32Bs71/25p – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach§ 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A* über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Vollzugsgerichtvom 11. Februar 2025, GZ *-14, in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 121b Abs 3 StVG den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen .
Begründung:
Text
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Erstgericht einer Beschwerde des A* vom 24. Dezember 2024 (ON 1) gegen die dem Leiter des forensisch-therapeutischen Zentrums (FTZ) B* zuzurechnende Entscheidung vom 13. Dezember 2024, dem Beschwerdefüher verkündet am 18. Dezember 2024, mit der dessen Antrag auf Ankauf eines StVG-Kommentars aus Mitteln der Rücklage abgelehnt worden war (ON 5 S 4 und 6), nicht Folge.
Begründend führte das Vollzugsgericht soweit relevant wortwörtlich wiedergegeben aus wie folgt:
Von 22.07.2020 bis 03.07.2024 wurde der Beschwerdeführer in der Justizanstalt * angehalten, seit 03.07.2024 erfolgt der Maßnahmenvollzug im forensisch-therapeutischen Zentrum B* (IVV-Auszug ON 2).
Der Beschwerdeführer betrieb seit März 2023 ein Studium der Rechtswissenschaften, „Bachelor of Laws“, an der C*, dessen Fortsetzung ihm seitens des FTZ B* nach Implementierung der technischen Voraussetzungen in Aussicht gestellt wurde. Der Beschwerdeführer hat derzeit, nämlich zumindest im Wintersemester 2024/2025, nicht vor, das Fernstudium ernsthaft weiterzubetreiben.
Mit schriftlichem Ansuchen vom 28.11.2024 beantragte A* die Genehmigung des Ankaufs des StVG-Kommentars, 5. Auflage, von Drexler/Weger zum Preis von EUR 168,-- aus Mitteln der Rücklage, wobei er zur Begründung ausführte,„Da im Dienstzimmer kein StVG aufliegt und man sich auch keines in der Bibliothek ausborgen kann, fühle ich mich dazu gedrängt, eines von meinem Geld zu kaufen; Bezahlung von der Rücklage, da ich ua die Gesetze kennen muss und um genau zu wissen, was strafrechtlich relevant ist oder auch nicht, um ein straffreies Leben zu führen, ist dies von Belangen für mein weiteres zukünftiges Fortkommen und förderlich sowie dienlich für mein Rechtswissenschaftsstudium!“ (Ansuchen, AS 4f in ON 5).
Mit dem Anstaltsleiter zuzurechnender Entscheidung vom 13.12.2024 wurde diesem Ansuchen mit dem Hinweis,„Kommentar StVG 5/Drexler,Weger gibt es in der Bibliothek 2x zum Ausborgen; von RL nicht vorgesehen; EG und HG verwenden; regelmäßige EG-Einzahlungen“ nicht stattgegeben. Die Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 18.12.2024 verkündet, er verzichtete nicht auf Rechtsmittel (AS 6f in ON 5).
Ein Exemplar des gewünschten Kommentars zum Strafvollzugsgesetz liegt in der Bibliothek des FTZ B* in der aktuellen (5.) Auflage auf und kann von den Insassen entlehnt werden (Bericht des Anstaltsleiters, AS 2 in ON 5). Der Beschwerdeführer erhält regelmäßig Einzahlungen auf sein Eigengeldkonto im Betrag zwischen EUR 60,-- und EUR 100,--. Im Zeitraum von 01.08.2024 bis 04.12.2024 wurde dem Eigengeldkonto ein Gesamtbetrag in Höhe von EUR 507,-- gutgeschrieben (GGV-Kontozeilenliste, AS 8-10 in ON 5).
