33R127/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden, den Richter Mag. Schmoliner und den KR Ing. Karall in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , **, vertreten durch Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch die Teicht Jöchl Rechtsanwälte KG in Wien, zuletzt wegen EUR 220.771,79 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 30.5.2025, **-27, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es wie folgt lautet:
„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 220.771,79 samt Zinsen in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.4.2021 zu zahlen, wird abgewiesen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 31.669,80 (darin EUR 5.274,30 USt) bestimmte erstinstanzliche Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 15.619,02 (darin EUR 725,67 USt und EUR 15.619,02 Gerichtsgebühren) bestimmte Berufungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerinbringt im Wesentlichen vor, sie sei für die Beklagte (mit Waren aller Art - insbesondere chemischen Produkten – handelndes Unternehmen) – auch - als Handelsvertreterin tätig gewesen, indem sie der Beklagten zwölf näher bezeichnete „Neukunden zugeführt und das gesamte mit diesen Neukunden abgewickelte Geschäft vermittelt“ habe (ON 5, S 9 unten). Mit Schreiben vom 13.7.2020 habe die Beklagte dieses Vertragsverhältnis zum 31.1.2021 aufgekündigt. Da das in Rede stehende Industriegeschäft äußerst konservativ und nachhaltig sei, würden die von der Klägerin erbrachten Handelsvertreterleistungen „noch viele Jahre wirken“ (ON 5, S 11 oben). Der Klägerin stehe deshalb gemäß § 24 HVertrG 1993 ein Ausgleichsanspruch zu, der der von der Klägerin in den letzten fünf Jahren vor der Beendigung des Vertragsverhältnisses erzielten Durchschnittsprovision zuzüglich 20 % USt entspreche. Gestützt auf diese Behauptungen begehrt die Klägerin zuletzt (ON 17, S 2 iVm ON 21.2, S 2) die Zahlung von EUR 220.771,79 sA.
Die Beklagte beantragt die Abweisung dieses Begehrens, bestreitet den klageweise geltend gemachten Anspruch dem Grunde und der Höhe nach und erhebt dagegen die folgenden für dieses Berufungsverfahren noch relevanten Einwände:
- Die Klägerin habe für die Beklagte keine Geschäftsabschlüsse vermittelt; vielmehr habe sich die Tätigkeit der Klägerin auf die Beratung und Unterstützung der Beklagten bei der Markterschließung sowie auf die Neu- und Weiterentwicklung von Produkten beschränkt. Damit habe die Klägerin nicht als Handelsvertreterin agiert (ON 3, S 2 f; ON 6, S 2 ff).
- Selbst unter der Annahme, dass die Klägerin als Handelsvertreterin tätig geworden sei, stehe ihr kein Ausgleichsanpruch zu. Denn die Klägerin habe kein schlüssiges Vorbringen zu den von ihr angeblich neu herbeigeführten und/oder erweiterten Geschäftsverbindungen sowie zu Provisionen erstattet, auf dessen Basis die in § 24 HVertrG 1993 normierten Kriterien beurteilt werden könnten (ON 3, S 6; ON 6, S 6 f).
- Für ihre vertragskonform erbrachten Leistungen habe die Klägerin im Zeitraum 2016 bis 2020 Honorare und Prämien in Gesamthöhe von EUR 919.882,46 erhalten. Gehe man mit der Klägerin davon aus, dass sie Handelsvertreterin gewesen sei, wären ihr weitaus niedrigere Provisionen zugestanden. Die Klägerin müsse sich deshalb einen „Überbezug“ von rund EUR 459.000 anrechnen lassen (ON 23, S 1 f).
Mit dem nun angefochtenen Zwischenurteilsprach das Erstgericht aus, das Klagebegehren bestehe dem Grunde nach zu Recht, und behielt die Kostenentscheidung dem Endurteil vor. Der Erstrichter traf die auf den Seiten 4 bis 10 der Urteilsausfertigung aufscheinenden Feststellungen, auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird; auf die für das Berufungsverfahren relevanten Teile wird bei der Prüfung der Berufung zurückzukommen sein. Auf Basis dieser Konstatierungen kam der Erstrichter in seiner rechtlichen Beurteilung zum Ergebnis, die Klägerin sei für die Beklagte (auch) als Handelsvertreterin tätig geworden, und die in § 24 HVertrG 1993 normierten Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Ausgleichsanspruchs seien dem Grunde nach erfüllt.
Dagegen wendet sich die vorliegende Berufung der Beklagten, die nur eine Rechtsrüge enthält, mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; erkennbar in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin stellt in ihrer Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
1. Zur Rechtsrüge:
1.1. Zur Handelsvertretereigenschaft der Klägerin:
1.1.1Handelsvertreter ist gemäß § 1 Abs 1 HVertrG 1993, wer von einem anderen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbstständig und gewerbsmäßig ausübt. Bei der Beurteilung dieser Kriterien ist die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung rechtlich unerheblich. Vielmehr kommt es auf die inhaltliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses an, insbesondere darauf, wie der Vertrag letztlich in der Praxis „gelebt“ wird ( Nocker in Nocker , HVertrG 2 § 1 Rz 31).
