3R111/25b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Müller und den KR Braimeier in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Martin Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Gartner – Humpel Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 43.200,-- s.A., über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18.6.2025, **-18, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 3.688,32 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten EUR 614,72 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat der C* GmbH (in der Folge kurz: Schuldnerin) Bestandobjekte vermietet. Die Beklagte ist die alleinige Gesellschafterin der Schuldnerin, D* ist der alleinige Geschäftsführer sowohl der Beklagten als auch der Schuldnerin.
Die Klägerin hat gegen die Schuldnerin mehrere Gerichtsverfahren anhängig gemacht, insbesondere auch Mietzins- und Räumungsklagen, welche Verfahren noch anhängig sind.
Am 6.8.2024 hat das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu ** auf Antrag der Klägerin als betreibende Partei einen rechtskräftigen und vollstreckbaren Beschluss gefasst, womit der Schuldnerin als verpflichtete Partei aufgetragen wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens ** des BG Innere Stadt Wien (Gegenstand jenes Verfahrens ist die Aufkündigung des Bestandverhältnisses mit der Schuldnerin durch die Klägerin) eine Sicherheitsleistung von EUR 100.000,-- an das Gericht auf Parteigelder zu zahlen. In der Begründung führte das Exekutionsgericht aus, dass die Auferlegung einer Sicherheit für den durch künftiges Zuwiderhandeln entstehenden Schaden gemäß § 355 Abs 2 EO ein zusätzliches Exekutionsmittel sei. Die Voraussetzung eines Zuwiderhandelns des Verpflichteten gegen den Exekutionstitel habe die Klägerin ausreichend aufgezeigt, sollen doch, gegen den Exekutionstitel verstoßend, am 24.7.2024 wieder ungelernte Hilfskräfte im Auftrag der Verpflichteten im Bestandobjekt tätig gewesen sein, welche die Sanitärinstallationen abgebrochen haben, wobei sie wiederholt einen Wasserschaden im darunter liegenden Stockwerk verursacht haben. Die betreibende Partei habe in ihrem Antrag die Höhe des jedenfalls zu erwartenden Schadens an der Holztramdecke lebensnah mit EUR 100.000,-- konkretisiert.
In weiterer Folge wurde der Klägerin als betreibende Partei gegen die Schuldnerin als verpflichtete Partei die Fahrnis- und Forderungsexekution bewilligt zur Hereinbringung einer Kapitalforderung von EUR 100.000,--, zu zahlen an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien.
Mit ihrer Klage vom 5.9.2024 begehrt die Klägerin , die Beklagte zu verpflichten, EUR 43.200,-- s.A. an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu zahlen. Sie habe gegen die Schuldnerin eine fällige und vollstreckbare Forderung auf Leistung einer Sicherheit von EUR 100.000,-- an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien und führe deshalb erfolglos Exekution gegen die Schuldnerin. Es sei nicht anzunehmen, dass diese Exekution zur Befriedigung der Titelschuld führen werde.
Die Beklagte sei die Alleingesellschafterin der Schuldnerin. Der alleinige Geschäftsführer beider Gesellschaften habe von einem befreundeten Künstler in der Lobby des Hotels ein Graffiti anbringen lassen, welches für die Schuldnerin keinen Wert habe. Um der Schuldnerin Liquidität zu entziehen und um Gläubiger zu benachteiligen habe die Beklagte der Schuldnerin für dieses Graffiti EUR 43.200,-- brutto verrechnet, welchen Betrag die Schuldnerin auch bezahlt habe.
