JudikaturOLG Wien

7Rs22/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
29. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richter Mag. Nigl und Mag. Derbolav Arztmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Böhm und Mag. Natascha Baumann, MA, in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch die Strohmayer Heihs Strohmayer Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, **, wegen Kostenerstattung über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.12.2024, ** 20, sowie den Kostenrekurs der beklagten Partei gegen die in diesem Urteil enthaltene Kostenentscheidung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1.) Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

2.) Dem Kostenrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie zu lauten hat:

„Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens erster Instanz selbst zu tragen.“

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

und

Begründung:

1. Zur Berufung der Klägerin :

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des Ersturteils für zutreffend. Es genügt daher eine auf die wesentlichen Punkte beschränkte Begründung (§§ 2 Abs 1 ASGG, 500a zweiter Satz ZPO).

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, für die am 10.08.2023 durchgeführte radiochirurgische Behandlung (Cyberknife Behandlung bei Akustikusneuronom links) im B* die Mehrkosten von EUR 7.163,18 zu erstatten, ab. Es verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin die mit EUR 2.741,52 bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten EUR 456,92 USt) binnen 14 Tagen ab Rechtskraft zu ersetzen.

Seiner Entscheidung legte es den auf den Urteilsseiten 3 bis 7 wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird. Daraus ist zusammengefasst hervorzuheben:

Im März 2023 wurde bei der Klägerin anlässlich eines MRT ein Akustikusneurinom festgestellt. Bei der Klägerin bestand ein Tumor des 8. Hirnnervs welcher sowohl im inneren Gehörgang als auch im Kleinhirnbrückenwinkel gelegen war.

Am 10.8.2023 wurde bei der Klägerin im B* ambulant eine radiochirurgische Behandlung (Cyber Knife Behandlung bei Akustikusneuronom links) durchgeführt und ihr hierfür der Betrag von EUR 7.513,18 in Rechnung gestellt, welcher von der Klägerin auch beglichen wurde.

Cyber-Knife ist ein Bestrahlungsgerät, welches Radiotherapien computergesteuert und millimetergenau durchführen kann. Es ist konventionellen, in Österreich bereits etablierten Bestrahlungstherapien weit überlegen, weil durch die präzisionsgesteuerte genaue Strahlenapplikation die Nebenwirkungsrate drastisch gesenkt wird. Im Vergleich zur konventionellen Bestrahlung sind keine perifokalen Schäden zu erwarten und es kann gesundes Gewebe geschont werden. Dies ist gerade bei Bestrahlungen im Kopf-Hirn-Bereich von essentieller Bedeutung. Durch die genaue Applikation sind geringere Strahlendosen notwendig und so lässt diese Behandlung auch weitere Therapieoptionen offen. Eine Behandlung mittels Cyber-Knife trägt kein Mortalitätsrisiko in sich. Die Behandlung ist vollkommen schmerzfrei und erfolgt ambulant.

Bei der konkreten Tumorlage und -ausdehnung bei der Klägerin war die Cyber Knife Therapie allen anderen verfügbaren Optionen unbedingt vorzuziehen.

Das Gammaknife ist die in Österreich etablierte Therapie. Das Cyberknife ist eine um Klassen weniger belastende Methode und weiters um Klassen präziser. Es ist beim Cyberknife weniger Strahlenenergie erforderlich und somit der Patient einer geringeren Strahlenbelastung ausgesetzt. Eine Behandlung der Klägerin mittels Gamma-Knife wäre auch deswegen medizinisch nicht zumutbar gewesen, da es in Österreich ein einziges Gamma-Knife gibt. Die Wartezeit auf eine Behandlung hätte bei der Klägerin mehrere Monate betragen. Dies wäre medizinisch nicht zumutbar gewesen, sie war aufgrund des Akustikusneurinoms innerhalb kurzer Zeit bereits ertaubt. Es lag daher ein schneller Verlauf vor. Hätte die Klägerin auf eine Behandlung mittels Gammaknife warten müssen, wäre zu befürchten gewesen, dass der rasch wachsende Tumor eine Größe erreicht, bei dem ein Vorgehen mittels stereotaktischer Radiochirurgie nicht mehr möglich gewesen wäre. Auch eine Lähmung des Gesichtsnervs war zu befürchten. Die Cyber Knife Behandlung war sohin medizinisch indiziert und hat eine, das Maß des Notwendigen nicht übersteigende Krankenbehandlung dargestellt.

