12Os46/25v – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Juni 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Artner in der Strafsache gegen S* M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 zweiter Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Genannten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Jänner 2025, GZ 84 Hv 20/24m 114.3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Dem Angeklagten S* M* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde S* M* – soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3 zweiter Fall und Abs 4 zweiter Fall StGB (I./A./) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 15 StGB (I./B./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in W*
I./A./ gegen K* M* länger als ein Jahr hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er ihr von Herbst 2020 bis 20. November 2023 etwa einmal wöchentlich mit der flachen Hand und regelmäßig auch mit der Faust ins Gesicht schlug sowie Schläge und Tritte gegen den Körper versetzte und sie wiederholt mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu Handlungen und Unterlassungen nötigte, nämlich dazu, von der Erstattung einer Anzeige bei der Polizei Abstand zu nehmen, sich nach seinen Vorgaben zu verhalten und zu kleiden, nur mit seiner Einwilligung oder der seiner Eltern das Haus zu verlassen und von Kontaktaufnahmen mit ihrer Familie abzusehen , wodurch er eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte;
I./B./ von November 2022 bis 20. November 2023 Z* M* in mehreren Angriffen am Körper verletzt und zu verletzen versucht, indem er ihr Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht versetzte, wodurch diese, teilweise für mehrere Stunden (US 10) sichtbare, Hautrötungen erlitt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des S* M*, der keine Berechtigung zukommt.
[4] Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a, dSn Z 10) zu I./A./ bestreitet das Vorliegen von Feststellungen zum Tatbestandselement der fortgesetzten Gewaltausübung, insbesondere „zur Eingriffsintensität und den sonstigen Tatmodalitäten mit Blick auf die konkrete Situation“ des Opfers. Damit argumentiert sie prozessordnungswidrig (siehe aber RIS Justiz RS0099810) nicht auf Basis der Gesamtheit der dazu getroffenen Urteilskonstatierungen (US 6 ff).
[5] Aus welchen Gründen diese Sachverhaltsannahmen für die Annahme der – als Rechtsfrage zu beurteilenden (RIS Justiz RS0132824) – Eignung der vom Angeklagten gesetzten Gewalthandlungen in ihrer Gesamtheit, die Lebensführungsfreiheit des Opfers gravierend zu beeinträchtigen ( Schwaighofer in WK 2 StGB § 107b Rz 8 f), nicht ausreichen sollten, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS Justiz RS0116565).
[6] Die weitere Rechtsrüge wendet sich formal gegen Schuldspruch II./, der jedoch ausschließlich die Mitangeklagten betrifft. Inhaltlich nimmt das Vorbringen Bezug auf Tathandlungen zum Nachteil der K* M* (dh betreffend den Beschwerdeführer Schuldspruch I./A./), die als folgenlose Misshandlungen qualifiziert werden, wobei gleichzeitig das Vorliegen des Tatbestands des §§ 83 Abs 1, 15 StGB (Schuldspruch I./B./) in Abrede gestellt wird. Diese unverständlichen Beschwerdebehauptungen sind einer inhaltlichen Erwiderung unzugänglich; die sich aus dieser Art der Rechtsmittelausführung ergebenden Unklarheiten gehen zu Lasten des Beschwerdeführers (RIS Justiz RS0100183, RS0100167 [T1]). Zur Anfechtung des bloß gegen andere Angeklagte ergangenen Schuldspruchs II./ wäre der Nichtigkeitswerber im Übrigen generell nicht legitimiert (§ 282 Abs 1 StPO; vgl RIS Justiz RS0098988).
[7] Die Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), es fehlten im Urteil Konstatierungen zur Bewirkung einer erheblichen Einschränkung der autonomen Lebensführung der K* M* und zur Ursächlichkeit der Gewaltausübung des Angeklagten für den Eintritt dieses Taterfolgs (§ 107b Abs 3 zweiter Fall StGB; RIS Justiz RS0132412), setzt sich über die entsprechenden erstgerichtlichen Konstatierungen (US 8) hinweg und verfehlt solcherart neuerlich den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0099810).
[8] Die vermissten Feststellungen zur subjektiven Tatseite – auch in Ansehung der Qualifikation nach § 107b Abs 3 zweiter Fall StGB – finden sich, von der Beschwerde übergangen, auf US 9 f.
[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.