Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde der X Gesellschaft, vertreten durch Dr. Ludwig Draxler, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsrathsstraße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Oktober 1966, Zl. GA VIII 107/1/66, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Erbschaftssteuersache, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für, Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Beschwerdeführerin war Ende 1964 eine Erbschaft angefallen. Die Beschwerdeführerin hatte sie angetreten. Mit Bescheid vom 27. Juli1965 (zugestellt am 29. Juli 1965) schrieb das zuständige Finanzamt für diesen Erwerbsvorgang der Beschwerdeführerin unter Heranziehung des tarifmäßigen Steuersatzes nach Steuerklasse V Erbschaftssteuer in Höhe von S 179.094, vor.
Mit Eingabe an das Finanzamt vom 29. Juli 1965 bat die Beschwerdeführerin mit Rücksicht darauf, daß es sich bei ihr um „eine im Dienste der Volksgesundheit arbeitende Institution“ handle, die überwiegend auf Spenden angewiesen sei, um „Erlaß“ der Erbschaftssteuer und zugleich um Stundung des Betrages von S 179.094, bis zur Erledigung ihres Ansuchens um Erlaß der Erbschaftssteuer.
Das Finanzamt wertete dieses Ansuchen als Bitte um Nachsicht gemäß § 236 der Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) Mit Bescheid vom 19. August 1965, der der Beschwerdeführerin am 21. August zugestellt wurde, wies es das Ansuchen vom 29. Juli 1965 mit der Begründung ab, daß der Fall einer unbilligen Härte nicht vorliege. Dieser Bescheid blieb unangefochten.
Nach einer Zahlungsaufforderung des Finanzamtes brachte die Beschwerdeführerin am 1. September 1965 ein weiteres Stundungsansuchen, verbunden mit einer Bitte um eine Ermäßigung des Steuerbetrages ein, da sie ausschließlich im Dienste der medizinischen Wissenschaft und der Volksgesundheit tätig sei. Die erbetene Stundung wurde bis 31. Dezember 1965 ausgesprochen. Am 23. September 1965 wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Begehren nach Ermäßigung der ihr vorgeschriebenen Erbschaftssteuer. Sie führte dabei die Gründe ihres Einschreitens im Sinn ihrer Eingabe vom 1. September 1965 näher aus.
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 12. November 1965 wurde auch dieses Ansuchen mit der Begründung abgewiesen, daß nach Ansicht der Finanzlandesdirektion bei der bestehenden Sach und Rechtslage kein Anlaß für eine Wiederaufnahme des Erbschaftssteuerverfahrens bzw. eine Teilnachsicht der Abgabe bestehe.
Am 10. Dezember 1965 brachte die Beschwerdeführerin, nunmehr anwaltschaftlich vertreten, beim Finanzamte neuerlich einen Schriftsatz ein, den sie als „Ausführung der Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern vom 27. Juli 1965“ bezeichnete und in dem sie zugleich um eine weitere Stundung der Abgabe ansuchte.
