17Bs223/25f – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Röggla als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Schneider-Reich und den Richter Ing.Mag. Kaml als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 6. August 2025, GZ **-110.1, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 24. September 2024 wurde A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum (in der Folge: FTZ) nach § 21 Abs 1 StGB untergebracht, weil er am 13. März 2024 in ** unter dem maßgeblichen Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit (§ 11 StGB) ausschließenden Zustands, der auf einer schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung beruhte, nämlich einer akuten Psychose im Rahmen der bestehenden Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis, an einer fremden Sache, nämlich dem Einfamilienhaus der B*, ohne Einwilligung der Eigentümerin eine Feuersbrunst zu verursachen versucht hat, indem er um 05:45 Uhr durch die unversperrte Haustüre in das Einfamilienhaus der Genannten eindrang, in der Küche im Halbstock des Hauses den Brennraum des Schwedenofens mit vorgefundenen Hartholzscheiten befüllte, oberhalb des Ofens ein im Haus vorgefundenes Handtuch und eine Zange ablegte und danach das Brenngut im Ofen entzündete, wobei er ein Fenster öffnete und die Feuerraumtür offen ließ, damit der Ofen besser ziehe, sodass die durch Überfüllen des Ofens entstandene hohe Hitze das auf dem Ofen liegende Handtuch bereits zum Glosen brachte und der Linoleumfußboden vor dem Ofen durch ausgetretene glühende Teilchen bereits punktförmig beschädigt wurde, sohin eine Tat begangen hat, die mit einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist und die ihm als das Verbrechen der Brandstiftung nach den §§ 15, 169 Abs 1 StGB zuzurechnen wäre, und nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, dass er sonst in absehbarer Zukunft unter dem maßgeblichen Einfluss seiner psychischen Störung eine gemeingefährliche mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen, nämlich zumindest eine versuchte Brandstiftung, begehen werde.
Vom Vollzug der Unterbringung wurde gemäß § 157a (zu ergänzen:) Abs 1 StVG unter Festsetzung einer Probezeit von fünf Jahren vorläufig abgesehen. Zugleich wurden gemäß § 50 Abs 1 StGB iVm § 157b Abs 2 StVG Bewährungshilfe angeordnet und gemäß §§ 157b Abs 1 iVm 157x Abs 2 und 3 StVG folgende Bedingungen festgelegt, nämlich
1. sich einer Psychotherapie zu unterziehen bzw fortzusetzen, und dies dem Gericht monatlich, erstmals bis längstens 1. November 2024 unaufgefordert schriftlich nachzuweisen;
2. sich monatlich einer fachärztlichen Kontrolle durch einen Psychiater zu unterziehen;
3. die bisherige Medikation inkl Depotmedikation fortzusetzen und dies dem Gericht durch eine Blutabnahme monatlich nachzuweisen;
4. keinen Alkohol zu konsumieren;
5. seinen Wohnsitz bei C* GmbH **, in einer betreuten Wohneinrichtung „24 Stunden betreutes Wohnhaus“ zu nehmen, und dies dem Gericht bis 25. September 2024 nachzuweisen.
Aufgrund von Berichten des Vereines C* GmbH (ON 89.1 und ON 91.1) und von Äußerungen einer Mitarbeiterin dieses Vereines sowie der behandelnden Ärztin (vgl den Aktenvermerk ON 92), wonach der Betroffene die ihm auferlegten Bedingungen nicht mehr einhalte und erneut ein (im negativen Sinn) auffälliges Verhalten zeige, wurde am 11. Juli 2025 gemäß § 157k Abs 1 Z 2 StVG dessen Festnahme angeordnet (ON 96.1), die am 14. Juli 2025, 14.05 Uhr vollzogen wurde (ON 101.1).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 110.1) widerrief der Vorsitzende des Schöffengerichts gemäß § 157f StVG das vorläufige Absehen vom Vollzug und ordnete an, die strafrechtliche Unterbringung in einem FTZ zu vollziehen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Betroffenen (ON 114.1 und ON 118.1), der Berechtigung zukommt.
Gemäß § 157f StVG hat das Gericht das vorläufige Absehen vom Vollzug zu widerrufen und die strafrechtliche Unterbringung vollziehen zu lassen, wenn die festgesetzten Bedingungen in erheblichem Maße nicht eingehalten werden oder sich – insbesondere weil sich der Gesundheitszustand des Betroffenen verschlechtert hat – als unzureichend erweisen und auch durch eine Änderung und Ergänzung der Bedingungen (§ 157b Abs 3 StVG) nicht erreicht werden kann, dass außerhalb eines FTZ der Gefahr, derentwegen die strafrechtliche Unterbringung angeordnet wurde, hinreichend entgegengewirkt wird.