In Österreich gab es zum Zeitpunkt des Behandlungserfordernisses der Klägerin keine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit. Das Cyberknife wird sich in Zukunft auch in Österreich als die Methode der Wahl zur Radiotherapie von Kopftumoren etablieren. Es gibt eine private Einrichtung in **, die bereits die Behandlungsmöglichkeit mit Cyber-Knife anbietet, ein Vertragsverhältnis zur beklagten Partei besteht nicht.

Mit Bescheid vom 25.4.2024 wurde der Klägerin ein Kostenersatz in Höhe von EUR 350 gewährt. Das Mehrbegehren auf vollständigen Kostenersatz wurde abgewiesen.

Rechtlich folgerte das Erstgericht zusammengefasst und soweit im Berufungsverfahren relevant, die Tatsache, dass eine Behandlung zweckmäßig, ausreichend und notwendig gewesen sei, bedeute noch nicht, dass der Klägerin ein Ersatz der vollen Kosten zustehe.

Nach Abs 2 der Anlage 1 der Satzung der beklagten Partei erstatte die Anstalt im Falle der Inanspruchnahme von Behandlungs-, Untersuchungsmethoden und Leistungen, die als zweckmäßig und das Maß des Notwendigen nicht überschreitend anerkannt werden, die aber in dem im vorstehenden Absatz genannten Gesamtvertrag (in der Honorarordnung) nicht geregelt sind, je Behandlung bzw Untersuchung 60 vH der nachgewiesenen Kosten, höchstens jedoch den Betrag von EUR 350.

Dieser Betrag sei von der beklagten Partei bereits überwiesen worden. Die beklagte Partei sei ihrer Verpflichtung gemäß GSVG und Satzung damit nachgekommen. Eine Verfassungswidrigkeit sei zu verneinen, selbst wenn im gegenständlichen Fall der Kostenersatz lediglich 4,66 % betrage.

Gegen dieses Urteil in der Hauptsache richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, der Berufung Folge zu geben und dem Begehren vollinhaltlich stattzugeben (gemeint das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern); hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht im Berufungsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1.1. Die Berufungswerberin argumentiert zusammengefasst, dass die Anwendung „der Bestimmung der Anlage 1“ lediglich zu einem Kostenersatz in Höhe von 4,66% führen würde, was im Hinblick auch darauf, dass „durch das eingeholte Gutachten nachweislich der Versichertengemeinschaft auch bei voller Kostenerstattung, Kosten erspart wurden“, als unbillig und nicht angemessen erscheine.

Es erscheine äußerst unsachlich, dass bei einer im Ergebnis für die, für den Patienten und die Versichertengemeinschaft günstigeren Behandlung im Ausland, im Verhältnis zum Inland, nur ein Anteil von 4,66% der Behandlungskosten ersetzt werde. Der Patient werde unbillig und unsachlich mangels Kostenübernahme benachteiligt.

Es könne auch nicht Sinn und Zweck der Regelung sein, dass die zu behandelnden Patienten abzusehende Folgeschäden in Kauf nehmen müssten im Verhältnis zu einer besseren und günstigeren Behandlungsmethode, nur um der Satzung des Versicherungsträgers zu entsprechen und damit keine Kosten tragen zu müssen. Das würde auch einer ökonomischen und zweckmäßigen Verwendung der bezahlten Beiträge der Versichertengemeinschaft widersprechen. Ebenso wie das nachlässige Nichtabschließen von Verträgen zum Kostenersatz an die behandelnden Ärzte für in Österreich etablierte Behandlungen.

Angeregt werde daher auch ein Prüfungsverfahren bezogen auf die Gesetzmäßigkeit der Satzung der Beklagten beim Verfassungsgerichtshof einzuleiten, zumal insbesondere die Begrenzung mit einem Maximalbetrag von EUR 350 als unbillig und unsachlich bei klar besseren und günstigeren Behandlungsmethoden erscheine.