Mit Bescheid vom 25, Jänner 1966 wies das Finanzamt die Berufung vom 10. Dezember 1965 gemäß § 273 Abs. 1 BAO. als verspätet eingebracht zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, die mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochtenen Bescheide der Finanzlandesdirektion vom 24. Oktober 1966 abgewiesen wurde. Der Streit gehe so führte die belangte Behörde in der Begründung des bekämpften Bescheides ausdarum, ob es sich bei der Eingabe vom 29. Juli 1965 um eine Berufung oder um ein Nachsichtsansuchen gehandelt habe, Die Berufungsbehauptungen, es ergebe sich aus dem Inhalte der Eingabe, daß diese als Berufung anzusehen sei, träfen nicht zu. Der Betreff dieser Schrift habe „Ansuchen um Erlaß der Erbschaftssteuer“ gelautet und das Begehren sei ebenfalls auf „Erlaß der Erbschaftssteuern gerichtet gewesen. Da auch Nachsichtsansuchen einer Begründung bedürften, sei der Hinweis darauf, daß die Beschwerdeführerin „eine im Dienste der Volksgesundheit arbeitende Institution“ und überwiegend auf Spenden angewiesen sei, keineswegs so aufzufassen gewesen, daß damit die Vorschreibung der Steuer nach Steuerklasse V bekämpft werde, dies umsomehr, als in der Eingabe um „Erlaß der Erbschaftssteuer“, also der gesamten Steuer, und nicht um die Anwendung eines begünstigten Steuersatzes ersucht worden sei. Bei der klaren Sprache der Eingabe bleibe kein Raum für eine Auslegung im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin. Wenn die Berufung darlegen wolle, daß es sich um eine von Laien verfaßte Eingabe handle, so sei ihr entgegenzuhalten, daß sich auf dem Steuerbescheid eine Rechtsmittelbelehrung befinde, die auch für „juristische Laien“ verständlich sei, was ja die zahlreichen von juristischen Laien eingebrachten Berufungen bewiesen. Die Bestimmungen der §§ 255 und 236 BAO. seien im übrigen nicht so auszulegen, daß eine Eingabe um Nachsicht einer Abgabe erst eingebracht werden könnte, wenn die Abgabe im Zeitpunkte der Überreichung dieser Eingabe bereits fällig ist, daß also ein Nachsichtsansuchen erst nach 30 Tagen, gerechnet vom Tage der Zustellung des Abgabenbescheides, gestellt werden könnte, Schließlich komme dem Gebrauche des Wortes „Erlaß“ im gegebenen Zusammenhange keine maßgebliche Bedeutung zu.
Dem hält die Beschwerdeführerin in der vorliegenden Beschwerde entgegen, der Wesensunterschied zwischen den Parteienanträgen nach § 236 BAO und § 243 BAO. liege darin, daß man im ersten Fall etwas nach den bestehenden Steuervorschriften zu Recht schulde, aber aus Billigkeitsgründen um Entlassung aus der Schuld bitte, während man im letztgenannten Falle „reklamiere“, „gar nichts oder doch weniger als vorgeschrieben zuschulden“. Wer Umstände vorbringe, kraft derer er von Gesetzes wegen weniger schulde als bescheidmäßig vorgeschrieben, bitte nicht um Billigkeit, sondern um Gerechtigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei jeder innerhalb der Rechtsmittelfrist überreichte Schriftsatz der erkennen läßt, daß die Partei einen Rechtsanspruch auf Überprüfung eines Bescheides geltend machen wolle, als Rechtsmittel zu werten. Nach dem Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. März 1964, Slg. 3038/F, sei eine Eingabe bereits dann als Rechtsmittel zu betrachten, wenn sie zumindest ansatzweise alle Elemente einer Berufung enthält. Die strittige Eingabe sei ohne Rechtsbeistand verfaßt und als „Ansuchen um Erlaß der Erbschaftssteuer“ bezeichnet worden. Dieser Ausdruck sei der Bundesabgabenordnung fremd. Aus der äußeren Bezeichnung der Eingabe könne diese daher mit Bestimmtheit weder als Antrag auf Steuernachsicht im Sinne des § 236 BAO., noch als Berufung im Sinne des § 243. BAO. erkannt werden. Ihr Inhalt bestimme sie aber eindeutig als Berufung. Die Beschwerdeführerin habe ausgeführt, eine im Dienst der Volksgesundheit