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die in Klammern angeführten unbedenklichen Beweismittel sowie im übrigen auf folgende
Beweiswürdigung:
Aufgrund der hg Vorverfahren * und * ist gerichtsbekannt, dass der Beschwerdeführer seit März 2023 ein Studium der Rechtswissenschaften, „Bachelor of Laws“, an der C*, betrieben hat, dessen Fortsetzung ihm seitens des FTZ B* nach Implementierung der technischen Voraussetzungen in Aussicht gestellt wurde (Bericht des Anstaltsleiters zu hg *, AS 2 in ON 7). Nachdem der Beschwerdeführer zunächst für das Wintersemester 2024/2025 neuerlich an der C* eingeschrieben worden war, wurde zwischenzeitlich jedoch seine Exmatrikulation mit 31.03.2025 wegen Nichtzahlung von Gebühren und Beiträgen ausgesprochen (Exmatrikulationsbescheid vom 16.08.2024, AS 9 in ON 1 in hg *; vgl auch das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Exmatrikulation, AS 3 in ON 7). Seinen Angaben zufolge plant der Beschwerdeführer, sein Fernstudium im nächsten Semester fortzusetzen. Dass er aber derzeit, nämlich zumindest im Wintersemester 2024/2025 nicht vorhat, das Fernstudium ernsthaft weiterzubetreiben, war zum einen aus seinem Beschwerdevorbringen im gegenständlichen Verfahren zu schließen, wonach sein Studium der Rechtswissenschaften dieses Semester „hinüber“ sei (AS 1 in ON 1), er dieses aber weiterführen werde, sobald er sich wieder anmelden könne (AS 2 in ON 1). Zum anderen wollte der Beschwerdeführer im hg Verfahren * Schadenersatzansprüche geltend machen, sinngemäß weil ihm die Fortsetzung des Studiums wegen der Verlegung und Verzögerungen durch die Vollzugsbehörden praktisch unmöglich gemacht worden sei; da das Wintersemester 2024/2025 schon länger begonnen habe, könne er in Bezug auf Hausarbeiten etc niemals mehr dem Stoff und seinen Verpflichtungen wie Absendearbeiten nachkommen; er werde sich dann erneut für das Sommersemester anmelden (AS 12 in ON 1 in *). Dementsprechend war davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer derzeit, nämlich zumindest im Wintersemester 2024/2025, nicht vorhat, das Fernstudium ernsthaft weiterzubetreiben.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
§ 57 Abs 2 StVG begründet ein subjektiv-öffentliches Recht (= OLG Wien 33 Bs 379/16a) auf freiwillige Teilnahme an einem Fernlehrgang; dabei handelt es sich um ein von einer staatlich anerkannten Bildungseinrichtung angebotenes Heimstudium. Die Bildungseinrichtung muss nicht zwingend in Österreich ihren Sitz haben, aber der Abschluss muss in Österreich anerkannt werden, um von vornherein zu verhindern, dass der Strafgefangene sich unseriösen Anbietern ausliefert. Für die Kostentragung steht dem Strafgefangenen neben dem Hausgeld das Eigengeld und, sofern die Voraussetzungen des § 54a Abs 3 vorliegen, auch die Rücklage zur Verfügung (Drexler/Weger, StVG 5 § 57 Rz 2).
Gemäß § 54 Abs 2 StVG dient die Rücklage unbeschadet des § 54a der Vorsorge für den Unterhalt in der ersten Zeit nach der Entlassung. Ihre Bedeutung liegt in der sozialen Absicherung nach der Entlassung. Durch Zahlungen aus der Rücklage kann deren eigentlicher und in § 54 Abs 2 StVG normierter Zweck unterlaufen werden.
Nach § 54a Abs 1 StVG stehen dem Strafgefangenen das Hausgeld sowie die Hälfte der Rücklage, sofern diese die Hälfte des nach § 291a Abs 1 iVm § 291 der Exekutionsordnung, RGBl Nr. 79/1896, in der jeweils geltenden Fassung, nicht der Pfändung unterliegenden Betrags übersteigt, auch für Leistungen an unterhaltsberechtigte Angehörige oder an Personen, die durch die strafbare Handlung in ihren Rechten verletzt worden sind, sowie zur Schuldentilgung zur Verfügung.