Die Klägerin habe der Beklagten am 11.3.2024 gemäß § 444 EO mitgeteilt, dass sie die Anfechtung dieses Vertrages beabsichtige. Es liegen die Anfechtungstatbestände des § 439 Z 1, Z 2 und Z 4 EO vor, die Anfechtungsfrist sei seit dem 18.3.2024 gemäß § 444 EO gehemmt. Die Klägerin fechte den Kaufvertrag zwischen der Schuldnerin und der Beklagten an und begehre die Zahlung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Es handle sich um ein an die Wand gespraytes Graffiti, das wegen der Verbindung mit dem Gebäude im Eigentum der Klägerin stehe. Außerdem sei der Kaufvertrag ein In-Sich-Geschäft gewesen. Die Sicherheitsleistung solle Ansprüche der Klägerin gegen die Schuldnerin besichern, dabei handle es sich daher um einen Vermögensvorteil zu Gunsten der Klägerin.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Die Klägerin habe keine fällige und vollstreckbare Forderung gegen die Schuldnerin, schon deshalb sei das Klagebegehren nicht berechtigt. Das Kaufgeschäft stamme vom März 2023, die von der Klägerin vorgetragene Forderung, die ihr allerdings gar nicht zustehe und die auch nicht an sie zu zahlen sei, sei erst im August 2024 entstanden. Es sei unmöglich, dass schon im März 2023 eine Benachteiligungsabsicht und eine Gläubigerbenachteiligung wegen einer Forderung bestanden haben könnte, die erst knapp eineinhalb Jahre später entstanden sein soll. Außerdem sei die Rechnung gar nicht bezahlt worden, somit sei der Schuldnerin auch keine Liquidation entzogen worden. Inzwischen sei der Kaufvertrag wegen Nichtzahlung des Kaufpreises aufgelöst worden. Im Übrigen liege auch keine Vermögensverschleuderung vor, weil das Gemälde laut einem Bewertungsgutachten EUR 30.000,-- netto wert sei. Dabei handle es sich um ein Gemälde der Größe von 3,5 x 2,5 m, an welchem der Künstler 3 Wochen gearbeitet habe; dieses Gemälde könne von der Wand entfernt werden, es sei daher eine bewegliche Sache.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es stellte den am Beginn dieser Entscheidung bereits auszugsweise wiederholten, auf den Seiten 4 bis 9 des angefochtenen Urteils wiedergegebenen Sachverhalt fest, worauf verwiesen wird. In seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass es sich bei der Verpflichtung der Schuldnerin, im Exekutionsverfahren eine Sicherheitsleistung im Sinne des § 355 Abs 2 EO bei Gericht zu hinterlegen, um keine vollstreckbare Forderung der Klägerin als Gläubigerin iSd § 443 Abs 1 EO handle. Es steht noch keineswegs fest, dass die Klägerin überhaupt einen auch nur teilweisen Anspruch auf diese Sicherheitsleistung habe bzw. haben werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Klägerin argumentiert in ihrer Rechtsrüge, dass gemäß § 443 EO zur Anfechtung jeder Gläubiger befugt sei, dessen Forderung vollstreckbar sei. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt, zumal § 443 EO nicht differenziere, ob der Kläger auch Leistungsempfänger sei. Das Recht kenne viele Fälle, in welchen ein Gläubiger nur Zahlung an einen Dritten verlangen könne, wobei der Dritte oft keinen Anspruch gegen den Schuldner habe. Hier schulde die Schuldnerin die Zahlung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, welches allerdings über die Forderung nicht disponieren könne; dies sei der Klägerin vorbehalten, diese sei also die Gläubigerin der Forderung.
Diese Argumentation ist nicht berechtigt:
2.Der 5. Teil der Exekutionsordnung regelt gemäß seiner Überschrift die Anfechtung von Rechtshandlungen. § 438 EO, die erste Bestimmung dieses 5. Teils, normiert einleitend, dass Rechtshandlungen, die das Vermögen eines Schuldners betreffen, außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den dann folgenden Bestimmungen „zum Zweck der Befriedigung eines Gläubigers angefochten und diesem gegenüber als unwirksam erklärt werden“ können. Nach § 443 Abs 1 EO ist zur Anfechtung jeder Gläubiger, dessen Forderung vollstreckbar ist, ohne Rücksicht auf die Zeit ihrer Entstehung befugt, sofern die Exekution über das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder anzunehmen ist, dass sie zu einer solchen nicht führen würde. Gemäß § 446 EO ist bereits in der Anfechtungsklage anzugeben, in welchem Umfang und in welcher Weise der Beklagte zum Zweck der Befriedigung des Gläubigers etwas leisten oder dulden soll. Gemäß § 447 Abs 1 EO kann der Gläubiger das, was durch die anfechtbare Handlung dem Vermögen des Schuldners entgangen oder daraus veräußert oder aufgegeben worden ist, soweit für sich beanspruchen, als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist; wenn dies nicht tunlich ist, ist Ersatz zu leisten.
