15R33/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Schaller als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Miljevic-Petrikic und Mag. Schmied in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , **, vertreten durch Dr. Gerhard Krammer, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagten Parteien 1. B* C*, 2. D* C* , beide **, und 3. E* AG , **, alle vertreten durch Noe-Nordberg Mautner Rechtsanwälte OG in Waidhofen an der Thaya, wegen EUR 15.169,20 s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom 16.12.2024, **-20, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist verpflichtet, den beklagtenParteien binnen 14 Tagen die mit EUR 2.100,72 (darin EUR 350,12 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
Am 26.7.2024 ereignete sich gegen 21:30 Uhr im Gemeindegebiet von ** auf der ** bei Kilometer 12,44 ein Verkehrsunfall zwischen dem von der Klägerin gehaltenen und dem Geschäftsführer der Klägerin gelenkten LKW der Marke ** mit dem behördlichen Kennzeichen ** (Klagsfahrzeug), und dem von der Erstbeklagten gelenkten, dem Zweitbeklagten gehaltenen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Traktor der Marke ** mit dem behördlichen Kennzeichen ** (Beklagtenfahrzeug).
Die Klägerin begehrte die Zahlung von EUR 15.169,20 s.A. und brachte zusammengefasst – soweit für das Berufungsverfahren relevant - vor, die Erstbeklagte sei dem Lenker des Klagsfahrzeugs bei Dunkelheit entgegengekommen und habe das Beklagtenfahrzeug erheblich über die Fahrbahnmitte gelenkt. Der Klagslenker habe die Lichthupe betätigt, seinen LKW an den äußersten Fahrbahnrand gelenkt und abgebremst. Die Erstbeklagte habe das Beklagtenfahrzeug daraufhin zwar auch nach rechts gelenkt, die Kollision jedoch nicht mehr verhindern können. Es sei zum Kontakt zwischen dem linken Vorderrad des Klagsfahrzeugs und dem linken Hinterrad des Beklagtenfahrzeugs gekommen, welches sich noch über der Fahrbahnmitte befunden habe. Der Klägerin sei dadurch ein Kfz-Totalschaden entstanden.
Die Beklagten bestritten das Klagebegehren und wandten ein, dass die Erstbeklagte mit dem Traktorgespann am äußerst rechten Fahrbahnrand in etwa mit Schrittgeschwindigkeit gefahren sei, als das Klagsfahrzeug das Beklagtenfahrzeug im Gegenverkehr passiert habe und mit dessen linkem Vorderrad gegen das linke Hinterrad des Traktors gestoßen sei. Der Klagslenkker sei mit weit überhöhter Geschwindigkeit und unter Missachtung des Rechtsfahrgebots gefahren. Die Erstbeklagte habe sich kein Fehlverhalten vorzuwerfen, insbesondere habe sie zu keinem Zeitpunkt die Fahrbahnmitte überschritten.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab und verpflichtete die Klägerin gemäß § 41 ZPO zum Kostenersatz.
Neben dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt traf es bezüglich des Unfallhergangs folgende Feststellungen:
Die Erstbeklagte lenkte das Beklagtenfahrzeug von ** aus kommend in Richtung Norden. Das Frontlicht war eingeschaltet, die Arbeitsscheinwerfer waren nicht eingeschaltet. Sie fuhr am Fahrbahnrand. Sie sah das ihr entgegenkommende Klagsfahrzeug anhand des Abblendlichts. Der Lenker des Klagsfahrzeuges blendete in einer Entfernung von mehr als 100 Meter auf, woraufhin die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges die Lichthupe betätigte. Der Lenker des Klagsfahrzeuges blendete sodann auf und fuhr mit Fernlicht weiter. Die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges reduzierte ihre Geschwindigkeit.
Es kam zu einer Kollision des linken Vorderrades des Klagsfahrzeuges mit dem linken Hinterrad des Zugfahrzeuges des Beklagtenfahrzeuges. Die Kollision zwischen den Fahrzeugen fand innerhalb der gedachten Fahrbahnhälfte des nach Norden fahrenden Beklagtenfahrzeuges statt.