Zudem hat das Gericht gemäß § 157g Abs 1 StVG anstelle eines Widerrufs das vorläufige Absehen vom Vollzug (§ 157a StVG) für eine Dauer von höchstens drei Monaten auszusetzen und die strafrechtliche Unterbringung vorübergehend in Vollzug zu setzen, wenn angenommen werden kann, dass durch die Behandlung und Betreuung in einem FTZ, in einer öffentlichen Krankenanstalt für Psychiatrie oder in einer öffentlichen Krankenanstalt mit einer Abteilung für Psychiatrie während dieser Zeit der Zustand des Betroffenen so weit gebessert werden kann, dass eine Fortsetzung des vorläufigen Absehens vom Vollzug wieder möglich ist.
Wenngleich das Erstgericht zunächst mit zutreffenden Verweisen auf die wesentlichen Aktenstücke nachvollziehbar begründete, dass der Betroffene die ihm festgesetzten Bedingungen, nämlich die bisherige Medikation inkl Depotmedikation fortzusetzen und seinen Wohnsitz bei C* GmbH ** zu nehmen, nicht mehr einhielt (ON 89.1 und ON 91.1), besteht derzeit kein ausreichendes Substrat dafür anzunehmen, auch durch eine Änderung und Ergänzung der Bedingungen (§ 157b Abs 3 StVG) könne nicht erreicht werden, der Gefahr, derentwegen die strafrechtliche Unterbringung angeordnet wurde, außerhalb eines FTZ hinreichend entgegenzuwirken bzw eine Krisenintervention nach § 157g Abs 1 StVG könnte nicht zu einer entscheidenden Besserung des Gesundheitszustands des Betroffenen führen.
Denn der Betroffene habe zwar entsprechend der fachärztlichen Stellungnahme der forensischen Ambulanz ** vom 17. Juli 2025 (ON 102.1) bisher keine ausreichende Krankheits- bzw Behandlungseinsicht entwickelt, weshalb dieser Einschätzung zufolge ein stationärer Krisenaufenthalt über längstens sechs Monate wohl nicht ausreichen werde, um eine solche tiefgründig verankern zu können, jedoch steht der ärztliche Bericht des Vorstands der psychiatrischen Abteilung für forensische Psychiatrie des Landesklinikums D* vom 31. Juli 2025 (ON 109.2) dazu in einem gewissen Widerspruch.
Darin führt dieser nämlich aus, der Betroffene sei nach kontinuierlicher Gabe der laufenden psychopharmakologischen Therapie im hochstrukturierten Setting der Station nunmehr wieder angepasst, geordnet und gut führbar. Wenngleich fraglich sei, ob auch längerfristig eine tragfähige therapeutische Allianz hergestellt werden könne, sei eine erneuter Versuch der Weiterführung der Weisungen außerhalb des derzeitigen stationären Settings für den Moment, anhand der aktuellen psychischen Verfassung, denkbar (ON 114.1).
Zudem verwies die den Betroffenen betreuende Bewährungshelferin auf die Möglichkeit der Unterbringung in einer vollbetreuten Wohnform (ON 106.1, 2).
Wenn auch im Verfahren wegen der Entscheidung über die Notwendigkeit des Widerrufs des vorläufigen Absehens vom Vollzug die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie oder allenfalls der klinischen Psychologie nicht generell zwingend vorgeschrieben sein mag (vgl Pieber, WK 2StVG § 157k Rz 4), so ist eine solche fallkonkret zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage insbesondere mit Blick auf den genannten Bericht vom 31. Juli 2025 (ON 109.2) jedoch erforderlich, um verlässlich beurteilen zu können, ob der Betroffene über eine ausreichende Behandlungs- und Krankheitseinsicht verfügt bzw eine solche im Rahmen einer Krisenintervention erreichen kann, sodass – allenfalls auch durch eine Änderung und Ergänzung der Bedingungen (§ 157b Abs 3 StVG) – die Gefährlichkeit des Betroffenen extramural hintangehalten werden kann.
Der angefochtene Beschluss war daher infolge Unterlassens erforderlicher Beweisaufnahmen (§ 89 Abs 2a Z 3 StPO) aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach diesbezüglicher Verfahrensergänzung aufzutragen.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).