arbeitende Institution zu sein, die auf Spenden angewiesen sei. Mit diesen Worten sei recht plastisch der in § 8 Abs. 3 des Erbschaftsund Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141, umschriebene Tatbestand ausgedrückt. Die Beschwerdeführerin habe damit für sich die Eigenschaft eines gemeinnützigen Vereines, in Anspruch genommen. Damit habe sie sich in einen „kontradiktorischen Gegensatz zu den Entscheidungsgrundlagen und zur Rechtsmeinung des Finanzamtes“ gesetzt. Dieser Widerspruch verleihe der Eingabe vom 29. Juli 1965 die Eigenschaft einer Berufung. In der „logischen Unvereinbarkeit der Ausführungen mit dem Bescheidstandpunkte“ liege „die Bekämpfung des Letzteren“. Selbst wenn man die Zulässigkeit von Anträgen nach § 236 BAO. auch schon vor der Fälligkeit der Abgabenschuld bejahe, komme man nicht darüber hinweg, daß die Beschwerdeführerin in der strittigen Eingabe vom 29. Juli die Anwendbarkeit eines anderen Steuersatzes für sich beansprucht habe. Das Bestreiten einer Steuerschuld sei aber mit dem Wesen eines Nachsichtsantrages nach . unvereinbar. Es sei mit den Denkgesetzen schlechthin unvereinbar, daß jemand die gesetzlichen Voraussetzungen der höheren Steuerpflicht in Abrede stellt und um „Erlaß der Steuer“ bittet, „aber dies alles unter Verzicht auf sein gesetzes Recht tun und nur um Billigkeitserwägung appellieren möchte“. Aus dem natürlichen Interessengegensatze zwischen dem Staat und seinen Steuerschuldnern folge, daß mit der Bestreitung des steuerpflichtigen Sachverhaltes auch die Bestreitung der Steuerpflicht als solcher gemeint sei. Mit der im bekämpften Bescheide angeführten Begründung, daß in der Eingabe um Erlaß der Erbschaftssteuer, also der gesamten Steuer nachgesucht worden sei, müßten alle Berufungen, die eine „pluris petitio“ enthielten, als Nachsichtsanträge abgetan werden. Wenn die belangte Behörde das Formerfordernis eines förmlichen Berufungsantrages vermißt habe, so wäre es ihre Pflicht gewesen, nach . vorzugehen und der Beschwerdeführerin die Behebung dieses Mangels aufzutragen. Der Hinweis auf die dem Bescheid angefügte Rechtsmittelbelehrung schlage nicht durch, weil er keinerlei Belehrung über die erforderliche Gliederung und Formulierung der Begründung (der Berufung) enthalte, deren genaue Kenntnis weiterhin dem Berufsjuristen vorbehalten bleibe. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin ihre Eingabe ohnedies begründet und dabei einen Sachverhalt dargestellt, der eine Verletzung ihrer Rechte durch den erstinstanzlichen Bescheid offen lege und rüge.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Zu untersuchen ist einzig und allein, ob die Eingabe der Beschwerdeführerin an das Finanzamt vom 29. Juli 1965 als Berufung anzusehen war, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet. Zufolge § 250 BAO. muß eine Berufung enthalten:
a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden und
d) eine Begründung.
Es steht außer Streit, daß die strittige Eingabe der Beschwerdeführerin diesen inhaltlichen Erfordernissen nicht entspricht. Es kann im übrigen auch nicht bestritten werden, daß diese Eingabe nicht alle vom Gesetze verlangten Elemente enthält. Aus ihr ist u. a. nicht zu entnehmen, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird, weil sie schlechthin eine Anfechtung gar nicht enthält, sondern aus ihr nur der Wille der Partei hervorleuchtet, die Abgabenbehörde möge ihr die Erbschaftssteuer „erlassen“. „Erlassen“ bedeutet aber nach des Wortes sprachlicher Bedeutung: von einer Verpflichtung befreien. Man spricht daher auch VOM Erlassen einer Strafe (siehe z. B. des sinngemäßen Zusammenhanges halber auch § 223 lit. c StG) und meint damit eine Nachsicht (vgl. § 226 StG.). Bis zur Erlassung der Abgabeneinhebungsgesetznovelle BGBl. Nr. 11/1951 hat übrigens auch die in