JudikaturOLG Wien

32Bs106/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Vetter und die fachkundige Laienrichterin Hofrätin Mag. Killinger, BA MA als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über 1.) die Beschwerde des Genannten und 2.) die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 27. Februar 2025, GZ *6, nach § 121b Abs 2 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Den Beschwerden wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen .

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht eine Beschwerde des A* vom 6. November 2024 (ON 1.3 S 1 bis 5) gegen die Erledigung des Anstaltsleiters der Justizanstalt Klagenfurt vom 28. Oktober 2024 (ON 5 S 6) als unzulässig zurück.

Das Vollzugsgericht hielt wortwörtlich fest wie folgt:

A* verbüßt seit seiner Überstellung am 19. September 2024 eine zeitliche Freiheitsstrafe in der Justizanstalt Klagenfurt.

Mit seiner Beschwerde vom 6. November 2024 (Datum des Einlangens 6. November 2024) bringt A* vor, er sei aufgrund einer Belagsverweigerung am 20. September 2024 abgesondert worden. Dieser Umstand habe den Nachteil mit sich gebracht, dass man für die Zeit dieser Absonderungsart vom Recht auf Besuchsempfang und Telefongespräche ausgeschlossen sei. Es gäbe jedoch auch im Rahmen der Absonderung keine Möglichkeit, das Recht auf Briefverkehr einzuschränken.

Er habe (namentlich nicht genannte) Justizwachebeamte am 20. September und 21. September 2024 gebeten, ihm entweder ein Telefongespräch mit seinem Rechtsanwalt zu ermöglichen, oder ihm Schreibzeug und Briefpapier auszufolgen, dies sei ihm jedoch verweigert worden. Auch am 22. September 2024 und 23. September 2024 habe er die Justizwachebeamten mehrfach um Ausfolgung von Schreibzeug und Briefpapier ersucht, dies zum Zwecke des Verfassens von Briefen und zur Erstellung von Notizen. Auch an diesen Tagen sei ihm dies verweigert worden. Am 23. September 2024 gegen 12.00 Uhr sei er in den normalen Standardbelag verlegt worden. An diesem Tag sei ihm auch sein persönliches Schreibzeug ausgefolgt worden. Sein Briefpapier habe er jedoch nicht enthalten. Er ersuchte daher die Justizwachebeamten der Abteilung um Ausfolgung von Briefpapier. Diesem Ansuchen wäre nicht nachgekommen worden. Darüber habe er sich beim Anstaltsleiter beschwert.

Am 28. Oktober 2024 habe der Anstaltsleiter eine Sammelentscheidung verkündet (siehe dazu ON 5). In dieser werde unter Eingabe 12 (siehe dazu ON 5, Seite 6 am Ende) ausgeführt, spitze Gegenstände könne man während der Absonderung nicht ausfolgen. Zusammengefasst sei seine Beschwerde vom 30. September 2024 vom Anstaltsleiter abgewiesen worden.

Er stelle daher den Antrag, das Landesgericht für Strafsachen Graz wolle in Stattgebung der Beschwerde feststellen, dass er aufgrund des Verhaltens von Justizwachebeamten am 20. September 2024, 21. September 2024, 22. September 2024 und 23. September 2024 in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Briefverkehr verletzte worden wäre.

Der Leiter der Justizanstalt Klagenfurt erstattete dazu seine Stellungnahme vom 20. Februar 2025 (ON 1.4) und bringt darin vor, A* sei vom 20. September 2024 bis 23. September 2024 in einer besonders gesicherten Zelle untergebracht gewesen, aus der alle Gegenstände entfernt wurden, mit denen Strafgefangene Schaden anrichten könne. In dieser Zeit werden auch keine spitzen Gegenstände, wie Kugelschreiber oder Bleistifte an die Insassen der besonders gesichterten Zelle ausgefolgt. Die Ausfolgung des eigenen Papiers aus dem Depositenmagazin hätte ein Rapport-Ansuchen erfordert. Ein solches liege in den Vollzugsakten nicht auf. Die Beschwerde des A* gegen Justizwachebeamte habe somit keinen Anlass für aufsichtsbehördliche Maßnahmen ergeben.