Nach Abs 3 erster Satz leg cit dürfen Strafgefangene außer in den Fällen des Abs 1 sowie des § 54 Abs 2 StVG Hausgeld und Rücklage im Vollzug auch für Anschaffungen verwenden, die ihr Fortkommen nach der Entlassung fördern. Die Entscheidung darüber steht dem Anstaltsleiter zu. Abs 1 bis 3 begründen subjektiv-öffentliche Rechte (Drexler/Weger, aaO § 54a Rz 1).
Der Begriff des Fortkommens nach der Entlassung ist konkret zu verstehen. Die Zahlung muss daher für einen Gegenstand oder eine Leistung verwendet werden, der oder die entweder medizinisch erforderlich ist, um die Arbeitsfähigkeit zu erhöhen, die leichtere Arbeitsvermittelbarkeit bewirkt oder sonst einen konkreten Vorteil für das Bestreben hat, ein rechtschaffenes und den rechtlichen Werten angepasstes Leben zu führen (wdh Rsp OLG Wien 132 Bs 231/18t, 33 Bs 399/16t ua). Darunter fallen beispielsweise alle Formen offizieller Ausbildungsmaßnahmen (= wdh Rsp OLG Wien 132 Bs 231/18t, 33 Bs 399/16t ua). Nicht darunter fallen die Anschaffungen von Büchern zu unverbindlichem Selbststudium oder zur Erhöhung der Allgemeinbildung (OLG Wien 33 Bs 6/16y). Ob bereits (teilweise) aus der Rücklage finanzierte Fortbildungsmaßnahmen auch ernstlich betrieben werden, stellt (auch aus Gründen erzieherischer Beeinflussung) grundsätzlich ein geeignetes Kriterium für die nunmehr zu treffende Entscheidung dar (OLG Wien 33 Bs 16/16w; Drexler/Weger, aaO § 54a Rz 4).
Nach dem festgestellten Sachverhalt absolvierte der Beschwerdeführer seit März 2023 mit dem Fernstudium der Rechtswissenschaften eine solche offizielle Ausbildung, wobei der gewünschte StVG-Kommentar grundsätzlich mit der Ausbildungsmaßnahme in Zusammenhang steht. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer derzeit, nämlich zumindest im Wintersemester 2024/2025, vorhat, das Studium ernsthaft weiterzubetreiben. Vor diesem Hintergrund steht aber auch der begehrte Ankauf des Fachbuchs unter Verwendung von Mitteln der Rücklage derzeit nicht in Zusammenhang mit einer das Fortkommen des Beschwerdeführers fördernden Ausbildungsmaßnahme, sodass der Beschwerde ein Erfolg versagt bleiben musste.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 16 S 3ff), der zusammengefasst ausführt, dass sich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses daraus ergebe, dass der Anstaltsleiter und das Gericht agieren würden wie Erziehungsberechtige, was in vollem Umfang rechtswidrig sei. Die Aussage des Gerichts, eine Weiterführung des Studiums sei in Aussicht gestellt, sei eine reine Pseudologie, denn so lange die Bezahlung der Semestergebühren von der Rücklage mit legistischen Winkelzügen verhindert werde, sei ein Weiterstudium unmöglich. Sohin liege das Nichtteilnehmen am Studienbetrieb am Anstaltsleiter, nicht an ihm. Damit lägen jedoch die Voraussetzungen für den Ankauf der spezifischen Fachliteratur vor. Die vom Anstaltsleiter behaupteten Ausleihexemplare seien hoffnungslos veraltet, denn seit 2022 hätten zumindest zwei Novellierungen stattgefunden. Auch habe das Gericht bestätigt, dass eine Weiterführung des Studiums vorgesehen sei und damit die Vorgaben für einen Ankauf von der Rücklage erfüllt seien.
Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen iSd Gesetzes geübt hat. Gemäß § 16a Abs 3 StVG ist gegen den Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG eine Beschwerde nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Vollzugsgericht von der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, eine solche fehlt oder uneinheitlich ist.
Das Erstgericht geht – aktenkonform dargestellt - davon aus, dass der Anstaltsleiter mit Entscheidung vom 13. Dezember 2024, dem Beschwerdeführer kundgemacht am 18. Dezember 2024 (ON 5 S 6) einem Ansuchen des A* vom 28. November 2024 auf Verwendung von Mitteln der Rücklage zur Anschaffung eines StVG-Kommentars (ON 5 S 4) nicht stattgegeben und der Beschwerdeführer gegen diese Entscheidung eine mit 24. Dezember 2024 datierte, an das Landesgericht für Strafsachen Wien gerichtete und nach Weiterleitung am 8. Jänner 2025 beim Landesgericht Linz eingelangte Beschwerde erhoben hat (vgl dazu auch ON 1 S 1).
Wie bereits aus der – vom Beschwerdeführer auch zur Kenntnis genommenen (vgl ON 5 S 7) - Rechtsmittelbelehrung zutreffend hervorgeht, kann gemäß § 120 Abs 2 StVG eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Anstaltsleiters spätestens am vierzehnten Tag nach jenem Tag erhoben werden, an welchem (soweit hier relevant) die Entscheidung dem Strafgefangenen bzw Untergebrachten verkündet wurde.
Gemäß § 121a Abs 1 Z 2 StVG sind Beschwerden bei der Behörde einzubringen, gegen die sich die Beschwerde richtet. Eine Beschwerde gilt aber auch dann als rechtzeitig eingebracht, wenn sie innerhalb der Beschwerdefrist bei dem für die Entscheidung über die Beschwerde zuständigen Gericht eingebracht wird ( Pieber, WK² StVG § 121a Rz 4).
Nach dem „Postlaufprivileg“ des § 33 Abs 3 AVG ist eine verfahrensrechtliche Frist auch dann gewahrt, wenn das fristgebundene Schriftstück am letzten Tag der Frist einem Zustelldienst im Sinne des § 2 Z 7 des ZustellG übergeben wurde, wozu traditionell insbesondere die Übermittlung unter Inanspruchnahme der Post (nunmehr „Österreichische Post“, dh „Österreichische Post Aktiengesellschaft“ [§ 3 Z 1 iVm § 12 Abs 1 PMG] zählt [ Hengstschläger/Leeb, AVG § 33 Rz 3]). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Beschwerde an die zuständige Behörde adressiert wird ( Pieber in WK 2StVG § 121a Rz 4). Wird ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht, so erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters . Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz vor Fristablauf bei der für die Einbringung zuständigen Stelle einlangt (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 11 mwN).
Die verfahrensgegenständliche Entscheidung des Leiters des FTZ B* wurde dem Beschwerdeführer am 18. Dezember 2024 verkündet (ON 5 S 6), die 14-tägige Rechtsmittelfrist endete daher spätestens mit Ablauf des 2. Jänner 2025. Die von A* erhobene Beschwerde wurde zwar am 30. Dezember 2024 zur Post gegebene, von diesem aber an das unzuständige Landesgericht für Strafsachen Wien adressiert (vgl ON 1 S 5), wo das Schriftstück am 2. Jänner 2025 eingelangt ist. In weiterer Folge übermittelte das Landesgericht für Strafsachen Wien die Beschwerde dem Landesgericht Linz, wo diese schließlich am 8. Jänner 2025 – sohin jedenfalls nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - einlangte (ON 1 S 1).
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde des A* gegen die dem Anstaltsleiter des FTZ B* zuzurechnende Entscheidung vom 13. Dezember 2024 erweist sich daher als verspätet und wäre daher vom Erstgericht zurückzuweisen gewesen, was vom Rechtsmittelgericht nunmehr nachzuholen war.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers hat der dargestellten Rechtslage nichts entgegenzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.