Österreich geltende Rechtsordnung die derzeit in § 236 BAO. geregelte Nachsicht von Abgaben als „Erlaß“ bezeichnet (§ 131 der ehemaligen Reichsabgabenordnung, § 14 Abs. 2 des Abgabeneinhebungsgesetzes, BGBl. Nr. 103/1949, in seiner ursprünglichen Fassung). Stellte die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatze den Antrag, ihr die Steuer zu „erlassen“, dann kann nach dem Gesagten nicht davon die Rede sein, daß sie die ihr vorgeschriebene Steuer als rechtswidrig bekämpfen wollte. Zufolge § 275 BAO. ist es zwar Pflicht der Behörde, eine den Erfordernissen des § 250 BAO. nicht entsprechende Berufung der Partei zur Behebung der Mängel zurückzustellen, aber doch nur dann, wenn es sich in der Tat um eine Berufung handelt, d. h. um eine Schrift, die zumindest ansatzweise alle Elemente einer Berufung enthält (vgl. das auch schon von der Beschwerdeführerin angeführte hg. Erkenntnis vom 5. März 1964, Slg. 038(F). Da aber die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 29. Juli 1965 durch die Verwendung des Wortes „Erlaß“ nicht erkennen ließ, daß die Beschwerdeführerin die Absicht hatte, den erstinstanzlichen Abgabenbescheid als rechtswidrig zu bekämpfen, und da sie mithin nicht einmal ansatzweise alle für eine Berufung notwendigen Elemente enthielt, bestand für die Abgabenbehörden keine gesetzliche Verpflichtung, der Beschwerdeführerin die Eingabe vom 29. Juli 1965 zur Behebung von Mängeln zurückzustellen. Der Rechtsauffassung der belangten Behörde, daß es sich bei dieser Eingabe um keine Berufung, sondern um ein Nachsichtsgesuch handelte, kann somit nicht entgegengetreten werden. Daß die Beschwerdeführerin im übrigen mit dieser Schrift ein Rechtsmittel nicht einbringen wollte, kann auch daraus ersehen werden, daß diese Partei den Bescheid des Finanzamtes vom 19. August 1965, mit dem ihr Ansuchen vom 29. Juli unter Hinweis auf § 236 BAO. mit der Begründung, abgewiesen worden war, daß die Voraussetzungen für eine Nachsicht der Abgabe nicht vorlägen, widerspruchslos zur Kenntnis genommen hat. Hätte sie den Willen gehabt, die Abgabenvorschreibung mittels Berufung zu bekämpfen, so hätte sie den Bescheid des Finanzamtes vom 19. August 1965 mit dem Hinweis darauf bekämpfen müssen; daß sie nicht um Nachsicht angesucht, sondern ein Rechtsmittel eingebracht habe, das nicht unter Berufung auf 236 . hätte erledigt werden können. Im Zeitpunkte der Zustellung dieses Bescheides (21. August 1965) war überdies die Rechtsmittelfrist für die Anfechtung des Steuerbescheides vom 27. Juli 1965 noch gar nicht abgelaufen. Diese Frist endete, weil der 29. August 1965 ein Sonntag war, erst mit Ablauf des 30. August 1965. Bis zu diesem Zeitpunkte hätte also die Beschwerdeführerin, die aus dem Bescheide vom 19. August 1965 ersehen mußte, daß das Finanzamt ihre Eingabe vom 29. Juli 1965 nicht als Berufung gewertet hatte, noch immer gegen den Steuerbescheid berufen können. Die Beschwerdeführerin hat keine der aufgezeigten Möglichkeiten genützt, vielmehr hat sie mit ihren weiteren Eingaben vom 1. und 23. September 1965, nachdem ihre Bitte um vollkommenen „Erlaß“ der Steuer abgewiesen worden war, eine Ermäßigung der Erbschaftssteuer begehrt. Eine solche Verhaltensweise wäre selbst für „juristische Laien“
Die belangte Behörde hat für den Fall ihres Obsiegens einen Aufwandersatz in Höhe von. S 390, geltend gemacht (für den Vorlageaufwand S 60, und für den Schriftsatzaufwand S 330,). Diesem Begehren war gemäß § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a und b und § 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit, a und b VwGG. 1965, BGBl. Nr. 2 in Verbindung mit § 49 VwGG. 1965 und Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 4. Jänner 1965, BGBl. Nr. 4, zu entsprechen.
Wien, 20. April 1967
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