Die genauen Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollision können nicht bestimmt werden. Das Traktorgespann war im Zeitpunkt der Kollision in Vorwärtsbewegung. Der Traktor ist knapp 2,4 Meter breit. Das Beklagtenfahrzeug hielt im Zeitpunkt der Kollision eine Geschwindigkeit von 10 bis 25 km/h ein. Das Beklagtenfahrzeug hielt eine äußerst rechts gelegene Fahrbahnlinie ein. Das Klagsfahrzeug, welches etwa zwei Meter breit ist, kam ca. 200 Meter nach der Kollision zum Stillstand. Das Klagsfahrzeug fuhr im Zeitpunkt der Kollision mehr als 30 bis 40 km/h. Im Zeitpunkt der Kollision hielt der Lenker des Klagsfahrzeuges einen Seitenabstand zu dessen rechten Fahrbahnrand von jedenfalls mehr als 1 Meter ein.
Die Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges konnte eine Kollision nicht verhindern. Das Beklagtenfahrzeug hielt eine äußerst rechts gelegene Fahrlinie im Zeitpunkt der Kollision mit dem rechten Rad bzw. der Außenkontur des rechten Vorderrades am rechten Asphaltrand ein, dies mit einer Unschärfe von 10 bis maximal 15 cm. Der Lenker des Klagsfahrzeuges hätte eine Kollision verhindern können, wenn er im Bereich der Kollisionsstelle innerhalb seiner gut 2,6 Meter breiten Fahrbahnhälfte nach Süden gefahren wäre.
Aufgrund der Kollisionskonstellation gab es eine leichte Lenkbewegung eines der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge. Ob der Traktor nach rechts gelenkt worden ist oder ob das Klagsfahrzeug nach links gelenkt worden ist, lässt sich nicht feststellen. Ein allfälliges nach rechts Lenken der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges ändert nichts an der Kollisionsstelle.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass der Lenker des Klagsfahrzeugs gegen das Rechtsfahrgebot des § 7 Abs 2 StVO verstoßen habe, weil er trotz Gegenverkehr nicht am rechten Fahrbahnrand gefahren, sondern sogar in die gedachte Fahrbahnhälfte des Beklagtenfahrzeuges gekommen sei. Der Lenkerin des Beklagtenfahrzeuges, welche das Fahrzeug am äußerst rechten Fahrbahnrand gelenkt habe, seien hingegen keine (Mit-)Verschuldensmomente zuzurechnen. Die Klage sei daher aufgrund des Alleinverschuldens des Klagslenkers abzuweisen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und nach allenfalls durchgeführter Beweiswiederholung die beantragten Ersatzfeststellungen zu treffen und dem Klagebegehren vollinhaltlich stattzugeben.
Die Beklagten beantragten, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Entscheidung war trotz des Antrags der Klägerin, „allenfalls nach Beweiswiederholung und -ergänzung zu entscheiden“, in nicht öffentlicher Sitzung zu treffen, weil der Berufungssenat gemäß § 480 Abs 1 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
2. Zum Unfallhergang
2.1 Die Klägerin moniert einerseits, dass das Erstgericht bezüglich der Feststellungen zum Unfallhergang beweiswürdigend den Ausführungen der Erstbeklagten als Lenkerin der Zugmaschine gefolgt sei und nicht jenen des Lenkers des Klagsfahrzeugs. Aus diesem Grund habe es unrichtige Tatsachenfeststellungen zu dem Umstand, welches der beiden Fahrzeuge die Fahrbahnmitte rechtswidrig überschritten habe, getroffen. Völlig falsch sei insbesondere die Feststellung, wonach KR Ing. F*, nachdem er die Lichthupe betätigt habe, mit Fernlicht weitergefahren sei. Zur Widerlegung verweist die Klägerin auf das Polizeiprotokoll (Beilage ./B, S 3) und bemängelt in weiterer Folge, dass auf dieses generell kein Bezug genommen und diesbezüglich keinerlei Feststellungen getroffen worden seien.