A* erstattete dazu seine Gegenäußerung vom 23. Februar 2025 (ON 4). Inhaltlich deponierte er zunächst neuerlich, dass ihm die Ausfolgung vom Schreibzeug durch Justizwachebeamte verweigert worden wäre. Im Übrigen habe es sich bei seiner ursprünglichen Beschwerde um eine Administrativbeschwerde, und nicht um eine Aufsichtsbeschwerde gehandelt.

Aus dem aus einem anderen Akt beigeschafften Aktenbestandteil ON 5, Seite 6, Eingabe 12 ergibt sich, dass A* mit Eingabe vom 30. September 2024 hinsichtlich der Verweigerung des Briefverkehrs eine Beschwerde gegen das Verhalten von Justizwachebeamten einbrachte. Der Leiter der Justizanstalt Klagenfurt verkündete insoweit, dass die Beschwerde abgewiesen werde. Darunter ist aber bei verständiger Lesart nichts anderes zu verstehen, als dass der Leiter der Justizanstalt Klagenfurt tatsächlich keinen Anlass zur Einleitung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen erkannte.

Rechtlich erwog das Erstgericht, dass einer bloßen Mitteilung, dass zu Ergreifung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen kein Anlass erblickt werden könne, jeder rechtsgestaltende oder feststellende Inhalt fehle. Zudem seien Beschwerden trotz der Berührung subjektiv-öffentlicher Rechte als Aufsichtsbeschwerde zu behandeln, wenn der Insasse deutlich mache, das er diese als Aufsichtsbeschwerde verstanden wissen wolle. Bei der Erledigung vom 28. Oktober 2024 handle es sich bloß um eine Mitteilung, wonach für die Erhebung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen kein Anlass bestanden habe. Diese Mitteilung könne nicht mit Beschwerde angefochten werden. Damit korrespondiere auch der eindeutige Beschwerdeantrag des A*, wonach das Vollzugsgericht feststellen möge, dass er aufgrund des Verhaltens von Justizwachebeamten im besagten Zeitraum in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Briefverkehr verletzt worden sei. Für eine solche Feststellung sei das Vollzugsgericht nicht zuständig.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgemäß sowohl von A* erhobene Beschwerde (ON 7) als auch die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz (ON 8).

In seiner Beschwerdeausführung bringt A* im Wesentlichen vor, dass der bekämpften Entscheidung Bescheidqualität zukomme.

Die Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Justiz verweist gekürzt zusammengefasstdarauf, dass der Beschwerdeführer behaupte, durch das Verhalten von Bediensteten in seinem subjektiven Recht auf Briefverkehr verletzt worden zu sein. Es bleibe unklar, gegen welches konkrete Verhalten sich diese Beschwerde gerichtet und ob die Anstaltsleitung die Beschwerde als Aufsichts- oder Rechtsbeschwerde gewertet habe. Ohne diesbezügliche konkrete Feststellungen könne eine rechtliche Überprüfung nicht stattfinden und sei die Entscheidung daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. Die begründungslos gebliebene Ansicht des Vollzugssenats, dass die Abweisung der Beschwerde bei verständiger Leseart dahin zu verstehen sei, dass der Leiter der Justizanstalt Klagenfurt tatsächlich keinen Anlass zur Einleitung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen erkannt habe, könne mit Blick auf das Rechtschutzsystem des StVG, welches bei behaupteter Verletzung subjektiver Rechte durch das Verhalten oder die Anordnung von Strafvollzugsbediensteten auch Rechtsbeschwerden an den Anstaltsleiter vorsehe (über die gemäß § 22 Abs 3 StVG mit Bescheid zu entscheiden sei), nicht geteilt werden.

Der Beschwerde sei daher Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 16a Abs 1 Z 1 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat (Abs 2).

Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere wenn das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.

