31Bs181/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schwab als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A*nach § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Juni 2025, GZ ** 104, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und an das Erstgericht zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung verwiesen.
Text
Begründun g:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Mai 2021, AZ **, war A* gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 30. November 2022 zu ** wurde A* gemäß § 47 StGB aus dem Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 1 StGB zum Termin 6. Dezember 2022 bedingt entlassen und ihm unter anderem die Weisung erteilt, in einer Nachsorgeeinrichtung der B* GmbH Wohnsitz zu nehmen. Weiters wurde festgestellt, dass der Bund die mit den Weisungen verbundenen Kosten nach Maßgabe des § 179a Abs 2 StVG übernimmt (ON 29).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde – nach Überprüfung der Einkommensund Vermögensverhältnisse des Betroffenen - festgestellt, dass die Kosten des Aufenthaltes in der therapeutischen Wohneinrichtung B* GmbH ab 1. Jänner 2025 vom Bund gemäß § 179a Abs 2 StVG nur mehr teilweise übernommen werden (1). Der bedingt Entlassene habe von seinem Einkommen nachstehende Teilbeträge zu den Kosten der therapeutischen Wohneinrichtung beizutragen: Den 700 Euro monatlich übersteigenden Teil seines Nettoeinkommens (2). Der Restbetrag werde gemäß § 179a Abs 3 StVG vom Bund übernommen. Es sei quartalsweise eine entsprechende Abrechnung samt Einkommensnachweisen dem Gericht vorzulegen (3). Eine zum Jahreswechsel 2024/25 vorgenommene Überprüfung habe ergeben, dass der Betroffene (vgl „zu den tatsächlichen Verhältnissen ab 1.1.2025“ - ON 104,S 3) Mindestsicherung in Höhe von ca 1.300 Euro beziehe, sodass für die Bestreitung des sonstigen Lebensunterhaltes ein monatlicher Beitrag in Höhe von 700 Euro angemessen sei, da aufgrund der teilbetreuten Unterbringung die Kosten für das Wohnen für den Betroffenen zur Gänze abgedeckt seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die - durch B* verfasste und vom Betroffenen unterschriebene rechtzeitige - Beschwerde vom 26. Juni 2025 (ON 106), die – unter Anschluss diverser Bestätigungen des AMS von April und Mai 2025 und eines Bescheides der Stadt ** vom 10. Dezember 2024 - eine Änderung der Einkommensverhältnisse behauptet, da bescheidmäßig die Mindestsicherung vom 1. Jänner bis zum 1. April 2025 abgelehnt worden sei und A* vom 1. bis zum 30. April 2025 lediglich 18 Euro an Arbeitstraining, AMS bezogen und vom 1. bis zum 31. Mai 2025 649,04 Euro sowie vom 1. bis zum 30. Juni 2025 1.024,80 Euro erhalten habe. Der derzeitige Anspruch durch Arbeitslosengeld ende mit 4. Juli 2025, die weiteren Einkommensverhältnisse seien ungeklärt, sobald Klarheit bestehe, erfolge eine neue Bekanntgabe der Einkommensverhältnisse. Unter Berücksichtigung der behaupteten Verhältnisse ab 1. Jänner 2025 werde die Korrektur des genannten Beschlusses begehrt (ON 106). Mit weiterem Schreiben vom 28. Juli 2025 gab die Betreuungseinrichtung bekannt, dass A* ab 4. Juli 2025 keinen Anspruch auf Geldleistungen des AMS habe. Am 7. August 2025 werde ein weiterer AMS Beratungsdienst stattfinden, bei dem es möglicherweise zu weiteren Arbeitstrainings kommen könne, die mit Geldbezug verbunden sein könnten. Insgesamt habe A* im Zeitraum Jänner bis Juni 2025 nur über ein Gesamteinkommen von 1.691,84 verfügt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zu.
Gemäß § 179a Abs 2 StVG hat der Bund die Kosten der Behandlung oder des Aufenthaltes ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn einem bedingt Entlassenen die Weisung erteilt worden ist, sich einer Entwöhnungsbehandlung, einer psychotherapeutischen oder einer medizinischen Behandlung zu unterziehen oder in einer sozialtherapeutischen Wohneinrichtung Aufenthalt zu nehmen, er keinen Leistungsanspruch gegenüber einer Krankenversicherung hat und die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten sein Fortkommen erschweren würde.
Gerichtliche Entscheidungen (§ 35 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StPO) sind rechtsfehlerhaft, wenn die Ableitung der Rechtsfolge aus dem vom Entscheidungsträger zugrunde gelegten Sachverhaltssubstrat das Gesetz verletzt oder die Sachverhaltsannahmen entweder in einem rechtlich mangelhaften Verfahren zustande gekommen oder mit einem formalen Begründungsmangel behaftet und demnach willkürlich getroffen sind (RIS-Justiz RS0126648; Ratz in Fuchs/Ratz , WKStPO § 292 Rz 17).