Die Klägerin begehrt folgende Ersatzfeststellungen:
KR Ing. F* lenkte das Klagsfahrzeug zunächst in Annäherung an die spätere Unfallstelle mit 80 km/h. Er hatte, wie ebenso die unfallsgegnerische Zugmaschine, Abblendlicht eingeschalten gehabt. In weiter Annäherung an die spätere Kollisionsstelle reduzierte KR Ing. F* die Fahrgeschwindigkeit des Klagsfahrzeuges auf 50 – 60 km/h und hielt zu diesem Zeitpunkt einen Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand von ca. 50 cm ein. Die Zugmaschine wurde zunächst die Fahrbahnmitte um ca. 50 cm überschreitend gelenkt. Die Erstbeklagte versuchte – um eine Kollision zu vermeiden – die Zugmaschine nach rechts zu lenken, wobei dadurch die Kollision mit dem linken Vorderrad der Zugmaschine vermieden werden konnte, es jedoch in der Folge zur Kollision mit dem linken Hinterrad der Zugmaschine und dem linken Vorderrad des Klagsfahrzeuges kam. Dadurch wurde vom Klagsfahrzeug das linke Vorderrad abgerissen und es trat Bremsflüssigkeit aus. Diese ist ersichtlich in dem Lageplan der Beilage ./H. Ebenfalls ist die auf dem Lageplan eingezeichnete Beschädigung des Asphaltes durch das Klagsfahrzeug erfolgt. Hingegen ist es nicht zutreffend, dass die von der Erstbeklagten und vom Zweitbeklagten angegebene Beschädigung des Asphaltes auf der eigenen Fahrbahnhälfte der Zugmaschine nicht kollisionsbedingt erzeugt wurde.
2.2 Abgesehen davon, dass die von der Klägerin begehrten Ersatzfeststellungen zum Teil inhaltlich der Beweiswürdigung zuzuordnen sind, entspricht die Berufung nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Um eine Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, ist es erforderlich anzugeben, a) welche konkrete Feststellung bekämpft wird, b) aufgrund welcher unrichtigen Beweiswürdigung diese getroffen wurde, c) welche (ersatzweise) Feststellung begehrt wird und d) aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese zu treffen gewesen wäre (RS0041835 [T5]; 10 ObS 129/02x; 10 ObS 15/12x; 1 Ob 202/13g; 3 Ob 118/18a; Pimmer in Fasching/Konecny³ § 467 ZPO Rz 40; A. Kodek in Rechberger/Klicka 5 § 471 Rz 15 mwN).
2.3 Die Klägerin führt bis auf Ausnahmen (dazu unter 2.4) in ihrer Berufung nicht an, welche konkreten Feststellungen des Erstgerichts bekämpft werden sollen. Es ist nicht Aufgabe des Berufungsgerichts zu ermitteln und zu mutmaßen, durch welche konkreten Feststellungen sich der Kläger für beschwert erachtet und welche Urteilsannahmen mangels ausdrücklicher Anfechtung unbestritten sind (vgl § 498 Abs 1 ZPO). Grundsätzlich sind sohin in der Beweisrüge die bekämpfte(n) Feststellung(en) in ihrer vollen Länge wörtlich zu benennen und ebenso die begehrte(n) Ersatzfeststellung(en) deutlich herauszustellen und in voller Länge zu bezeichnen (vgl RI0100140). Da die Klägerin in ihrer Berufung in weiten Teilen nicht anführt, welche konkreten vom Erstgericht getroffenen Feststellungen durch welche Feststellungen ersetzt werden sollen, ist ihre Beweisrüge nicht gesetzesgemäß ausgeführt.
2.4 Soweit sich die Klägerin erkennbar gegen die Feststellungen „Die Kollision zwischen den Fahrzeugen fand innerhalb der gedachten Fahrbahnhälfte des nach Norden fahrenden Beklagtenfahrzeuges statt“ sowie „Der Lenker des Klagsfahrzeuges blendete sodann auf und fuhr mit Fernlicht weiter“ richtet, ist zunächst festzuhalten, dass die Frage, ob das Fernlicht am Klagsfahrzeug eingeschaltet blieb, nicht relevant ist, zumal das Erstgericht daraus ohnehin kein Verschulden des Klagslenkers ableitet.
