JudikaturVfGH

E4624/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
11. März 2025
Leitsatz

Beschluss auf Feststellung eines Massenverfahrens

Spruch

I. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden im Sinne des §86a Abs1 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind. Es geht um die Frage, ob gegen die Beitragspflicht nach dem ORF Beitrags Gesetz 2024, BGBl I Nr 112/2023, und dem §31 ORF Gesetz, BGBl Nr 379/1984, idF BGBl I Nr 112/2023, verfassungsrechtliche Bedenken bestehen.

II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verfassungsgerichtshof die Regelungen des ORF Beitrags Gesetzes 2024, BGBl I Nr 112/2023, sowie §31 ORF Gesetz, BGBl Nr 379/1984, idF BGBl I Nr 112/2023, anzuwenden.

III. Der Verfassungsgerichtshof wird die Rechtsfragen in dem zu E4624/2024 protokollierten Beschwerdeverfahren behandeln.

IV. Der Bundeskanzler ist gemäß §86a Abs2 VfGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im BGBl II verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden in §86a Abs3 VfGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen.

Begründung

§86a Abs1 VfGG bestimmt, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss aussprechen kann, dass beim Verfassungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden anhängig ist, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, oder Grund zur Annahme besteht, dass eine erhebliche Anzahl solcher Beschwerden eingebracht werden wird.

Seit 3. Dezember 2024 wurden beim Verfassungsgerichtshof 18 Beschwerden anhängig gemacht, die sich gegen die Verfassungsmäßigkeit des nach den Rechtsvorschriften des ORF Beitrags Gesetzes 2024, BGBl I 112/2023, und des §31 ORF Gesetzes, BGBl 379/1984, idF BGBl I 112/2023, zu erhebenden ORF Beitrages wenden.

In den bislang eingegangenen, auf Art144 B VG gestützten Beschwerden wird im Wesentlichen geltend gemacht, dass das ORF Beitrags Gesetz 2024 die Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 B VG, Art2 StGG) und auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 1. ZPEMRK) verletze. Darüber hinaus würden sowohl das ORF Beitrags Gesetz 2024 als auch das ORF Gesetz gegen das Bestimmtheitsgebot gemäß Art18 B VG verstoßen. Es sei unsachlich, dass die Beitragspflicht auch dann eintrete, wenn ein Konsum von ORF Angeboten nicht erfolge oder nicht möglich sei. Das Gesetz differenziere auch nicht nach den verschiedenen Empfangsformen (Kabel, Satellit, Internet). Weiters führten die tatbestandsmäßigen Anknüpfungen für die Beitragspflicht (im Inland gelegene Meldeadresse und Volljährigkeit im privaten Bereich bzw Betriebsstätten im betrieblichen Bereich) zu unsachlichen Belastungen. Ferner sei das Verfahren nach §31 ORF Gesetz zur Bestimmung der Höhe des Beitrages nicht eingehalten worden, und sei die ORF Beitrags Service GmbH nicht zur Erlassung von Bescheiden legitimiert. Schließlich werde durch die Bestimmungen des ORF Beitrags Gesetzes 2024 in unzulässiger Weise in den Wettbewerb mit privaten Rundfunkbetreibern und in das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung (Art10 EMRK) eingegriffen, und werde durch die Bestimmungen auch das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 Datenschutzgesetz verletzt.

Es ist zu erwarten, dass eine erhebliche Anzahl weiterer solcher Beschwerden in nächster Zeit beim Verfassungsgerichtshof anhängig gemacht werden wird. Folglich ist beim Verfassungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden anhängig, in denen die in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen zu lösen sind (§86a Abs1 VfGG).