30Bs164/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht am 21. Juli 2025 durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Mag. Pasching in der Strafsache gegen A*wegen § 107 Abs 1 StGB über dessen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld, Strafe und des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. Mai 2025, GZ **-13.3, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss auf Verlängerung der Probezeit in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Wallenschewski sowie in Anwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Temech durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung
Spruch
I./ zu Recht erkannt:
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird zurückgewiesen , jener wegen Schuld und Strafe wird nicht Folge gegeben.
Der Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folgegegeben, der Privatbeteiligtenzuspruch an B* aufgehoben und die Genannte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II./ den Beschluss gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Weiters wurde er gemäß § 369 Abs 1 iVm § 366 Abs 2 StPO dazu verhalten, binnen 14 Tagen 100 Euro an die Privatbeteiligte B* zu bezahlen.
Unter einem fasste das Erstgericht den Beschluss, vom Widerruf der mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Februar 2024, AZ **, gewährten bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO abzusehen und die Probezeit gemäß § 494a Abs 6 StPO auf fünf Jahre zu verlängern.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 26. März 2025 in ** B* gefährlich mit einer Verletzung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sie nach einem Streit über ihre Reinigungsleistung vor seiner Wohnung aggressiv anschrie und dabei sagte: „I watschn di ob, dass da de Zänt außa fliagn“, ihr also sinngemäß eine Körperverletzung in Aussicht stellte.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht eine einschlägige Vorstrafe und die Begehung während offenen Strafantritts als erschwerend, mildernd hingegen keinen Umstand.
Gegen dieses Urteil richten sich die mit umfassendem Anfechtungsziel unmittelbar nach Verkündung und damit rechtzeitig angemeldete (ON 13.2, 12) und fristgerecht wegen Schuld und Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten (ON 14) sowie die gemäß § 498 Abs 3 StPO implizit als erhoben anzusehende Beschwerde gegen den Beschluss auf Verlängerung der Probezeit.
Rechtliche Beurteilung
Nur der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche kommt Berechtigung zu.
Auf die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit war gemäß §§ 467 Abs 2, 489 Abs 1 StPO keine Rücksicht zu nehmen, weil der Angeklagte weder bei der Anmeldung der Berufung, noch im Rahmen einer schriftlichen Ausführung ausdrücklich erklärte, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich für beschwert erachtet und welche Nichtigkeitsgründe er geltend machen will. Die Berufung wegen Nichtigkeit war daher gemäß §§ 470 Z 1, 489 Abs 1 StPO zurückzuweisen.
Auch der Berufung wegen Schuld kommt keine Berechtigung zu.
Die Einzelrichterin hat nach Einbeziehung des von dem in der Hauptverhandlung vernommenen Angeklagten gewonnenen persönlichen Eindrucks und unter Würdigung aller wesentlichen Ergebnisse des Beweisverfahrens, insbesondere der Aussage der Zeugin B* nachvollziehbar dargelegt, wie sie zu ihren für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen in objektiver und subjektiver Hinsicht gelangte. Dabei setzte sie sich mit der Verantwortung des Angeklagten, der die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht bestritt, lebensnah auseinander und sprach dieser – vor dem Hintergrund der belastenden Aussage des Opfers – in nicht zu beanstandender Weise als bloße Schutzbehauptung die Glaubwürdigkeit ab. Ergänzend konnte sie sich bei ihrer Einschätzung auch auf die Angaben des Zeugen GrInsp C* stützen, der B* unmittelbar nach dem Vorfall aufgelöst und panisch vorfand und bestätigte, dass ihm die Zeugin vom ersten Moment an sowohl von der Drohung als auch von dem ihr kurz danach zugefügten Stoß berichtete.
