JudikaturOLG Wien

1R121/25h – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Unternehmensrecht
15. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Tscherner und den Richter Mag. Eilenberger-Haid in der Rechtssache der klagenden Partei A* , Angestellter, **, vertreten durch Mag. Michael Tscheitschonig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B*gesellschaft m.b.H. , FN **, **, und 2. C* D* , geb. **, gest. am ** , **, p.A. B* gesellschaft m.b.H., wegen Verfahrenshilfe, über den Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 31.7.2025, **-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Das Rekursgericht weist zunächst darauf hin, dass der Zweitbeklagte , geb. **, am **, und damit vor Klagseinbringung, verstorbenist. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 14.2.2025, **-5, wurden der Witwe des Verstorbenen, E* D*, die Aktiva der Verlassenschaft in Höhe von EUR 913 gemäß § 154 AußStrG gegen Bezahlung der Gebühren des Gerichtskommissärs sowie zur teilweisen Begleichung der Bestattungs(neben)kosten von EUR 2.485,39 an Zahlungs statt überlassen.

Alleinige Gesellschafterin der Erstbeklagten mit einer zur Hälfte einbezahlten Stammeinlage von ATS 500.000 ist E* D* ( Gesellschafterin ). Als jeweils selbstständig vertretungsbefugte Geschäftsführer der Erstbeklagten sind im Firmenbuch der Zweitbeklagte und (mit Vertretungsbefugnis seit 22.11.2024) die Gesellschafterin eingetragen.

Der Kläger begehrt von den Beklagten EUR 55.800 samt Zinsen und bringt zusammengefasst vor, er habe mit den Beklagten eine Vereinbarung über die Teilung einer Provision für die gemeinsame Vermittlung einer Kaufgelegenheit über die Liegenschaft EZ **, KG **, samt darauf errichtetem Zinshaus mit der Adresse **, geschlossen. Trotz Fälligkeit seiner Forderung hätten die Beklagten nicht gezahlt.

Der am 3.6.2025 vom Erstgericht erlassene Zahlungsbefehl wurde der Erstbeklagten am 3.7.2025 (im Wege der Entgegennahme durch die Gesellschafterin/Geschäftsführerin) zugestellt.

Mit der am 15.7.2025 beim Erstgericht eingelangten Eingabe (ON 8) beantragte die Erstbeklagtedie Verfahrenshilfe iSd § 63 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3 ZPO. Der (nach dem Tod des Zweitbeklagten im September 2024) alleinigen Geschäftsführerin und Gesellschafterin sei die behauptete Forderung des Klägers nicht bekannt. Die Gesellschafterin habe sich „notgedrungen im November 2024 zur Geschäftsführerin bestellt“, um alle aufrechten Verbindlichkeiten der Erstbeklagten sofort zu kündigen/stornieren, weil mit dem Tod des Zweitbeklagten auch jegliche operativen Geschäfte beendet worden seien.

Mit Beschluss vom 16.7.2025 trug das Erstgericht der Erstbeklagten die Verbesserung ihres Verfahrenshilfeantrages wie folgt auf:

Mit Eingabe vom 31.7.2025 legte die Erstbeklagte für sich ein mit Ausnahme eines Punktes („4. Meine Schulden“) nicht ausgefülltes Vermögensbekenntnis (ON 11.1) samt Daten des Steuerkontos der Erstbeklagten (ON 11.2) sowie ein Vermögensbekenntnis für die Gesellschafterin (ON 12.1) vor, das in weiten Teilen ebenfalls nicht ausgefüllt war. Dem Vermögensbekenntnis der Gesellschafterin waren einige Belege angeschlossen (ON 12.2 und 12.3.).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss(ON 13) wies das Erstgericht den Verfahrenshilfeantrag mit der Begründung ab, es sei nur in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich, einer Kapitalgesellschaft die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Solch ein Ausnahmefall liege hier nicht vor, weil der Erstbeklagten noch die Einforderung der nicht einbezahlten restlichen Stammeinlage von der Gesellschafterin als wirtschaftlich Beteiligter zu Gebote stehe und diese darüber hinaus über ausreichend verwertbares Vermögen verfüge, um der Erstbeklagten diesen Prozess als wirtschaftlich Beteiligte im Sinne des § 63 Abs 2 ZPO vorzufinanzieren.

