Neuerrichtung des Speicherteiches samt Errichtung einer neuen Bachwasserfassung zu einer Verschlechterung der Hydromorphologie betreffend der Ufer und der Sohldynamik in einem 400 m langen Teilabschnitt eines Baches, da durch das Vorhaben die sehr breite Verzweigungsstrecke von etwa 70 m durch den Bau des Speicherteiches auf eine Breite von rund 20 m eingeengt wird. Allerdings verbleibt dem Bach noch die Möglichkeit zu bettbildenden Prozessen, zur Ausbildung von Furkationen bzw. eines pendelnden Bachlaufes. Hinsichtlich der biologischen und der chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten dieses Baches ist keine Veränderung des derzeitigen sehr guten Zustandes zu erwarten. Betreffend den anderen im Antrag genannten Bach, der nach einer früheren nicht bewilligten Maßnahme nunmehr weiter verschoben werden soll, ergibt sich aus den Bescheiden hingegen, dass sowohl die biologische als auch die hydromorphologische Qualitätskomponente durch die nunmehr bewilligten Maßnahmen wieder geringfügig verbessert werden, sodass der insoweit gute Gesamtzustand weiter aufrecht erhalten wird.
14 Es ist daher davon auszugehen, dass lediglich die hydromorphologische Qualitätskomponente eines der betroffenen Bäche durch die bewilligten Maßnahmen beeinträchtigt wird. Dass diese Beeinträchtigung unumkehrbar ist und nicht wieder beseitigt werden kann, ist den Annahmen der belangten Behörden in den Bescheiden jedoch nicht zu entnehmen. Mit der nicht näher substantiierten Behauptung, die bewilligten Maßnahmen seien unumkehrbar, wird der Antragsteller daher seiner diesbezüglichen Konkretisierungspflicht nicht gerecht.
15 Im Ergebnis kann daher aus den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten Angaben noch nicht abgeleitet werden, dass die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen.
16 Der Antrag war daher abzuweisen, ohne dass noch zu beurteilen war, inwieweit dem Aufschub des Vollzuges öffentliche Interessen oder (ausreichend konkrete) Interessen der mitbeteiligten Partei entgegenstehen würden.
Wien, am 8. Jänner 2020