1.1.2.Im hier zu beurteilenden Fall umfassten die zwischen den Streitteilen geschlossenen schriftlichen Verträge zwar keine von der Klägerin zu erbringenden Leistungen, die unter § 1 Abs 1 HVertrG 1993 subsumierbar wären (UA S 4 oben und S 8 Mitte). Es steht aber fest, dass die Klägerin für die Beklagte während der Laufzeit dieser Verträge neue Kunden akquirierte (UA S 5 Mitte und oben; S 8 oben; Seite 9 oben), was die Vermittlung und/oder den Abschluss von Geschäften impliziert. Dass die Klägerin diese Tätigkeit mit (zumindest stillschweigendem) Einverständnis der Beklagten entfaltete, die davon wirtschaftlich profitierte, liegt auf der Hand. Entgegen der auch noch in der Berufung aufrecht erhaltenen Argumentation der Beklagten, die sich von diesen Konstatierungen entfernt, ist die Klägerin daher für die Beklagte – auch - als Handelsvertreterin iSd § 1 Abs 1 HVertrG 1993 tätig geworden.
1.2. Zum Ausgleichsanspruch der Klägerin:
1.2.1.Die Behauptungs- und Beweislast für die in § 24 HVertrG 1993 verankerten Anspruchsvoraussetzungen des Ausgleichs trägt der Handelsvertreter; gelingt ihm der Beweis für die Zuführung neuer Kunden und der Nachweis der getätigten Geschäftsabschlüsse, so trifft ihn für die restlichen Anspruchsvoraussetzungen eine Beweiserleichterung; den Unternehmer hingegen trifft die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die ihm durch den Handelsvertreter geschaffenen Verdienstchancen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses hinaus keinen Bestand haben. Das Vorbringen eines einen Ausgleichsanspruch fordernden Klägers darf sich daher nicht bloß auf die Darstellung von erwirtschafteten Umsatzsteigerungen und Erhöhungen der Kundenzahlen (iSd § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG 1993) beschränken, sondern hat sich jedenfalls auch mit der Frage auseinanderzusetzen, dass dem Unternehmer (iSd § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG 1993) auch nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erhebliche Vorteile erwachsen können, dass der übergebene Kundenstock also (auch) Stammkunden umfasst, die die Aussicht auf weitere Geschäftsabschlüsse innerhalb eines überschaubaren Zeitraums bieten (3 Ob 222/12m mwN).
Für die Anspruchsvoraussetzung des Provisionsentgangs iSd § 24 Abs 1 Z 3 HVertrG 1993 reicht es grundsätzlich aus, wenn der Handelsverteter die von ihm dem Unternehmer zugeführten Kunden namentlich benennt und die in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Vertretungsvertrages erzielten Provisionseinnahmen anführt (8 ObA 2083/96y mwN).
1.2.2. In casu behauptet die Klägerin, sie habe der Beklagten zwölf näher bezeichnete „Neukunden zugeführt und das gesamte mit diesen Neukunden abgewickelte Geschäft vermittelt“, wobei diese Handelsvertreterleistungen „noch viele Jahre wirken“ würden (ON 5, S 9 unten und S 11 oben); im Übrigen verweist sie in diesem Zusammenhang auf die Beilagen ./R. ./S und ./T (ebenfalls ON 5, S 11 oben).
Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, welche konkreten (also durch die davon umfassten Waren und die vereinbarten Preise spezifizieren) Geschäfte mit welchen konkreten Kunden zustande gekommen sind, und es fehlen auch nachvollziehbare Behauptungen zu daraus ableitbaren konkreten künftigen Geschäftsabschlüssen. Das gilt auch für die genannten Urkunden, die als Teil des Vorbringens einzustufen sind (RS0037420); denn nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut handelt es sich dabei um bloße Planberechnungen.
Darüber hinaus hat die Klägerin auch kein nachvollziehbares Vorbringen zu Provisionen erstattet, die ihren in diesem Verfahren allein relevanten Handelsvertreterdienstleistungen zugeordnet werden könnten. Die von der Klägerin ins Treffen geführte und zwischen den Streitteilen zuletzt vereinbarte, ab 1.1.2016 geltende Entlohnung der Klägerin ist nicht aussagekräftig, zumal sie ein monatliches Brutto-Fixum von EUR 12.000 und eine Erfolgsprämie in Höhe von 1,5 % des gesamten von den Verkaufsabteilungen der Klägerin in einem Wirtschaftsjahr erzielten Deckungsbeitrags umfasste. Damit hing dieses Entgelt nicht (nur) von den Geschäften und/oder Geschäftsbeziehungen ab, für die die Klägerin verdienstlich geworden war (also von den von der Klägerin erbrachten Handelsvertreterdienstleistungen), sondern diente der Abgeltung aller Leistungen, die die Klägerin aufgrund des zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrags schuldete (UA S 8 iVm Beil ./B, insb Punkte 1., 6. und 7.).
1.2.3.Aus dem Gesagten folgt, dass kein schlüssiges Vorbringen der Klägerin vorliegt, auf dessen Basis die in § 24 Abs 1 HVertrG 1993 normierten Voraussetzungen dem Grunde nach beurteilt werden könnten. Die Klägerin ist daher der ihr obliegenden, ad 1.2.1. dargestellten Behauptungslast nicht nachgekommen. Da die Beklagte auf diesen Umstand bereits im erstinstanzlichen Verfahren hingewiesen hat, kann eine Anleitung der Klägerin zur Vervollständigung ihrer Ausführungen unterbleiben (RS0037300 [T41]). Vielmehr ist das Klagebegehren nun in Stattgebung der vorliegenden Berufung schon allein wegen der Unschlüssigkeit der Klagserzählung abzuweisen.
2. DieKostenentscheidungen beruhen auf § 41 ZPO bzw. §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
3.Die ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.