JudikaturVfGH

G44/2025 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
06. Juni 2025
Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrages auf Aufhebung einer Bestimmung des WettbewerbsG mangels Bestehens eines zulässigen Rechtsmittels gegen einen Beschluss des OLG als Kartellgericht

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd BVG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, der Verfassungsgerichtshof möge §11 Abs2 Satz 2 WettbG, BGBl I 62/2002, idF BGBl I 176/2021 als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §11 des Bundesgesetzes über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz – WettbG), BGBl I 62/2002, idF BGBl I 176/2021 lautet wie folgt (die angefochtenen Wortfolgen sind hervorgehoben):

"Ermittlungen

§11. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes alle Ermittlungen führen, die ihr zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz zukommen. Die im Rahmen von Ermittlungen erlangten Kenntnisse dürfen – sofern nicht eine Berechtigung zur Zusammenarbeit nach §10 Abs1 besteht – nur zu dem mit der Ermittlungshandlung verfolgten Zweck verwertet werden.

(2) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist befugt, sich unter sinngemäßer Anwendung des AVG, BGBl Nr 51/1991, Sachverständiger zu bedienen sowie Zeugen und Beteiligte heranzuziehen.Die §§7, 9 bis 16, 18 bis 20, 45 Abs1 und 2, 46 bis 51a, 54, 55, 74 Abs1, 75 Abs1 und 2 sowie die Abschnitte 4, 5 und 6 des I. Teiles des AVG sind anzuwenden.

(3) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist berechtigt, sämtliche personenbezogenen Daten zu verarbeiten, die zur Erreichung ihrer Ziele gemäß §1 Abs1 sowie zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß §2 Abs1 und 2 erforderlich sind.

(4) Eine Auskunftserteilung gemäß Art15 Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung), ABl. Nr L 199 vom 4.5.2016 S 1, (im Folgenden: DSGVO) hat zu unterbleiben, soweit dies den Zielen der Bundeswettbewerbsbehörde gemäß §1 Abs1 zuwiderlaufen würde oder dadurch die Erfüllung der der Bundeswettbewerbsbehörde gemäß §2 Abs1 und 2 übertragenen Aufgaben beeinträchtigt würde.

(5) Hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten ist das Widerspruchsrecht gemäß Art21 DSGVO insoweit zu beschränken, als dieses Recht die Erreichung der Ziele gemäß §1 Abs1 sowie die Erfüllung der Aufgaben gemäß §2 Abs1 und 2 dieses Bundesgesetzes voraussichtlich unmöglich macht oder ernsthaft beeinträchtigt und die Beschränkung notwendig und verhältnismäßig ist. Darüber ist der Betroffene in geeigneter Weise zu informieren."

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin ist als Drittantragsgegnerin Partei eines kartellgerichtlichen Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten wegen Abstellung von Zuwiderhandlungen gemäß §26 KartG 2005 und Verhängung von Geldbußen gemäß §29 KartG 2005. Im Rahmen dieses Verfahrens stellte sie einen Antrag auf Erteilung des Auftrages zur Vorlage des Ermittlungsaktes der Bundeswettbewerbsbehörde zur Gewährung von Akteneinsicht an das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht. Dieses wies den Antrag in der Tagsatzung vom 11. Februar 2025, der Antragstellerin zugestellt am 19. Februar 2025, ab.

2. Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht erhob die Antragstellerin innerhalb der Rechtsmittelfrist Rekurs an den Obersten Gerichtshof als Kartellobergericht und brachte gleichzeitig – mit Eingabe vom 5. März 2025 – den vorliegenden Parteiantrag beim Verfassungsgerichtshof ein, mit dem sie die Verfassungswidrigkeit des §11 Abs2 Satz 2 WettbG, idF BGBl I 176/2021, geltend macht.

3. Das gemäß §62a Abs5 VfGG von der Antragstellung verständigte Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht teilte dem Verfassungsgerichtshof mit, dass der von der Antragstellerin erhobene Rekurs gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht rechtzeitig und zulässig sei.

4. Der Oberste Gerichtshof fasste als Kartellobergericht über den Rekurs der Drittantragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 11. Februar 2025 den Beschluss, dass dieser zurückgewiesen wird.

5. Die Bundeswettbewerbsbehörde, der Bundeskartellanwalt und die Bundesregierung haben Äußerungen erstattet, in denen ua Bedenken gegen die Präjudizialität der angefochtenen Bestimmung erhoben werden.

IV. Zulässigkeit

1. Der Antrag ist unzulässig.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd BVG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Nach §62a Abs1 erster Satz VfGG idF BGBl I 78/2016 kann eine Person, die als Partei in einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, einen Antrag stellen, das Gesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

3. Im konkreten Fall liegt jedoch kein zulässiges Rechtsmittel iSd §62a Abs1 VfGG vor: Der vorliegende Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd BVG wurde aus Anlass eines Rekurses gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 11. Februar 2025 gestellt. Da der Rekurs gegen diesen Beschluss mit rechtskräftigem Beschluss des Obersten Gerichtshofes als Kartellobergericht vom 23. April 2025 mangels selbständiger Anfechtbarkeit iSd §45 Satz 2 AußStrG iVm §38 KartG 2005 als unzulässig zurückgewiesen wurde, fehlt der Antragstellerin die Legitimation zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd BVG (vgl VfGH 2.7.2015, G133/2015; 22.9.2015, G139/2015; 11.6.2018, G273/2017). Der Antrag ist daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.