JudikaturVfGH

G144/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
26. November 2024
Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Teilen einer Bestimmung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwaltsanwärter wegen Zumutbarkeit der Anregung eines Gesetzesprüfungsverfahrens vor dem OGH

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Schriftsatz vom 9. September 2024 wird gemäß Art140 Abs1 litc B VG beantragt, die Wortfolge ", die Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltsanwärter sein müssen," in §51 Abs1 Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der Antragstellerin nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

Ein solcher zumutbarer Weg ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem dann eröffnet, wenn bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig ist (oder anhängig war), das dem Betroffenen Gelegenheit bietet (bzw bot), eine amtswegige Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl zB VfSlg 13.871/1994 mwN, 15.786/2000, 17.110/2004, 17.276/2004, 18.370/2008).

Wie der Verfassungsgerichtshof in diesem Zusammenhang bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Partei in einem solchen Fall nur bei Vorliegen besonderer außergewöhnlicher Umstände das Recht zur Einbringung eines Gesetzesprüfungsantrages eingeräumt (vgl VfGH 12.10.2016, G269/2016 ua). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Grundprinzip des Individualantrages als eines bloß subsidiären Rechtsbehelfes nicht im Einklang stünde (zB VfSlg 8312/1978, 19.674/2012; vgl auch VfGH 19.2.2016, V150/2015 ua; 12.10.2016, G269/2016 ua; 12.6.2023, G177/2023).

3. Ein solcher zumutbarer Weg stand dem Antragsteller offen:

Im Zuge des zum Zeitpunkt der Antragstellung offenbar anhängigen Gerichtsverfahrens am Obersten Gerichtshof (23 Ds 12/23a) bestand für den Antragsteller die Gelegenheit, die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Bestimmung geltend zu machen und bei dem in dieser Rechtssache zuständigen Gericht die Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung nach Art140 B VG anzuregen. Gemäß Art89 Abs2 B VG ist das Gericht, sofern es Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes hegt, zur entsprechenden Anrufung des Verfassungsgerichtshofes verpflichtet (vgl zB VfSlg 11.890/1988, 17.110/2004; VfGH 20.9.2010, G65/10 ua).

Sonstige besondere außergewöhnliche Umstände, welche die Einbringung eines Individualantrages ausnahmsweise zulässig machen, werden nicht behauptet und sind für den Verfassungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

Der Individualantrag ist daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.