Leitsatz
Zurückweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des BFA-VG mangels hinreichend deutlicher Darlegung der Bedenken
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita BVG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, §35a und §39a BFA-VG zur Gänze sowie näher bezeichnete Wortfolgen in §38 Abs2 und §39 Abs3 BFA-VG als verfassungswidrig aufzuheben.
2. In seinem Antrag führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass bei ihm eine Maßnahmenbeschwerde anhängig sei, der "die Sicherstellung eines Datenträgers (Mobiltelefons) sowie die Anordnung der Auswertung dieses Datenträgers durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl […] zugrunde" liege. Darin würden erhebliche Zweifel an der Verfassungskonformität der §35a, §39 und §39a BFA-VG geltend gemacht, die sich auf das Erkenntnis VfSlg 20.659/2023 (Aufhebung von Bestimmungen der StPO über die Sicherstellung von Gegenständen bzw Datenträgern) stützten.
In der Folge gibt das Bundesverwaltungsgericht die Maßnahmenbeschwerde auszugsweise wieder. Im wiedergegebenen Text wird zusammengefasst vorgebracht, dass §35a, §39 und §39a BFA-VG der Behörde bzw den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Befugnis zur Sicherstellung von Mobiltelefonen und daran anknüpfend zur Auswertung von auch personenbezogenen Daten zur Feststellung der Identität und der Fluchtroute eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, einräumen würde. Die Befugnis zur Sicherstellung von Mobiltelefonen greife somit in das Recht auf Datenschutz nach §1 DSG sowie in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art8 EMRK sowohl des Betroffenen als auch (unbeteiligter) Dritter ein. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig, weil die Auswertung der Daten eines Mobiltelefones einen umfassenden Einblick in das Leben des Betroffenen biete und ebenso Informationen über unbeteiligte Dritte liefere. Zudem seien bloße Verwaltungsorgane zur Ausübung der betreffenden Befugnisse ermächtigt, weshalb keine angemessenen Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen bestünden. Weiters sei für den Betroffenen nicht ersichtlich, in welcher Form die Auswertung der auf dem Mobiltelefon gespeicherten Daten erfolge. Der erfolgte Eingriff könne mit Maßnahmenbeschwerde nicht vollumfänglich bekämpft werden, da eine ex ante-Beschränkung der auszuwertenden Daten nicht möglich sei. Dies sei auch insofern problematisch, als das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung höher zu bewerten sei als jenes an einem geordneten Fremdenwesen. Weiters seien bei der Auswertung der Daten eines Mobiltelefones nach §39a BFA-VG auch strafrechtlich relevante Zufallsfunde aufzugreifen. Zudem seien die Eingriffsvoraussetzungen in den jeweiligen Bestimmungen nicht hinreichend konkretisiert. Diese Maßnahmen nach dem BFA-VG würden daher bei gleicher Eingriffsintensität schwächere Garantien zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen bieten als jene mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 20.659/2023 als verfassungswidrig erkannten Vorschriften der Strafprozessordnung.
3. Zur Antragslegitimation bringt das Bundesverwaltungsgericht vor, dass bei ihm anlässlich der Behandlung der betreffenden Maßnahmenbeschwerde Zweifel an der Verfassungskonformität der angefochtenen Bestimmungen entstanden seien. Die bekämpften Bestimmungen seien präjudiziell, weil "die bekämpften Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf die (nach hg. Ansicht verfassungswidrigen) Bestimmungen des BFA-VG gestützt" worden seien.
4. Zu seinen Bedenken führt das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:
"(Auch) aus Sicht des BVwG bestehen – insbesondere bei Berücksichtigung des Erkenntnisses des VfGH vom 14.12.2023, G352/2021-46 [VfSlg 20.659/2023] – aufgrund der von [der den Beschwerdeführer im Anlassverfahren vertretenen] Rechtsanwältin […] dargelegten Erwägungen [Verweis auf den wiedergegeben Text] erhebliche Bedenken an der Verfassungskonformität der zitierten Bestimmungen (ggf. im angeführten Umfang). Von einer Wiederholung der anwaltlichen Ausführungen wird aufgrund des Umfangs sowie des Umstands, dass sich der erkennende Richter den Erwägungen prinzipiell anschließt, Abstand genommen, andernfalls die Lesbarkeit des gegenständlichen Beschlusses leiden würde."
Sodann bringt das Bundesverwaltungsgericht vor, dass in der wiedergegebenen Maßnahmenbeschwerde keine Zweifel an der Verfassungskonformität des mitangefochtenen §38 Abs2 BFA-VG geäußert worden seien, diese Bestimmung aber "aufgrund des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit §§35a, 39, 39a BFA VG – sollten die angeführten Normen als verfassungswidrig erkannt werden – möglicherweise kaum Bestand haben wird können". Weiters führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es dem Gesetzgeber zwar freistehe, "für verschiedene Regelungsregime (beispielsweise Strafprozessrecht und fremdenrechtliches Verfahrensrecht) unterschiedliche Anordnungen zu treffen, aufgrund der prinzipiellen Vergleichbarkeit des Normzwecks in Zusammenschau mit der Äquivalenz der (in die Verfassungssphäre reichenden) Eingriffe ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum (noch dazu gravierend) unterschiedliche Anforderungen gelten sollten und kommt es sohin zu unsachlichen Schlechterstellungen".
Schließlich wäre es nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes "ein gangbarer gesetzgeberischer Weg", die Anordnungsbefugnis zur Datenträgersicherstellung unverändert im Rechtsbestand zu belassen, die Anordnung zur Datenträgerauswertung jedoch von einer bekämpfbaren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes abhängig zu machen, sodass die Rechtsschutzmöglichkeiten des von der Maßnahme betroffenen Fremden bei gleichzeitiger Sicherstellung effektiver verwaltungsbehördlicher Verfahrensführung gesichert wären.
5. Die Bundesregierung hat sich zum Antrag inhaltlich nicht geäußert. Für den Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen hat sie beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten zu bestimmen.
6. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der es die Verfassungskonformität der angefochtenen Bestimmungen nicht bezweifelt.
II. Zur Zulässigkeit
Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß §62 Abs1 zweiter Satz VfGG hat der Antrag, ein Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben, die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art– präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen (zB
VfSlg 11.150/1986, 11.888/1988, 13.710/1994 sowie VfGH 11.12.2024, G85/2024).
2. Diesen Anforderungen wird der Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes nicht gerecht. Erfolgt nämlich die Darlegung der Bedenken unter Verweisung auf andere Texte, so ist dies nur dann zulässig, wenn sich der Antragsteller dahingehend festlegt, ob und inwieweit er die zitierten Bedenken auch zu seinen eigenen erhebt (VfGH 10.12.2015, G639/2015; VfSlg 19.730/2012).
Indem sich das Bundesverwaltungsgericht den in seinem Antrag wörtlich wiedergegebenen Ausführungen des Beschwerdeführers des Anlassverfahrens aber lediglich "prinzipiell anschließt", gibt es nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu erkennen, welche vom Beschwerdeführer des Anlassverfahrens vorgebrachten Bedenken es zu seinen eigenen erhebt. Da auch die übrigen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes dem Verfassungsgerichtshof nicht ermöglichen, die angefochtenen Bestimmungen in gebotener Weise auf ihre Verfassungskonformität zu prüfen (vgl demgegenüber VfSlg 18.488/2008), genügt der Antrag nicht den Anforderungen des §62 Abs1 zweiter Satz VfGG.
3. Der Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes erweist sich daher schon aus diesem Grund als unzulässig. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob der Antrag die sonstigen Voraussetzungen des §62 VfGG erfüllt.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.