Weiters sei zu berücksichtigen, dass 60% der nachgewiesenen Behandlungskosten (Ersatz gemäß Satzung der Beklagten) der besseren und günstigeren Behandlung im Ausland unter Umständen unter 80% der angefallenen Behandlungskosten betragen könnten. Somit leide das Urteil unter sekundären Feststellungsmängeln zu den konkreten Kosten der von der Beklagten zu übernehmenden/bezahlenden teureren und schlechteren Behandlungsmethode der Gammaknife Behandlung in Österreich.

Dem kommt keine Berechtigung zu.

1.2. Die Leistungen der Krankenbehandlung - ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe - werden dem Versicherten entweder als Sachleistungen oder in Form der Kostenerstattung zur Verfügung gestellt. Ist der Krankenversicherungsträger nicht in der Lage, Sachleistungen zur Verfügung zu stellen, so tritt an deren Stelle die Erbringung von Geldleistungen (Kostenerstattung). Bei der Kostenerstattung hat der Versicherte die gewünschte Leistung selbst am Markt zu besorgen; die Sozialversicherung leistet dabei grundsätzlich keine Hilfestellung. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, die vom Versicherten für die Inanspruchnahme von Gesundheitsgütern aufgewendeten Kosten im Nachhinein bis zu einem gewissen Höchstbetrag zu erstatten.

Während für die ASVGVersicherten ein eindeutiger Vorrang der Sachleistungsvorsorge gegeben ist, ist das Sachleistungsprinzip im GSVG deutlich schwächer ausgeprägt. So sieht § 85 Abs 4 GSVG ausdrücklich vor, dass vertragliche Regelungen für einzelne Versichertengruppen oder bestimmte Leistungen nicht bestehen. Das GSVG geht also selbst davon aus, dass die Gesamtverträge „lückenhaft" sein können, indem sie nicht alle Versicherten und nicht alle Leistungen umfassen (vgl 10 Obs 182/08z mwN).

Gemäß § 85 Abs 4 GSVG sind - soweit vertragliche Regelungen für alle oder einzelne Gruppen von Versicherten oder für bestimmte Leistungen nicht bestehen - anstelle von Sachleistungen Geldleistungen durch Kostenersätze nach Maßgabe der Bestimmungen des Abs 2 lit c zu gewähren. Gemäß § 85 Abs 2 lit c GSVG erhält der Geldleistungsberechtigte Kostenersatz für ärztliche Hilfe nach einem Vergütungstarif, der einen Bestandteil der Satzung darstellt, bis zur Höhe von 80 vH der dem Versicherten für die jeweilige Leistung erwachsenden Kosten.Aus diesen Bestimmungen zeigt sich deutlich, dass der Gesetzgeber dort, wo er einen vertragsfreien Raum vorsieht bzw für möglich hält, Vorsorge durch Kostenerstattung trifft. Bei sogenannten „außervertraglichen" Leistungen sind daher anstelle von Sachleistungen Kostenersätze nach Maßgabe des § 85 Abs 2 lit c GSVG zu gewähren. Das heißt, der Krankenversicherungsträger kann einen Vergütungstarif festlegen, der einen Bestandteil der Satzung bildet. Obergrenze dafür sind 80 % der den Versicherten erwachsenden Kosten.

Das heißt, der Krankenversicherungsträger kann einen Vergütungstarif festlegen, der einen Bestandteil der Satzung bildet. Dieser Vergütungstarif ist in der Anlage 1 der Satzung der beklagten Partei näher geregelt (vgl OLG Graz 7 Rs 4/19s).

