3R95/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden, die Richterin MMag. a Pichler und den Richter Mag. Resetarits in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Mag. A* , Rechtsanwalt, **, als Masseverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der B* GmbH (** des Handelsgerichtes Wien), wider die beklagten Parteien 1. C*-Holding AG (führendes Verfahren D* des Handelsgerichtes Wien), HRB **, **, Deutschland und 2. E* GmbH (verbundenes Verfahren F* des Handelsgerichtes Wien), HRB **, **, Deutschland, beide vertreten durch Dr. Matthias Klissenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 540.000,-- s.A. (führendes Verfahren) und EUR 30.000,-- s.A. (verbundenes Verfahren), über die Berufung der zweitbeklagten Partei (Berufungsinteresse EUR 30.000,--) gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 29.04.2025, D*-30, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.138,12 (darin enthalten EUR 523,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom **.**.2022, **, wurde über das Vermögen der B* GmbH (in der Folge: Schuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Die Schuldnerin betrieb das freie Gewerbe der Pfandleihe und nahm zur Finanzierung ihres Geschäftsbetriebs qualifizierte Nachrangdarlehen bei privaten Anlegern auf. Die Zweitbeklagte erbrachte mit ihrem Geschäftsführer Dr. G* seit 2018 oder 2019 für die Schuldnerin verschiedene Beratungsleistungen, hauptsächlich im Bereich Marketing.
Im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungen wurden mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 04.03.2020 Vermögenswerte der Schuldnerin beschlagnahmt und deren Bankkonten gesperrt, sodass sie ihre Geschäftstätigkeit praktisch nicht mehr ausüben konnte. Aus diesem Grund vereinbarte sie mit der Zweitbeklagten eine Kooperation. Die Schuldnerin vermittelte der Zweitbeklagten in der Folge Interessenten für Pfandkredite, welche die Zweitbeklagte in der Folge vergab, wobei der Erlös dann jeweils an die Schuldnerin ausgefolgt wurde. Somit betrieb die Zweitbeklagte gewissermaßen das Pfandgeschäft „für die Schuldnerin“, wobei es sich aber nur um einzelne wenige Geschäfte handelte. Aus den Erlösen bezahlte die Zweitbeklagte diverse laufenden Kosten der Schuldnerin, so etwa Telefon-, Anwalts- und Versicherungsrechnungen. Gleichzeitig setzte die Schuldnerin die Rückzahlung von Nachrangdarlehen an ihre Anleger und die Auszahlung von Zinsen aus. Mit einem Teil der Anleger wurden dazu Prolongationsvereinbarungen geschlossen. Im Jänner 2021 wurden die Kontosperren durch die Staatsanwaltschaft aufgehoben und die beschlagnahmten Vermögenswerte der Schuldnerin wieder freigegeben.
Der Geschäftsführer der Zweitbeklagten wirkte im Zeitraum von Dezember 2019 bis März 2021 umfassend an der Erstellung eines neuen Kapitalmarktprospekts für die Schuldnerin mit und war im Zeitraum von Februar 2021 bis Mai 2021 an der Erstellung einer Fortbestandsprognose sowie der Liquiditätsplanung der Schuldnerin beteiligt. Im Zeitraum von März 2021 bis April 2021 war er in Zivilprozesse, die von Anlegern gegen die Schuldnerin geführt wurden, sowie im Zeitraum Jänner 2020 bis Februar 2021 in das Strafverfahren gegen die Schuldnerin bzw den Geschäftsführer der Schuldnerin eingebunden. Während der Zeit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bestand ein Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Geschäftsführern. Ab Mai 2021 verlief sich die Zusammenarbeit zwischen der Schuldnerin und der Zweitbeklagten jedoch, wenngleich ihre Geschäftsführer noch in freundschaftlichem Kontakt blieben.
Am 15.06.2022 überwies der Geschäftsführer der Schuldnerin im Namen der Schuldnerin drei Mal jeweils EUR 10.000,-- mit dem Verwendungszweck „Gemäß Vereinbarung“ vom Geschäftskonto der Schuldnerin an die Zweitbeklagte. Ein Rechtsgrund für diese Überweisungen oder eine Vereinbarung, die sie gerechtfertigt hätte, existierte nicht. Auch eine Gegenleistung der Zweitbeklagten an die Schuldnerin erfolgte nicht (bekämpfte Feststellung) .
Der Klägerbegehrt – soweit im Berufungsverfahren noch gegenständlich – von der Zweitbeklagten die Zahlung von EUR 30.000,-- s.A. Die Schuldnerin sei jedenfalls seit September 2021 zahlungsunfähig und insolvenzrechtlich relevant überschuldet gewesen, was dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten bekannt gewesen sei. Unmittelbar vor Insolvenzeröffnung habe die Schuldnerin den Klagsbetrag aufgrund dem Kläger nicht näher bekannter „Vereinbarungen“ geleistet. Die Zahlungen werden nach den §§ 28 ff IO angefochten. Aufgrund der engen Verzahnung der Zweitbeklagten mit der Insolvenzschuldnerin sei naheliegend, dass der eingeklagte Betrag von der Insolvenzschuldnerin im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der Zweitbeklagten in Begünstigungsabsicht gezahlt worden sei. Es habe gar kein Anspruch der Zweitbeklagten gegen die Insolvenzschuldnerin bestanden und sei bewusst Nichtgeschuldetes geleistet worden.