Gegen den Beschluss richtet sich der Rekurs der Erstbeklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung abzuändern und dem Verfahrenshilfeantrag stattzugeben. Als Rekursgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.Die Erstbeklagte wendet sich gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, wonach die Gesellschafterin wirtschaftlich Beteiligte iSd § 63 Abs 2 ZPO sei. Die Gesellschafterin sei dies seit 2011 ohne ihr Wissen und sei vom Zweitbeklagten ohne ihr Einverständnis und Wissen „weiter als Gesellschafterin eingesetzt worden“.

1.1Gemäß § 63 Abs 2 ZPO ist einer juristischen Person die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

1.2 Eine Kapitalgesellschaft ist in der Regel entweder kreditwürdig oder zahlungsunfähig und deshalb nur in begründeten Ausnahmefällen verfahrenshilfebedürftig ( Fucik in Rechberger/Klicka 5§ 63 ZPO Rz 4 mwN).

1.3 Als wirtschaftlich Beteiligte sind jene Personen anzusehen, denen aufgrund ihrer Rechtsbeziehungen zur Partei ein Vor- oder Nachteil aus dem Ausgang des Prozesses entstehen kann und auf deren Vermögen sich der Prozessausgang nicht ganz unerheblich auswirkt, sodass es auch aus diesem Grund als zumutbar angesehen werden kann, von dieser Person eine (Vor-)Finanzierung der Verfahrenskosten zu verlangen. Auf die Gesellschafter einer GmbH trifft dies etwa dann zu, wenn sich der Prozessausgang – wie hier - auf (das Gesellschaftskapital oder) den Wert des einzelnen Geschäftsanteils auswirkt ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3II/1 § 63 ZPO Rz 9, 12f; FucikaaO); hierzu kann im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss (S 7) verwiesen werden (§ 500a ZPO). Die Alleingesellschafterin ist auch deshalb „wirtschaftlich Beteiligte“ der Erstbeklagten iSd § 63 Abs 2 ZPO, weil Gläubiger der Erstbeklagten zur Pfändung deren offener Stammeinlageforderung gegen die Alleingesellschafterin sowie dazu berechtigt wären, anstelle der Erstbeklagten von ihr die Zahlung zu verlangen (vgl SZ 52/37).

1.4Die Alleingesellschafterin ist als solche seit 2.3.2012 aufgrund des vom öffentlichen Notar Mag. F* am 23.2.2012 eingebrachten Antrags im Firmenbuch eingetragen. Wenn der Zweitbeklagte – wie die Gesellschaft behauptet (ON 8.1, ON 12.1) – der Alleingesellschafterin versichert hatte, von dieser 100 % der Gesellschaft zu übernehmen, die Alleingesellschafterin aber nach dem Tod des Zweitbeklagten erfahren hatte, dass sie nach wie vor zu 100 % Gesellschafterin ist, könnte dies an ihrer Gesellschafterstellung nichts ändern. Noch am 22.11.2024 - damit nach dem Ableben des Zweitbeklagten - wurde die Alleingesellschafterin aufgrund eines schriftlich im Umlaufweg gemäß § 34 Abs 1 GmbHG zustandegekommenen, von der Alleingesellschafterin unterzeichneten Gesellschafterbeschlusses zur Geschäftsführerin bestellt (ON 12.1: „ Ich habe mich notgedrungen im November 2024 zur Geschäftsführerin bestellt“ ). Damit im Einklang scheinen im Beschluss des BG Döbling auf Überlassung der Aktiva der überschuldeten Verlassenschaft nach dem Zweitbeklagten an die Gesellschafterin an Zahlungs statt vom 14.2.2025 (**-5) unter den Aktiva der Verlassenschaft Gesellschafteranteile des Zweitbeklagten an der Erstbeklagten nicht auf.

2. Dem Rekurs kann somit kein Erfolg beschieden sein.

Ein Ersatz der in der Rekursbeantwortung des Klägers verzeichneten Kosten kommt nicht in Betracht (§ 72 Abs 3 ZPO).

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.