1.3. Der OGH hat es in seiner Entscheidung 10 Obs 182/08z im Anwendungsbereich des GSVG für unbedenklich erachtet, wenn die Anwendung des in der Anlage zur Satzung der beklagten Partei festgesetzten Höchstbetrages dazu führt, dass dem Versicherten (nur) ein Teilbetrag der tatsächlich von ihm getragenen Kosten ersetzt wird. Es macht nach dieser Entscheidung keinen Unterschied, ob eine bestimmte neue Behandlungs- bzw Untersuchungsmethode in Österreich zwar grundsätzlich erbracht wird, die beklagte Partei jedoch keine vertragliche Leistungserbringung mit einem potentiellen Leistungserbringer vereinbart hat, oder ob diese bestimmte Behandlungs- bzw Untersuchungsmethode in Österreich grundsätzlich nicht erbracht wird und daher auch keine vertraglichen Regelungen bestehen können. Es erscheint demnach bei der gebotenen Durchschnittsbetrachtung nicht unsachlich, dass insbesondere bei sehr teuren außertariflichen Behandlungen im Ausland der Kostenerstattungstarif der Satzung allenfalls auch nur einen geringeren Teil der tatsächlich entstandenen Kosten abdeckt, wenn – wie auch im vorliegenden Fall - für die beklagte Partei keine Verpflichtung bestand, Verträge mit Einrichtungen der Krankenbehandlung im Ausland abzuschließen, um Sachleistungen im Ausland anbieten zu können.

Pfeil(DRdA 2011/13) verweist in seiner Glosse zu 10 ObS 182/08z, darauf, dass es besonderer Anhaltspunkte bedürfte, dass der durch das Gesetz der Satzung eingeräumte Spielraum sonst in einer gesetzwidrigen Weise genutzt wurde, insbesondere sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Als Determinanten dafür würden in § 85 Abs 4 letzter Satz GSVG die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und das wirtschaftliche Bedürfnis des Versicherten genannt. Der OGH erachte diese Eckpunkte - unter Hinweis auf die regelmäßig gebotene Durchschnittsbetrachtung - für in ausreichendem Maße berücksichtigt und die Begrenzung der Kostenerstattung nicht für unsachlich. Es sei zwar zwangsläufig spekulativ darüber nachzudenken, wo die Untergrenze für eine (zumindest im Durchschnitt) noch zu rechtfertigende Kostenerstattung liegen müsste, es scheine aber durchaus vertretbar, diese Grenze im Kontext des GSVG niedriger anzusetzen als in der Krankenversicherung nach dem ASVG. Für eine weitergehende Umsetzung des Sachleistungsprinzips Sorge zu tragen bzw die Grenzen für Kostenerstattungsansprüche strenger zu formulieren, sei zuallererst Aufgabe des Gesetzgebers und der Gesundheitspolitik.

Der Entscheidung 10 ObS 85/10p lag zugrunde, dass der dortige Kläger sich in ** erfolgreich der Cyberknife-Behandlung unterzogen und EUR 15.245,84 für die Behandlung mit dem Cyberknife bezahlt hatte, wobei ihm von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter ein Kostenbeitrag in Höhe von EUR 294,75 gewährt wurde. Der OGH sprach aus, dass der dortige Kläger keinen über den satzungsmäßigen Anspruch nach § 14 der Satzung der BVA 2005 hinausgehenden Kostenerstattungsanspruch hatte.

1.4. Den Krankenversicherungsträger trifft nicht die Pflicht, im Falle „außervertraglicher“ (= vom Gesamtvertrag nicht umfasster und daher nicht als Sachleistung in Betracht zu ziehender) Leistungen, die dem Versicherten entstandenen Behandlungskosten zur Gänze zu tragen. Eine solche Pflicht ließe das – das sozialversicherungsrechtliche Leistungssystem beherrschende – Sachleistungsprinzip nämlich von Vornherein als überflüssig erscheinen. Auch der Umstand, dass eine „außervertragliche“ Behandlung, der sich der Versicherte unterzogen hat, medizinisch notwendig und zweckmäßig, allenfalls auch mit niedrigeren Kosten als die sonst üblichen Behandlungsmethoden verbunden war, kann an diesem Ergebnis nichts ändern, weil die medizinische Notwendigkeit einer ärztlichen Leistung stets Leistungsvoraussetzung für den Krankenversicherungsträger ist und daher – bei Fehlen einer den Träger treffenden Pflicht, die in Rede stehende Leistung als Sachleistung zu erbringen – über das Ausmaß der zu erbringenden Geldleistung nichts auszusagen vermag (vgl OLG Graz 7 Rs 66/12y, 10 ObS 182/08z).

