Leitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Anlassfall
Spruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist eine näher bezeichnete Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Wien, die seit dem Jahr 2005 ein Transportunternehmen betreibt. Ihr selbstständig vertretungsbefugter (handelsrechtlicher) Geschäftsführer — der auch Alleingesellschafter der beschwerdeführenden Gesellschaft ist — ist ein gemäß §45 NAG zum Daueraufenthalt in Österreich berechtigter türkischer Staatsangehöriger (Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU"). Mit Inkrafttreten der GütbefG 1995 Novelle BGBl I 18/2022 am 21. Mai 2022 wurde "die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern im grenzüberschreitenden Güterverkehr ausschließlich mit Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs oder solchen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt zwischen 2.500 kg und 3.500 kg liegt", konzessionspflichtig (§1 Abs1 Z3 GütbefG 1995).
2. Mit Bescheid vom 12. Mai 2022 wies der Landeshauptmann von Wien den mit Schreiben vom 28. April 2022 gestellten Antrag auf Erteilung einer Konzession für die Ausübung des Gewerbes der gewerbsmäßigen Beförderung von Gütern im grenzüberschreitenden Güterverkehr iSd §1 Abs1 Z3 GütbefG 1995 mit 40 Fahrzeugen sowie auf Genehmigung der Bestellung des gewerberechtlichen Geschäftsführers gemäß §5 Abs7 Z2 GütbefG 1995 wegen der fehlenden EWR Angehörigkeit des handelsrechtlichen Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft ab.
3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit am 15. September 2023 mündlich verkündetem und am 12. Jänner 2024 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis als unbegründet ab. Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die in §5 Abs7 Z2 GütbefG 1995 vorgesehene Einschränkung, dass geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter EWR Bürger sein müssten, vom Gesetzgeber so gewollt sei. Es liege keine planwidrige Lücke vor, die durch Analogie zu schließen sei. Die vorgenommene Differenzierung bewege sich auch im Rahmen des durch Art11 Abs3 lita DaueraufenthaltsRL geregelten Gestaltungsspielraumes. Es sei zudem keine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung zu erkennen. Diese ergebe sich schon deshalb nicht, weil nicht Regelungen betreffend natürliche Personen Gegenstand des von der beschwerdeführenden Gesellschaft angestellten Vergleiches sein könnten, sondern Regelungen für Einzelunternehmen und juristische Personen. Beide Marktteilnehmer, dh natürliche Personen als Einzelunternehmer sowie juristische Personen, würden in dem für die Teilnahme am Wirtschaftsleben maßgeblichen Kriterium, nämlich dem Erfordernis des Unternehmenssitzes in Österreich, gleich behandelt werden.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (§5 Abs7 Z2 GütbefG 1995) sowie eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewähreisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG, Art7 Abs1 B VG), auf Freiheit der Erwerbsbetätigung (Art6 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
5. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge " und die zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organe oder geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter EWR Angehörige sind" in §5 Abs7 Z2 GütbefG 1995, BGBl 593/1995, idF BGBl I 18/2022 ein. Mit Erkenntnis vom 18. Juni 2025, G210/2024, hob er diese Wortfolge als verfassungswidrig auf.
6. Die — zulässige — Beschwerde ist begründet.
6.1. Das Verwaltungsgericht Wien hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.
6.2. Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
6.3. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.