JudikaturOLG Wien

18Bs205/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
11. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Primer und Dr. Hornich, LL.M., als weitere Senatsmitglieder in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbotes oder Aufenthaltsverbotes nach § 133a StVG über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 15. Juli 2025, GZ **-3.1, nichtöffentlich den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am ** geborene rumänische Staatsangehörige A*verbüßt in der Justizanstalt * eine über ihn mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 8. Oktober 2024, rechtskräftig seit 11. Oktober 2024, AZ **, wegen der Verbrechen der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB verhängte Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren. Das errechnete Strafende fällt auf den 17. August 2027. Die zeitlichen Voraussetzungen einer bedingten Entlassung gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG werden am 17. August 2025, jene nach 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG am 17. April 2026 erfüllt sein.

Mit dem angefochtenen Beschluss lehnte das Landesgericht Wiener Neustadt als zuständiges Vollzugsgericht – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) - den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug gemäß § 133a StVG (ON 2.3) zum Hälftestichtag aus generalpräventiven Erwägungen ab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des A* (ON 4), der keine Berechtigung zukommt.

Hat ein Verurteilter die Hälfte der Strafzeit, mindestens aber drei Monate verbüßt, so ist nach § 133a Abs 1 StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abzusehen, wenn gegen ihn ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot besteht (Z 1), er sich bereit erklärt, seiner Ausreiseverpflichtung in den Herkunftsstaat unverzüglich nachzukommen und zu erwarten ist, dass er dieser Verpflichtung auch nachkommen wird (Z 2) und der Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (Z 3). Hat ein Verurteilter die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel einer Freiheitsstrafe verbüßt, so ist trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht vorläufig vom weiteren Vollzug der Strafe abzusehen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (Abs 2 leg.cit).

In Bezug auf den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges zehnjähriges Aufenthaltsverbot (ON 2.6), er erklärte sich auch bereit, seiner Ausreiseverpflichtung umgehend nachzukommen (ON 2.3); Anhaltspunkte dafür, dass er dieser Verpflichtung nicht nachkommen werde, liegen nicht vor. Auch stehen der Ausreise des Beschwerdeführers nach dem Akteninhalt weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen.

Der Anwendung des § 133a StVG schon nach der Hälfte der Strafzeit stehen jedoch generalpräventive Erwägungen entgegen.

Das letztlich zu prüfende – und vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde ohne nähere Begründung in Abrede gestellte (ON 4) - Kriterium der Tatschwere ist aufgrund des Ausnahmecharakters restriktiv auszulegen (vgl Birklbauer, SbgK § 46 Rz 73) und stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung [RIS-Justiz RS0091863]) einer Tat ab, der durch Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – somit gewichtige Umstände vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben, wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist ( Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 46 Rz 16; Pieber, WK 2StVG § 133a Rz 18).

Die dem Strafgefangenen zur Last liegenden Verbrechen der Geldfälschung nach § 232 Abs 2 StGB sind mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bedroht. Hierin liegt eine gesetzliche Vorbewertung, die zum Ausdruck bringt, dass es sich dabei um Taten handelt, denen ein hoher sozialer Störwert innewohnt.

Nach dem konkreten Inhalt der Anlassverurteilung hat der Strafgefangene von zumindest 17. März 2023 bis zumindest Ende Mai 2023 in **/Italien (§ 64 Abs 1 Z 4 StGB), ** und an anderen Orten des Bundesgebietes im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit acht weiteren Mittätern in wiederholten Angriffen nachgemachtes oder verfälschtes Geld, und zwar vorrangig Falsifikate von 100-Euro, aber auch 20-Euro- und 50-Euro-Banknoten, im Einverständnis mit einem an der Fälschung Beteiligten (§ 12 StGB) oder einem Mittelsmann mit dem Vorsatz übernommen, es in Österreich als echt und unverfälscht in Verkehr zu bringen, indem zumindest er und vier Mittäter in unterschiedlichen Konstellationen nach **/Italien fuhren, dort täuschend echt aussehende, jedoch falsche 100-Euro-Banknoten im Nominalwert von zumindest 25.000,- Euro von unbekannten Fälschungsbeteiligten oder unbekannten Mittelsmännern dieser übernahmen, das Falschgeld in weiterer Folge nach Österreich einführten und in ** untereinander sowie unter den weiteren Genannten aufteilten, wobei sie dieses sodann an unterschiedlichen Orten des österreichischen Bundesgebietes teils selbst als echt und unverfälscht vorrangig in Lebensmittelgeschäften und Drogerien ausgaben und teils ihre Mittäter bei der Ausgabe unterstützten.

In der grenzüberschreitenden, massiven Delinquenz und im Zusammenwirken zahlreicher Mittäter liegen genau jene gewichtigen Umstände, die sich aus der Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig vorkommenden Begleiterscheinungen solchen strafbaren Verhaltens auffallend abheben und – entgegen dem unsubstantieerten Beschwerdevorbringen - nach den oben dargelegten Kriterien insgesamt eine Schwere der Tat begründen, die im Sinne des § 133a StVG aus generalpräventiven Gründen ausnahmsweise des Vollzugs über die Hälfte der Strafzeit hinaus bedarf, um potenzielle Nachahmungstäter aus dem Verkehrskreis des Verurteilten von der Begehung gleichartiger strafbarer Handlungen abzuhalten und die generelle Normtreue zu festigen.

Gerade bei dieser Art der Kriminalität ist eine konsequente Strafverfolgung unerlässlich, um der Allgemeinheit die soziale Unerwünschtheit derartiger strafbarer Handlungen aufzuzeigen und diese Kriminalitätsform erfolgreich bekämpfen zu können. Hingegen würde ein stark verkürzter Strafvollzug dazu führen, dass Personen aus dem Umfeld des Verurteilten mit einem frühestmöglichen Absehen vom weiteren Strafvollzug rechnen, wodurch die Hemmschwelle zur Straffälligkeit leichter überwunden würde als bei einem die Proportionen von Schuldgehalt und Strafhöhe wahrenden Strafvollzug.

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.