Die Ausführungen der Berufungswerberin zu den Kosten und zur Erforderlichkeit der Behandlung gehen damit ins Leere.

1.5. Die hier zugrunde liegende Kostenerstattungsregel ist nicht unsachlich. Die Bindung des Normgebers durch den Gleichheitsgrundsatz, der verlangt, unter Berücksichtigung wesentlicher Sachverhaltsunterschiede durch Anordnung entsprechend unterschiedlicher Rechtsfolgen Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich zu behandeln, mündet in der neueren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in verstärktem Maß in ein allgemeines Sachlichkeitsgebot. Es ist dem Normgeber - abgesehen vom Fall eines Exzesses – aber durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielsetzungen auf die ihm geeignete Art zu verfolgen.

Das allgemeine Sachlichkeitsgebot besagt, dass Regelungen in einer die tatsächlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Weise in sich stimmig und in einer zur Erreichung des betreffenden Ziels adäquaten Weise ausgestaltet sein müssen. Für die Erreichung der Ziele müssen geeignete Mittel vorgesehen werden. Ob eine Regelung zweckmäßig ist, als befriedigend empfunden wird, ob mit ihr der optimale Weg zur Zielerreichung beschritten wird, sind hingegen Fragen, die nicht unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgebotes zu prüfen sind (vgl Schickmair , Sachlichkeitsgebot im kassenärztlichen Gesamtvertrag, RdM 2023/46). Die Logik des Gleichheitssatzes führt für sich betrachtet zu keinem originären Anspruch auf medizinische Leistungen im Wege der gesetzlichen Krankenversicherung ( Berka , Die Verantwortung des Staates für die medizinische Versorgung, RdM 2019/121).

1.6. Warum vorliegend die angewendeten Kostenersatzregeln „auch einer ökonomischen und zweckmäßigen Verwendung der bezahlten Beiträge der Versichertengemeinschaft widersprechen“ sollen, ist nicht nachvollziehbar und wird in der Berufung auch nicht schlüssig dargelegt. Ein „nachlässiges Nichtabschließen von Verträgen zum Kostenersatz an die behandelnden Ärzte für in Österreich etablierte Behandlungen“ liegt nicht vor. In Österreich gab es zum Zeitpunkt des Behandlungserfordernisses der Klägerin keine gleichwertige Behandlungsmöglichkeit.

1.7. Die sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nur dann vor, wenn Feststellungen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung erforderlich sind, nicht aber wenn das Erstgericht ohnehin ausreichende Feststellungen getroffen hat, mögen diese auch nicht den Vorstellungen der Berufungswerberin entsprechen (vgl RS0053317; 9 ObA 272/01t uva). Ob „60% der nachgewiesenen Behandlungskosten im Ausland unter Umständen unter 80% der im Inland (theoretisch) anfallenenden Behandlungskosten betragen können“ ist im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage irrelevant.

Der unberechtigten Berufung war daher der Erfolg zu versagen.

Ein Kostenzuspruch an die Klägerin käme nur auf der Grundlage des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG in Betracht. Ein derartiger Kostenersatz nach Billigkeit setzt jedoch voraus, dass sowohl tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten des Verfahrens vorliegen, als auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherten einen Kostenersatz nahelegen (10 ObS 63/13g mwN uva). Diese Voraussetzungen sind aber nicht bescheinigt, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung über den Kostenrekurs der beklagten Partei (unten Punkt 2.) verwiesen werden kann.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zur Beurteilung stand.

2. Zum Kostenrekurs:

2.1. Mit der angefochtenen Kostenentscheidung erkannte das Erstgericht die beklagte Partei schuldig, der Klägerin die mit EUR 2.741,52 (darin enthalten EUR 456,92 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen ab Rechtskraft zu ersetzen.