Die Zweitbeklagte beantragt Klagsabweisung und bringt – soweit noch relevant - vor, die Zahlung von EUR 30.000,-- sei aus der Abtretung eines von der Schuldnerin gewährten Darlehens an die Beklagte (Darlehensnehmer H*) gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht dem Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten statt und wies das gegen die Erstbeklagte erhobene – und im Berufungsverfahren nicht gegenständliche – Klagebegehren rechtskräftig ab. Es stellte den auf den Urteilsseiten 2 und 4 bis 8 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Insbesondere traf es die eingangs zitierte bekämpfte Feststellung. Rechtlich erwog es, nach den Ergebnissen des Beweisverfahren seien die angefochtenen Zahlungen an die Zweitbeklagte ohne Rechtsgrund erfolgt. Es bestehe daher schon nach § 1431 ABGB ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückzahlung. Daneben sei auch der Anfechtungstatbestand des § 29 Z 1 IO erfüllt und liege auch eine innerhalb von sechzig Tagen vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene inkongruente Deckung iSd § 30 Abs 1 Z 1 IO vor.
Gegen den stattgebenden Teil des Urteils richtet sich die Berufung der Zweitbeklagten aus dem Grund der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Die Berufungswerberin begehrt folgende Ersatzfeststellung:
„Die vom Kläger angefochtenen Zahlungen in Höhe von EUR 30.000,- erfolgten nicht rechtsgrundlos, sondern beruhten auf einer Vereinbarung zwischen der beklagten Partei und der Schuldnerin, wonach die Zweitbeklagte Anleger übernommen hatte, die über den Berater H* angeworben worden waren, aus der sich der Anspruch der beklagten Partei auf diese Zahlung ableitete.“
Sie meint, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes sei nicht nachvollziehbar. Wäre das Erstgericht der Aussage ihres Geschäftsführers gefolgt, hätte es die begehrte Ersatzfeststellung treffen müssen.
1.Die Geltendmachung des Berufungsgrunds der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung erfordert die bestimmte Angabe, a) welche konkreten Feststellungen der Rechtsmittelwerber angreift bzw durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, b) weshalb diese Feststellung Ergebnis einer unrichtigen Wertung der Beweisergebnisse ist, c) welche Tatsachenfeststellungen der Berufungswerber stattdessen anstrebt und d) aufgrund welcher Beweise diese anderen Feststellungen zu treffen gewesen wären (RS0041835). Die Ausführungen zur Beweisrüge müssen somit eindeutig erkennen lassen, aufgrund welcher Umwürdigung bestimmter Beweismittel welche vom angefochtenen Urteil abweichenden Feststellungen angestrebt werden (RS0041835 [T2]). Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen (RS0041830). Maßgeblich ist alleine, ob für die richterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden ( Klauser/Kodek 18§ 467 ZPO E 39/1). Die Beweiswürdigung kann daher nur dadurch erfolgreich angefochten werden, dass stichhaltige Gründe gegen deren Richtigkeit ins Treffen geführt werden ( Rechberger in Fasching/Konecny 3§ 272 ZPO Rz 4 ff). Dies gelingt der Berufung jedoch nicht:
2. Das Erstgericht führte in der Beweiswürdigung (US 14) richtig aus, dass die Aussagen des Geschäftsführers der Zweitbeklagten und des Zeugen I* widersprüchlich waren und auch im Widerspruch zum Vorbringen der Zweitbeklagten standen. Zudem liegen auch keine Urkunden vor, die diese Aussagen oder dieses Vorbringen untermauern. Diesen zutreffenden Ausführungen setzt die Berufung nichts Stichhaltiges entgegen. Soweit die Berufungswerberin moniert, das Erstgericht habe nicht dargelegt, welchen objektiven Beweismitteln die Aussage ihres Geschäftsführers widersprochen habe (US 8), ist sie darauf zu verweisen, dass diese Passage in der Beweiswürdigung für die im Berufungsverfahren gegenständlichen Zahlungen nicht von Relevanz ist. Vielmehr hat das Erstgericht zu Recht hervorgehoben (US 14), dass die vom Geschäftsführer als relevant genannte „Aufstellung mit den Nominalen“ im Verfahren gerade nicht vorgelegt wurde. Mit dem Argument des Erstrichters, dass die Aussage ihres Geschäftsführers mit dem Vorbringen der Zweitbeklagten nicht übereinstimmt, setzt sich die Berufung gar nicht auseinander. Der Umstand, dass die Zahlungen mit dem Verwendungszweck „gemäß Vereinbarung“ versehen waren, ist für sich kein geeigneter Anhaltspunkt dafür, dass eine Vereinbarung gerade im Sinne der Aussage des Geschäftsführers der Zweitbeklagten bestand. Auf die Einvernahme des Zeugen H*, der an der Vereinbarung beteiligt gewesen sein soll, hat die Zweitbeklagte verzichtet (S 1 in ON 25.2). Der Berufung gelingt es insgesamt nicht, Bedenken gegen die überzeugende Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu erwecken.
Die Beweisrüge bleibt ohne Erfolg, eine Rechtsrüge wurde nicht ausgeführt.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
4.Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsrüge ausgeführt wurde. Die in der Berufung einzig angegriffene Beweiswürdigung des Erstgerichtes kann im Revisionsverfahren nicht überprüft werden (vgl RS0043371).