3. Aus diesen Bestimmungen ist ganz klar ersichtlich, dass zur Anfechtung nur ein Gläubiger befugt ist, der eine vollstreckbare Forderung gegen den Schuldner hat, die noch nicht beglichen worden ist. Dies entspricht auch den ganz einhelligen Lehrmeinungen, wonach die Anfechtungsbefugnis voraussetzt, dass der Anfechtungswerber eine bestimmte, titulierte Geldforderung gegen einen vom Anfechtungsgegner verschiedenen Schuldner hat ( Sommer in Garber/Simotta, EO § 443 Rz 1; Meisinger in Deixler-Hübner, Kommentar zur EO § 433 Rz 1; Widhalm-Budak, Einzelanfechtung nach der EO 4 , 90). Der Anfechtungsanspruch ist somit akzessorisch zum Bestand der Forderung des Gläubigers gegen eine vom Anfechtungsgegner verschiedenen Dritten ( MeisingeraaO mwN), und zwar insofern, als § 438 EO das Recht auf Anfechtung ausschließlich „zum Zweck der Befriedigung“ einer solchen Forderung einräumt ( Sommer in Garber/Simotta, EO § 433 Rz 2).
Die Klägerin hat aber noch keine titulierte Geldforderung gegen die Schuldnerin – derartiges hat sie jedenfalls nicht behauptet – und ist daher nicht anfechtungsbefugt iSd § 443 EO. In ihrer Mitteilung der Anfechtungsabsicht vom 11.3.2024 ON 10 behauptet sie eine fällige, aber nicht vollstreckbare Forderung auf Bestandzins in der Höhe von rund EUR 800.000,--, weshalb zwei Mietzins- und Räumungsverfahren anhängig seien; eine titulierte Forderung wird damit nicht behauptet. Hier im Verfahren beruft sie sich auf die von ihr erwirkte Verpflichtung der Schuldnerin, eine Sicherheit von EUR 100.000,-- an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu zahlen. Auch wenn die Klägerin zur Erzwingung dieser Verpflichtung der Schuldnerin Exekution führen kann, ist sie – wie das Erstgericht ganz richtig ausgeführt hat – nicht die Gläubigerin dieser Schuld. Es besteht kein Exekutionstitel, auf Grund dessen die Klägerin eine Auszahlung dieser Sicherheitsleistung (sollte sie gezahlt werden) an sich selbst beantragen könnte.
4. Die Klägerin hat gar nicht vorgebracht, wie es zum Auftrag zum Erlag einer Sicherheitsleistung an die Schuldnerin gekommen ist. Aus den Akten ergibt sich, dass die Klägerin im Rahmen des Verfahrens über die Kündigung der Bestandverträge die Erlassung einer einstweiligen Verfügung beantragt hat, mit welcher der Schuldnerin (als Beklagte des Kündigungsverfahrens) geboten werden solle, es zu unterlassen, Arbeiten durch ungelernte Hilfskräfte vornehmen zu lassen, die einem konzessionierten Unternehmen oder die dem Gewerbe der Gas- und Sanitärtechnik vorbehalten sind, und Sanitärinstallation durch ungelernte Hilfskräfte abbrechen und sanieren zu lassen. Später beantragte die Klägerin auch eine zweite einstweilige Verfügung, mit welcher der Schuldnerin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens oder bis zur fachgerechten Abdichtung der im Bestandobjekt gelegenen Sanitärräume verboten werden solle, diese Sanitärräume zu benutzen oder benutzen zu lassen. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß (beiden Provisorialanträgen entsprechend) erlassen. Die Auferlegung der Sicherheitsleistung erging dann im Zusammenhang mit einer Unterlassungsexekution, nachdem die Klägerin als betreibende Partei behauptet hat, dass die Schuldnerin gegen die einstweilige Verfügung verstoßen habe, weil am 24.7.2024 wieder ungelernte Hilfskräfte im Bestandobjekt in deren Auftrag Sanitärinstallationen abgebrochen und dabei einen Wasserschaden verursacht haben.
5. Anders als bei den in der Berufung genannten Beispielen – Zahlung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger, des Versicherers an den Geschädigten oder des Vertragspartners an den Treugeber – soll die C* GmbH mit der Zahlung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien keine Schuld gegenüber der Klägerin begleichen, sondern bloß für einen bestimmten Zeitraum eine Sicherheit für erst noch durchzusetzende Schadenersatzansprüche der Klägerin leisten. Die Klägerin verfügt derzeit aber über keine vollstreckbare Geldforderung gegen die Schuldnerin, Derartiges wird von ihr auch gar nicht behauptet. Das Erstgericht hat daher die Voraussetzungen einer Anfechtung eines Kaufvertrags der Schuldnerin mit der Beklagten zu Recht verneint und die Klage abgewiesen, ohne erst noch zu prüfen, ob dieser Kaufvertrag überhaupt zustande gekommen ist und noch besteht. Der Berufung ist keine Folge zu geben.
6.1Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
6.2 Die Rechtslage ist hier ganz eindeutig, sodass die ordentliche Revision nicht zuzulassen ist.