JudikaturOLG Wien

30Bs150/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
23. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB über die Berufung der Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 13. November 2024, GZ **-31.4, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Edwards im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Beate Stadlmayr und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Elisabeth Gerhards sowie in Anwesenheit der Angeklagten und ihres Verteidigers Mag. Maximilian Lohsmann durchgeführten Berufungsverhandlung am 23. Juni 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen unbekämpft gebliebenen Privatbeteiligtenzuspruch sowie rechtskräftige Freisprüche betreffend die Angeklagte sowie den Mitangeklagten C* enthält - wurde A* B* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1, Abs 4 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem ersten Strafsatz des § 107b Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren und drei Monaten sowie gemäß § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von 1.000 Euro an den Privatbeteiligten D* B* binnen 14 Tagen verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie vom 2. September 2022 bis Mitte Dezember 2023 in ** und an anderen Orten gegen ihren unmündigen Sohn D* B* eine längere Zeit hindurch, nämlich länger als ein Jahr, fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem sie ihm zumindest wöchentlich Ohrfeigen und mehrfach Faustschläge gegen den Körper, insbesondere den Rücken, versetzte, ihn mit Gegenständen wie Krücken, einem Gartenschlauch, einem Stromstecker und einem Schneebesen schlug, an den Haaren zog, auf Reis knien ließ und ihm einmal einen „Schlapfen“ nachwarf.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd, erschwerend hingegen die Tatbegehung zum Nachteil des eigenen Sohnes.

Nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 13. Mai 2025, GZ 14 Os 30/25f-4 (ON 40.1), ist nunmehr über ihre Berufung wegen Strafe (ON 36) zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Grundlage für die Bemessung der Strafe ist die Schuld des Täters. Dabei hat das Gericht die Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auch auf die Auswirkungen der Strafe und anderer zu erwartender Folgen der Tat auf das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft Bedacht zu nehmen. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte (§ 32 StGB).

Zunächst sind die vom Erstgericht herangezogenen besonderen Strafzumessungsgründe wie folgt zu ergänzen:

Der Missbrauch der Autoritätsstellung (§ 33 Abs 2 Z 3 StGB) der Angeklagten als Mutter war zusätzlich zur Angehörigenstellung als aggravierend zu berücksichtigen ( Riffelin WK², StGB § 33 Rz 34/3), wobei diesem Umstand mit Blick auf die Tatbestandselemente des § 107b Abs 3a Z 1 StGB nur marginale Bedeutung zukommt.

Weiters ist zum Nachteil der Angeklagten der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 6 StGB heranzuziehen, beging die Angeklagte die Tat doch teils unter Einsatz zumindest einer Krücke, sohin einer Waffe im funktionalen Sinn (vgl RIS-Justiz RS0134002). Fällt aufgrund des ein Jahr übersteigenden Mindestmaßes der vorgesehenen Freiheitsstrafe – wie gegenständlich der Fall - eine strafbare Handlung nicht mehr unter § 39a StGB, können die Erschwerungsgründe des § 33 Abs 2 zur Anwendung kommen (Einführungserlass zum Gewaltschutzgesetz 2019 BMVRDJ-S 318.040/0016-IV1/2019, 16; Flora in Höpfel / Ratz, WK² StGB § 39a in Rz 15).

Im Rahmen der Gewichtung der Schuld nach § 32 StGB waren auch die dem Tatopfer von der Angeklagten ua durch Schläge mit Krücken oder mit einem Schneebesen zugefügten Körperverletzungen wie Hämatome am Rücken und eine blutende Wunde an der Stirn als aggravierend zu werten (ON 31.4, 84; vgl RIS-Justiz RS0092574 [T6]; RS0090709), bedarf es doch bei der als schlichtes Tätigkeitsdelikt ausgestalteten Bestimmung des § 107b Abs 1 StGB nicht des Eintritts eines auch wie immer gearteten Erfolgs, wie etwa einer Beeinträchtigung der Integrität des Opfers (Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 107b Rz 2; Schwaighoferin WK² StGB § 107b Rz 8).

Nach den Urteilsannahmen hat die Angeklagte nicht nur durch Misshandlungen, sondern auch durch vorsätzliche Körperverletzungen fortgesetzt Gewalt gegen das Tatopfer ausgeübt. Die Erfüllung zweier Alternativen(vgl § 107b Abs 2 erster und zweiter Fall StGB) des alternativen Mischtatbestandes ist somit ebenso schulderhöhend in Anschlag zu bringen (vgl 12 Os 118/13i).

Dem Vorbringen der Berufungswerberin, das Erstgericht habe die Milderungs- und Erschwerungsgründe nicht richtig gewichtet sowie es unterlassen, den Umstand, dass die Angeklagte in ihrer Kindheit selbst Opfer von Gewalthandlungen ihres Vaters geworden sei, mildern zu werten, kann trotz Berücksichtigung der in der unbescholtenen Berufungswerberin gelegenen persönlichen Umstände nicht gefolgt werden.

Mag aufgrund ihrer schwierigen Kindheit und insbesondere auch aufgrund des Todesfalls ihres Ehegatten auch eine Überforderung im familiären Alltag vorgelegen haben, ist diesbezüglich anzumerken, dass eine allfällige mildernde Wirkung im Rahmen der allgemeinen Schuldkriterien des § 32 StGB durch den Vorwurf aufgehoben wird, von den zahlreichen zur Verfügung stehenden niederschwelligen Hilfs- und Unterstützungsangeboten für überforderte oder psychisch belastete Eltern nicht Gebrauch gemacht zu haben.

Ausgehend von den Kriterien des § 32 StGB und unter Berücksichtigung der ausschließlich zum Nachteil der Berufungswerberin korrigierten Strafzumessungslage erweist sich die vom Erstgericht mit Augenmaß verhängte Unrechtsfolge bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe mit Blick auf die Umstände dieses Falles als angemessen und einer Reduktion nicht zugänglich.

Darüber hinaus trägt die verhängte Sanktion auch spezial und generalpräventiven Erfordernissen Rechnung, zumal der Festsetzung adäquater Strafen gerade im Bereich von Straftaten im familiären Umfeld, welche durch die enge Beziehung zwischen Tätern und den Betroffenen oft lange unentdeckt bleiben, besondere Bedeutung zukommt.