Im Übrigen kann die Beweiswürdigung erst dann erfolgreich angefochten werden, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen könnten. Es genügt es nicht, bloß auf einzelne für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers günstige Beweismittel zu verweisen und darzulegen, dass die Beweisergebnisse möglicherweise auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass sich die Tatsacheninstanz für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund ihrer Überzeugung entscheidet, dass diese mehr Glaubwürdigkeit beanspruchen kann (RS0043175; Rechberger in Fasching/Konecny³§ 272 ZPO Rz 4 f, Rz 11).
2.5 Die Klägerin beanstandet im Wesentlichen, dass nicht den Ausführungen des Lenkers des Klagsfahrzeugs, sondern jenen der Erstklägerin Glauben geschenkt worden war. Dies begründete das Erstgericht insbesondere damit, dass die Angaben der Erstbeklagten - im Gegensatz zu jenen des Lenkers des Klagsfahrzeugs - laut Sachverständigengutachten (ON 14.3, S 10 ff) mit den an der Unfallsstelle aufgefundenen Kratz- und Flüssigkeitsspuren in Einklang zu bringen seien. Mit diesen objektivierten Beweisergebnissen setzt sich die Klägerin in ihrer Berufung gar nicht auseinander, sondern gibt großteils nur die Aussage des Lenkers des Klagsfahrzeugs wieder, mit dem Verweis, dass dieser sowohl vor der Polizei als auch bei seiner förmlichen Einvernahme anlässlich der Ortsaugenscheinverhandlung vom 16.12.2024 die Wahrheit gesagt habe.
Zudem stützt sie sich mehrfach auf die Urkunde Beilage ./B zum Beweis dafür, dass das Erstgericht der Erstbeklagten keinen Glauben schenken hätte dürfen, weil diese bezüglich der Frage, ob der Lenker des Klagsfahrzeugs nur aufgeblendet habe oder anschließend mit Fernlicht weitergefahren sei, unterschiedlich ausgesagt habe. Hierzu ist anzumerken, dass die Beilage ./B nur eine Zusammenfassung der von den Unfallsbeteiligten vor der Polizei getätigten Aussagen darstellt und somit keinen Aufschluss darüber gibt, was diese konkret zu Details des Unfallhergangs ausgesagt haben.
Insbesondere übergeht die Klägerin aber den Umstand, dass der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige die auf den nach dem Unfall angefertigten Lichtbildern ersichtlichen Flüssigkeits- und Kratzspuren klar dem vorliegenden Unfallgeschehen zuordnen und daraus technisch eindeutig ableiten konnte, dass die Kollision innerhalb der gedachten Fahrbahnhälfte des Beklagtenfahrzeugs stattfand und die Erstbeklagte eine äußerst rechte Fahrlinie einhielt, der Klagslenker hingegen nicht (ON 14.3 S 11/12). Die Klägerin unternimmt nicht einmal den Versuch, dieses Gutachten zu widerlegen, und zeigt daher nicht auf, weshalb das Erstgericht diesem nicht hätte folgen sollen.
2.6 Zusammenfassend ist es der Klägerin nicht gelungen, Zweifel an der mit dem Sachverständigengutachten im Einklang stehenden Beurteilung der vorliegenden Beweisergebnisse durch das Erstgericht zu wecken.
3. Zur Höhe der Schadensersatzansprüche
Da das Berufungsgericht nicht von den Feststellungen des Erstgerichts zum Unfallhergang abweicht und weiterhin ein Alleinverschulden der klägerischen Seite annimmt, besteht der Anspruch schon dem Grunde nach nicht zu Recht. Feststellungen zur Höhe erübrigen sich daher, weswegen die Behandlung der Beweisrüge in diesem Punkt unterbleibt (vgl Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 498 ZPO Rz 1).
4. Der Berufung war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.
5. Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
6. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine im Revisionsverfahren überprüfbare Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts vorliegt, sondern nur Beweiswürdigungsfragen zu beurteilen waren.