Die subjektive Tatseite leitete das Erstgericht zulässigerweise aus dem objektiven Tathergang ab (RIS-Justiz RS0116882). Dabei setzte es sich auch mit den Gesamtumständen, insbesondere dem nach außen hin in Erscheinung getretenen aggressiven Verhalten des Angeklagten, der das Opfer in engem zeitlichen Zusammenhang über zwei Stiegen stieß, auseinander und kam nachvollziehbar zum Schluss, dass der Angeklagte die Zeugin durch seine Äußerung mit zumindest einer Verletzung am Körper bedrohen wollte und darauf abzielte, sie dadurch ernsthaft in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Der Rechtsmittelwerber hat der Beweiswürdigung des Erstgerichts nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen, zumal er die Tat nur unsubstantiiert bestreitet, ohne weitere für die Beweiswürdigung relevante Aspekte aufzuzeigen.
Da an der Lösung der Schuldfrage somit keine Bedenken bestehen und es dem Berufungswerber nicht gelingt, Zweifel an der schlüssigen Beweiswürdigung des Erstgerichts zu wecken, musste die Berufung wegen Schuld erfolglos bleiben.
Auch der Berufung wegen Strafe kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst sind die vom Erstgericht im übrigen zutreffend angezogenen besonderen Strafzumessungsgründe dahingehend zu ergänzen, dass der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe zu entfallen hat, weil keine der bisher fünf gerichtlichen Verurteilungen - wobei es sich bei der letzten um eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB handelte - gegen das selbe Rechtsgut gerichtet oder auf gleichartige verwerfliche Beweggründe oder auf den gleichen Charaktermangel iSd § 71 StGB zurückzuführen ist. Die Tatbegehung während eines Strafaufschubs stellt zwar keinen besonderen Strafbemessungsgrund dar, fällt jedoch im Rahmen allgemeiner Strafbemessungskritierien schulderhöhend ins Gewicht (vgl RIS-Justiz RS0090969 [T4]).
Ungeachtet dessen erweist sich die vom Erstgericht verhängte Sanktion im Ausmaß von ohnehin nur einem Drittel der möglichen Freiheitsstrafe ausgehend von der personalen Täterschuld des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt der Tat als angemessen und keiner Reduktion zugänglich. Weder Geldstrafen, bedingte Strafnachsichten, flankierende Maßnahmen wie die Anordnung der Bewährungshilfe und zuletzt auch die Verhängung einer (bislang nicht vollzogenen) Freiheitsstrafe vermochten den Angeklagten nachhaltig zu einem rechtstreuen Verhalten zu bewegen, sodass sich schon aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer Freiheitsstrafe als unumgänglich erweist und ist deren Höhe nicht korrekturbedürftig.
Keine Bedenken bestehen auch gegen den vom Erstgericht gefassten Beschluss auf Verlängerung der Probezeit, bestehen doch insbesondere angesichts der wiederholten Delinquenz gute Gründe für die Annahme, dass es mittlerweile einer längeren Überwachung des Wohlverhaltens des Angeklagten bedarf.
Als zutreffend erweist sich das Rechtsmittel jedoch im Hinblick auf den an B* erfolgten Privatbeteiligtenzuspruch.
Diese schloss sich als Privatbeteiligte mit einen Betrag von 100 Euro als „symbolischer Schadenersatzbetrag für die Unbill, die sie erlitten hat und für die psychischen Schäden“ an (ON 3.2 und präzisiert in ON 13.2, 7 f), wobei der Angeklagten den Schaden nicht anerkannte.
Als mögliche Grundlage für den Zuspruch von Schmerzengeld kommt § 1325 ABGB in Betracht. Eine Verletzung im Sinn dieser Bestimmung ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit. Eine psychische Beeinträchtigung, die bloß in Unbehagen und Unlustgefühlen besteht, reicht jedoch nicht aus, um als Verletzung am Körper angesehen oder einer Verletzung gleichgestellt zu werden (RIS-Justiz RS0030792 inbs [T3]. Psychische Beeinträchtigungen sind nur unter der Voraussetzung ersatzfähig, dass sie krankheitswertige Gesundheitsschäden hervorrufen (RIS-Justiz RS0030778 [T17]). Derartige Umstände wurden jedoch von der Privatbeteiligten weder behauptet, noch hat das durchgeführte Beweisverfahren ein solches Ausmaß einer Beeinträchtigung ergeben.
Der Berufung war daher in spruchgemäßem Ausmaß Folge zu geben.