18Bs175/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* und andere Angeklagtewegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB über die Berufungen des Angeklagten und jener der Staatsanwaltschaft wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Jänner 2025, GZ **-114.3, nach der am 11. September 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Frohner, im Beisein der Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener, in Abwesenheit des Angeklagten, jedoch in Anwesenheit seines Verteidigers seines Verteidigers Mag. Adrian Zitter durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil – das auch unbekämpft gebliebene Privatbeteiligtenzusprüche sowie rechtskräftige Schuld- und Freisprüche betreffend Mitangeklagte und einen rechtskräftigen Freispruch betreffend den Angeklagten enthält – wurde der am ** geborene afghanische Staatsangehörige A* B* des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 zweiter Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB (I./A./) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB (I./B./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 107b Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von jeweils 500 Euro an die Privatbeteiligten C* B* und D* B* sowie zur ungeteilten Hand mit E* B* und F* B* zur Zahlung von 500 Euro an D* B* binnen 14 Tagen verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in **
I./A./ gegen D* B* länger als ein Jahr hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er ihr von Herbst 2020 bis 20. November 2023 etwa einmal wöchentlich mit der flachen Hand und regelmäßig auch mit der Faust ins Gesicht schlug sowie Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte und sie wiederholt mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen und Unterlassungen nötigte, nämlich dazu, von der Erstattung einer Anzeige bei der Polizei Abstand zu nehmen, sich nach seinen Vorgaben zu verhalten und zu kleiden, nur mit seiner Einwilligung oder der seiner Eltern das Haus zu verlassen und von Kontaktaufnahmen mit ihrer Familie abzusehen, wodurch er eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte;
I./B./ von November 2022 bis 20. November 2023 C* B* in mehreren Angriffen am Körper verletzt und zu verletzen versucht, indem er ihr Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, wodurch diese, teilweise für mehrere Stunden (US 10) sichtbare, Hautrötungen erlitt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die Begehung der Taten zum Nachteil von Angehörigen (§ 33 Abs 2 Z 2 StGB) und teils (in Bezug auf § 83 Abs 1 StGB) als Volljähriger gegen eine minderjährige Person, den – über das Qualifikationsmerkmal des § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB hinausgehenden – längeren Tatzeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen und eine einschlägige Vorstrafe (die den Täter von der weiteren fortgesetzten Gewaltausübung nicht abzuhalten vermochte) als erschwerend, hingegen den Umstand, dass es teilweise (bei § 83 Abs 1 StGB) beim Versuch geblieben ist, als mildernd.
Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juni 2025, GZ 12 Os 46/25v-5 (ON 130.1), ist nunmehr über dessen Berufung (ON 123.1) sowie jene der Staatsanwaltschaft (ON 119) wegen des Ausspruchs über die Strafe zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Keine der Berufungen ist berechtigt.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters. Dabei hat das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (§ 32 StGB).
Das Erstgericht hat die besonderen Strafzumessungsgründe vollständig erfasst.
Im Rahmen der Gewichtung der Schuld nach § 32 StGB sind auch die dem Tatopfer vom Angeklagten ua durch Schläge mit der Faust und der flachen Hand sowie Tritte gegen den Körper zugefügten Körperverletzungen wie für mehrere Stunden sichtbare Hautrötungen (US 8) als aggravierend zu werten (vgl RIS-Justiz RS0092574 [T6]; RS0090709) .
Nach den Urteilsannahmen hat der Angeklagte nicht nur durch Misshandlungen, sondern auch durch Drohungen gegen das Tatopfer Gewalt ausgeübt. Die Erfüllung zweier Alternativen(vgl § 107b Abs 2 erster und dritter Fall StGB) des alternativen Mischtatbestandes ist somit ebenso schulderhöhend in Anschlag zu bringen (vgl OGH 12 Os 118/13i).
Mit Blick darauf, dass der Angeklagte mit Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 6. Dezember 2022, rechtskräftig seit 10. Dezember 2022, AZ **, wegen am 6. März 2022 begangener strafbarer Handlungen verurteilt wurde (ON 6), aggraviert die Tatbegehung während eines anhängigen Strafverfahrens (RIS-Justiz RS0119271, RS0091048 [T6]) und aufgrund der am 10. Juli 2023 zur Einzahlung gebrachten verhängten Geldstrafe auch die Tatbegehung während offenen Strafvollzugs (vgl OGH 14 Os 110/20p).
Dem Angeklagten, der eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Strafnachsicht anstrebt, gelingt es nicht, weitere Milderungsgründe aufzuzeigen. Inwiefern der Gesinnungs-, Handlungs- und Erfolgsunwert mit Blick auf den langen Tatzeitraum (Herbst 2020 bis 20. November 2023) und die zahlreichen Angriffe gegen seine Ehefrau infolge von kleinen Abweichungen von seinen Vorstellungen und Vorgaben im alltäglichen Leben aufgrund seines patriarchalen Wertebildes (US 6 f) durch den bereits einschlägig vorbestraften Berufungswerber (ON 6; ON 111) deutlich unter dem deliktstypischen Durchschnitt liegen sollte, vermag der Angeklagte (ON 123.1, 8) nicht plausibel darzutun.
Aber auch der Anklagebehörde, die lediglich auf die einschlägige Vorstrafenbelastung verweist, gelingt es nicht, weitere Erschwerungsgründe zur Darstellung zu bringen.
Unter Berücksichtigung der geringfügig zum Nachteil des Berufungswerbers korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die vom Erstgericht mit knapp der Hälfte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens von fünf bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe ausgemessene Sanktion mit Blick auf die Umstände dieses Falles als angemessen.
Darüber hinaus trägt die verhängte Sanktion auch spezial und generalpräventiven Erfordernissen Rechnung, zumal der Festsetzung adäquater Strafen gerade im Bereich von Straftaten im familiären Umfeld, welche durch die enge Beziehung zwischen Tätern und den Betroffenen oft lange unentdeckt bleiben, besondere Bedeutung zukommt.
Für eine Reduktion oder Erhöhung der verhängten Sanktion bietet weder das Berufungsvorbringen noch der Akteninhalt begründeten Anlass.
Die vom Angeklagten begehrte Anwendung der §§ 43, 43a StGB (ON 123.1, 8) scheitert schon an der Strafhöhe.
Somit ist den Berufungen ein Erfolg zu versagen.