Die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach Erledigungen nach § 122 StVG keinem Rechtszug unterlägen und daher dagegen erhobene Beschwerden zurückzuweisen seien, ist grundsätzlich richtig, setzt aber voraus, dass das in Rede stehende Anliegen zu Recht als Aufsichtsbeschwerde nach § 122a StVG gewertet wurde. In Fällen, in denen fraglich ist, welchem Rechtsbehelf sich der Strafgefangene bedient, ist für die Qualifizierung eines Anbringens als Administrativbeschwerde oder als Aufsichtsbeschwerde deren tatsächlicher Inhalt (und nicht etwa die Rechtsansicht des Anstaltsleiters) entscheidend und eine Frage der Auslegung im Einzelfall. Es kommt darauf an, ob der Beschwerdeführer erkennbar darauf abzielt, dass eine jeweils bereits individuell eingetretene Rechtsverletzung bescheidmäßig festgestellt wird oder damit die Einleitung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen durch die übergeordnete Behörde anstrebt, etwa künftige allgemeine Missstände abzustellen oder generelle Anordnungen für den Strafvollzug zu bekämpfen ( Drexler/Weger, StVG 5 § 120 Rz 7).

Nach § 121a Abs 1 Z 1 StVG ist zur Erhebung einer Beschwerde berechtigt, wer behauptet , in einem subjektiven Recht nach diesem Bundesgesetz verletzt zu sein.Aufgrund der Titulierung seiner verfahrenseinleitenden Eingabe vom 30. September 2024 als Beschwerde (gemäß §§ 120 Abs 1, 121 ff StVG), dem Behaupten aus dem StVG abgeleiteter Rechte, nämlich auf Verkehr mit der Außenwelt mittels Briefverkehr sowie des Begehrens, wonach festgestellt werden solle, dass er aufgrund des in der Beschwerde näher beschriebenen Verhaltens der Justizwachebeamten vom 20. September 2024 bis 23. September 2024 in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf Verkehr mit der Außenwelt verletzt worden sei (ON 1.3 S 6 ff), besteht kein Zweifel daran, dass A* mit dieser Beschwerde auf eine bescheidmäßige Erledigung abzielte. Folgerichtig hat der Anstaltsleiter mit seiner A* am 28. Oktober 2024 zur Kenntnis gebrachten abweisenden Erledigung (ON 5 S 1 und 6) der Eingabe 12 (vgl dazu auch ON 1.3 S 1) über die Beschwerde vom 30. September 2024 tatsächlich mit Bescheidqualität abgesprochen, zumal damit zum Ausdruck gebracht wird, dass das vom Beschwerdeführer monierte Verhalten der Justizwachebeamten in der Zeit vom 20. September 2024, 9:50 Uhr, bis 23. September 2024, 11:55 Uhr, als berechtigt angesehen wird (Hengstschläger/Leeb, AVG § 58 Rz 10 ff). Darüber hinaus weist auch die Bezugnahme in der Erledigung auf einen Antrag der Partei (hier: „Beschwerde gegen Verhalten von JWB“, „Eingabe 12 vom 30.9.2024“ [ON 5 S 6]) auf einen Bescheidwillen hin (vgl Hengstschläger/Leeb, aaO Rz 9 mwN; vgl OLG Wien etwa AZ 33 Bs 387/16b, zuletzt AZ 32 Bs 357/21s, 32 Bs 360/21g, 32 Bs 365/22v, 32 Bs 69/23s), 32 Bs 134/23z). Die Anmerkung des Anstaltsleiters vom 20. Februar 2025, wonach die Beschwerde keinen Anlass für aufsichtsbehördliche Maßnahmen biete (ON 1.4 S 2), vermag am normativen Inhalt (vgl Hengstschläger/Leeb , aaO Rz 7 mwN) der in Rede stehenden Erledigung nichts zu ändern.

Sohin kann der - diese aufgezeigten Umstände völlig ausblendenden - Entscheidung des Vollzugsgerichts nicht gefolgt werden.

Da nach dem Vorgesagten sohin eine Administrativbeschwerde und keine Aufsichtsbeschwerde nach § 122 StVG vorliegt, war der bekämpfte Beschluss wegen Rechtswidrigkeit gemäß § 121b Abs 2 StVG aufzuheben und die Angelegenheit an das Erstgericht zur neuerlichen (inhaltlichen) Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung, zurückzuverweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.