Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und andere Angeklagte wegen § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Oktober 2017, GZ ** 156, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der am ** geborene ungarische Staatsangehörige B* wurde mit seit 14. September 2015 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. September 2015, das auch Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall und Abs 2 SMG schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und aktenkonformer Vorhaftanrechnung nach § 28a Abs 1 SMG zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Sanktion von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen (ON 54).
Nach Einholung eines psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens (ON 73) wurde Genanntem mit Beschluss vom 6. Oktober 2015 gemäß § 39 Abs 1 SMG Strafaufschub bis 8. September 2017 gewährt, um sich ambulant (näher definierten) gesundheitsbezogenen Maßnahmen zu unterziehen. Unter einem wurde ihm aufgetragen, binnen eines Monats eine Bestätigung über den Beginn der Behandlung und danach alle zwei Monate über deren Verlauf vorzulegen (ON 82).
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. Oktober 2015, AZ **, wurde die vereinfachte Übergabe des B* an die ungarischen Behörden zur Strafverfolgung und zur Strafvollstreckung angeordnet und Genannter in der Folge am 16. Oktober 2015 den ungarischen Behörden übergeben (ON 86 und ON 88).
Ein Nachweis über die Aufnahme der ambulanten Suchtmittelentwöhnungstherapie wurde von B* nie vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht – im Sinn der ablehnenden Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 155) - fest, dass betreffend B* in Ermangelung des Nachweises einer erfolgreich absolvierten gesundheitsbezogenen Maßnahme die Voraussetzungen des § 40 Abs 1 SMG nicht vorliegen und ordnete den Vollzug des unbedingt verhängten Strafteils an.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des B* (ON 182), in der das Bestehen einer aufrechten Meldung im Bundesgebiet seit Ende 2018 bzw Beginn 2019 und das Fehlen einer Therapiemöglichkeit nach seiner Überstellung nach Ungarn behauptet wird. Nach seiner Enthaftung sei er davon ausgegangen, dass die Sache „erledigt“ sei. Er habe das Haftübel hinreichend verspürt, sei geläutert und mittlerweile Vater einer Tochter. Seit Dezember 2024 sei er bei einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen als Angestellter beschäftigt. Davor habe er durchgehend seit 2019 bei anderen Unternehmen gearbeitet. Er könne nunmehr ab 24. Juli 2025 in seiner Heimat eine Therapie absolvieren.
Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Ist der Aufschub des Strafvollzugs nach § 39 Abs 1 SMG nicht zu widerrufen (§ 39 Abs 4 SMG), oder hat sich ein an Suchtmittel gewöhnter Verurteilter sonst mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen, so hat das Gericht die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen (§ 40 Abs 1 erster Satz SMG). Neben der Erforderlichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen Tatbegehung und Gewöhnung an ein Suchtmittel (RISJustiz RS0119761) ist Voraussetzung für eine bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe nach dieser Bestimmung der Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme (RISJustiz RS0122911). Ein Erfolg liegt dann vor, wenn das spezifische Ziel jener gesundheitsbezogenen Maßnahme, der sich der Verurteilte unterzogen hat, erreicht wurde. Eine Heilung von jeglicher Abhängigkeit ist nicht notwendig. Hat sich der Betroffene keiner gesundheitsbezogenen Maßnahme unterzogen, aber dennoch selbst den Weg aus der Abhängigkeit gefunden („Spontanheilung“ ohne Therapie), ist dem Gesetzeszweck des § 40 SMG (voraussichtliche Abstandnahme von Delinquenz im Zusammenhang mit dem Suchtmittelmissbrauch) entsprochen und die Strafe in analoger Anwendung dieser Gesetzesstelle bedingt nachzusehen ( Schwaighoferin WK² SMG § 40 Rz 9 f).
B* befand sich nach seiner Überstellung in seine Heimat längere Zeit bis Mai 2020 in Haft (Einsichtnahme in die vom Berufungsgericht eingeholte ECRIS Auskunft). Laut seinen Angaben und der Auskunft des Sozialversicherungsträgers ging er in Österreich seit seiner Haftentlassung anfangs gelegentlich, seit Juli 2023 (mit kurzen Unterbrechungen) regelmäßig einer Beschäftigung bei wechselnden Arbeitgebern nach.
Mag auch der Verurteilte seine nunmehrige Bereitschaft zur Absolvierung einer ambulanten Therapie bekundet und diese zwischenzeitig auch schon begonnen haben (Beilagen zur Eingabe vom 25. Juli 2025), besteht aufgrund des langen Zurückliegens der den Verurteilungen des B* zugrundeliegenden Taten und der Tatsache, dass es dem Verurteilten nach der Verbüßung einer langjährigen Freiheitsstrafe nunmehr (jedenfalls) seit zwei Jahren gelungen ist, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen, Klärungsbedarf, ob ohne Absolvierung der gerichtlich angeordneten gesundheitsbezogenen Maßnahmen ein Erfolg im Sinn des § 40 SMG eingetreten ist.
Zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage des Eintritts einer (hinreichenden) Selbstheilung im Sinn des Zwecks des § 40 SMG aufzutragen.
Gegen die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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