Die Klägerin verweise im Hinblick auf einen Kostenersatz nach Billigkeit darauf, dass aufgrund der Komplexität und ihrer finanziellen Situation ein Kostenersatz geboten wäre. Diese rechtlichen Schwierigkeiten weise das Verfahren tatsächlich auf. Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin rechtfertigten ausnahmsweise einen Kostenersatz nach Billigkeit.

Gegen diese Kostenentscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Kostenpunkt dahingehend abzuändern, dass die Klägerin die Verfahrenskosten selbst zu tragen habe; in eventu dass die beklagte Partei nur zur Tragung der Hälfte der Verfahrenskosten auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 350, in Höhe von EUR 349,03 (darin enthalten € 58,17 USt) verpflichtet sei.

Die Klägerin hat sich am Kostenrekursverfahren nicht beteiligt,

Der Rekurs ist berechtigt .

Gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG hat der Versicherte einen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit, wenn er zur Gänze unterliegt; dabei ist besonders auf die tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten Bedacht zu nehmen.

Tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten eines Verfahrens iS des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG liegen nur bei von der Masse der Sozialrechtssachen mit üblichem Streitgegenstand abweichenden Fällen vor, in denen es der Gesetzgeber für möglich hält, dass die besondere richterliche Anleitungspflicht in Arbeits- und Sozialrechtssachen aus Gründen der richterlichen Objektivität nicht ausreichend wirksam werden kann und deshalb eine rechtskundige Parteienvertretung zweckmäßig ist.

Das Kriterium der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens iS des § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG wird dann als erfüllt angesehen, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 502 Abs 1 ZPO abhängt ( Mayr, Arbeitsrecht § 77 ASGG E 8b f; RS0085781)). In der Rechtsprechung wurde etwa in folgenden Fällen das Vorliegen von Billigkeitsgründen in diesem Sinne bejaht: rechtliche Schwierigkeiten (10 ObS 102/91); Fehlen höchstgerichtlicher Judikatur (10 ObS 97/92); Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung (10 ObS 423/02g); Zulassung der ordentlichen Revision durch das Berufungsgericht (10 ObS 215/95).

Es braucht nicht abschließend geprüft werden, ob die Voraussetzung der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten hier erfüllt sind. Ein Kostenersatz nach Billigkeit setzt nämlich voraus, dass neben tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens zusätzlich auch Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherten vorliegen, die einen Kostenersatz nahelegen (vgl Sonntag in Köck/Sonntag, ASGG § 77 Rz 21).

Es ist Sache der Versicherten, Umstände, die einen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, vor Schluss der der Entscheidung über den Kostenersatz unmittelbar vorangehenden Verhandlung geltend zu machen und zu bescheinigen (vgl 10 ObS 106/03s), es sei denn, diese ergeben sich aus dem Akteninhalt ( Neumayr in ZellKomm 3§ 77 ASGG Rz 13; Mayr, Arbeitsrecht § 77 ASGG E 9; RS0085829).

Die Klägerin hat einen Bescheid vorgelegt, aus dem sich eine Alterspension von monatlich EUR 1.953,10 ergibt. Daraus ergibt sich aber auch, dass die Klägerin im Kalenderjahr 2022 neben dem Bezug der Alterspension eine pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Der vorgelegte Kontoauszug weist einen Gesamtkontostand: von – EUR 5.413,33 aus, aus den Überweisungen ist ersichtlich, dass vom Konto der Klägerin eine Rechtschutzversicherung sowie Versicherungen für ein KfZ und ein Objekt in „**“ geleistet wurden.

Damit wurden von der Klägerin Einkommens- und Vermögensverhältnisse, die einen Kostenzuspruch rechtfertigen könnten, weder in substanziierter Form behauptet, noch insbesondere bescheinigt. Aus der Aktenlage ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch trotz Unterliegens rechtfertigen können. Die zitierten vorgelegten Belege lassen keine Beurteilung der aktuellen Einkommenslage (insbesondere auch zu einer möglichen pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit) und umso weniger der konkreten Vermögensverhältnisse der Klägerin zu.

Es war daher dem Kostenrekurs der beklagten Partei Folge zu geben.

Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.