Ein Beschluss hat gemäß § 86 Abs 1 StPO neben Spruch und Rechtsmittelbelehrung eine Begründung zu enthalten (§ 86 Abs 1 erster und vierter Satz StPO). Die Pflicht zur Angabe des rechtlich als entscheidend beurteilten Sachverhalts umfasst auch jene zur Darlegung der Tatsachen (Beweisergebnisse), auf denen diese Sachverhaltsannahmen beruhen. Erst dadurch wird die Tatsachengrundlage der Entscheidung (§ 35 Abs 2 erster Fall StPO) dahin überprüfbar, ob sie in formal einwandfreier Weise – also ohne Begründungsmängel iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO und demnach nicht willkürlich – geschaffen worden ist (siehe auch § 89 Abs 2a Z 3 StPO; RIS-Justiz RS0126648). Demzufolge verletzen die Tatsachenannahmen eines Beschlusses das Gesetz, wenn sie ein Begründungsdefizit iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufweisen und solcherart als willkürlich zu beurteilen sind (RISJustiz RS0132725; Kirchbacher, StPO 15 § 86 Rz 1/1). Letzteres ist hier der Fall.
Am 16. Jänner 2025 ergab das Auskunftsverfahren für den Zeitraum 1. Jänner 2020 bis 16. Jänner 2025 zu Dienstgebern/auszahlenden Stelle vom 4. Jänner 2024 bis 31. Dezember 2024 durch die ÖGK „KV-Pflichtvers.bedarfs.Mindestsicherung“ für das Jahr 2024 einen Gesamtbetrag von 16.956,67 Euro, wobei die einzelnen monatlichen Zahlungen zusätzlich angeführt wurden (ON 91).
Mit Schreiben vom 12. Februar 2025 wurden der Betroffene und „B*“ aufgefordert, ein vollständiges Vermögens- und Einkommensverzeichnis vorzulegen und hinsichtlich des aktuellen Einkommens Bestätigungen anzuschließen (ON 94). Dazu teilte A* mit, derzeit kein Einkommen zu haben, nicht versichert zu sein und sich auf Arbeitssuche zu befinden (ON 95). „B*“ wiederum berichtete am 7. April 2025 über eine „derzeit geringfügige Beschäftigung (des A*) bei der C*“ (ON 97).
Eine abermals zu A* für den Zeitraum 1. Jänner 2024 bis 16. April 2025 eingeholte Auskunft zu Auszahlungen an den Genannten ergab eine zu ON 91 idente Auflistung für Zahlungen im Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2024 (ON 99). Weitere Zahlungen im Jahre 2025 wurden hingegen nicht angeführt.
Die vom Erstgericht getätigte Nachfrage vom April 2025 (ON 99) ergab – ident mit der Auskunft vom Jänner 2025 (ON 91) – daher auch mit Stand vom 16. April 2025 Auszahlungen (nur) für das Jahr 2024 in gesamter Höhe von 16.956,67 Euro. Der Bezug einer Mindestsicherung ab Jänner 2025 ist der eingeholten Auskunft aber gerade nicht zu entnehmen. Dazu im Einklang brachte der Beschwerdeführer einen Bescheid vom 10. Dezember 2024 über eine Ablehnung der Leistungen aus dem ** Mindestsicherungsgesetz in Vorlage. Überdies verweist der Beschwerdeführer auf Auszahlungen durch das Arbeitsmarktservice, die mit 4. Juli 2025 geendet hätten.
Das Erstgericht ging – ON 91 und 99 zuwider – vom Bezug einer monatlichen Mindestsicherung in Höhe von ca 1.300 Euro aus, die weiteren Angaben von B* zu einer (bloß) geringfügigen Beschäftigung bei der C* wurden nicht weiter in die Erwägungen einbezogen. Nach den in der Beschwerde vorgelegten Unterlagen - im Verein mit den Auskünften ON 91 und ON 99 - ist aber nicht gesichert davon auszugehen, dass der Bezug der Mindestsicherung auch ab Jänner 2025 fortgesetzt worden wäre.
Damit ist der angefochtene Beschluss mit einem Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO; Kirchbacher , aaO § 89 Rz 3/3) behaftet, weshalb mit einer Kassation vorzugehen und dem Erstgericht die neuerliche, begründete Entscheidung aufzutragen ist. Im weiteren Verfahren werden die aktuellen Einkünfte des Betroffenen zu überprüfen sein. Die Angaben des Genannten und der Betreuungseinrichtung sind widersprüchlich und ab Juli 2025 ist die Einkommenssituation völlig unklar – die im Schreiben vom 28. Juli 2025 behauptete Änderung der Einkommenssituation blieb unbelegt - sodass es einer Verfahrensergänzung durch genaue Überprüfung derselben bedarf, um verlässlich darüber absprechen zu können.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.