JudikaturOLG Wien

32Bs6/25d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Vollzugssenat nach § 16a StVG hat durch die Senatspräsidentin Mag. Seidl als Vorsitzende sowie die Richterin Mag. Marchart und den fachkundigen Laienrichter Oberst Turner als weitere Senatsmitglieder in der Vollzugssache des A*über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Vollzugsgericht vom 20. Dezember 2024, GZ **-10, nach § 121b Abs 3 StVG in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung:

Text

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Vollzugsgericht einer Beschwerde des A* gegen das Straferkenntnis des Leiters der Justizanstalt ** vom 1. August 2024, ** (ON 4.10), mit welchem der Genannte der Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 2 StVG schuldig erkannt und über ihn gemäß §§ 109 Z 4, 113 StVG die Ordnungsstrafe der Geldbuße in Höhe von 30 Euro verhängt worden war, weil er am 27. Juli 2024 dem Insassen B* ins Gesicht gespuckt hatte, nicht Folge und bestimmte den vom Beschwerdeführer zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 Abs 2 VwGVG mit 6 Euro.

Das Vollzugsgericht ging – soweit hier relevant – von folgendem wörtlich wiedergegebenen Sachverhalt aus:

Am 27.7.2024 gab es um ca. 22 Uhr im Haftraum eine Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und B*. B* wollte um ca. 22 Uhr etwas kochen. Der Beschwerdeführer wollte, dass er damit aufhört, weil es schon spät sei. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Der Beschwerdeführer betätigte den Notruftaster und berichtete über das Verhalten des B*. B* wurde immer aggressiver und beschimpfte den Beschwerdeführer auch damit, dass er diesen „ficken werde“. Daraufhin spuckte der Beschwerdeführer seinem Kontrahenten in das Gesicht. B* tätigte daraufhin die Aussage, dass er dem Beschwerdeführer „die Zunge herausschneiden werde”. B* wurde am 28.7.2024 nach § 116 StVG abgesondert.

Der Beschwerdeführer wusste und wollte dem B* in das Gesicht spucken und hielt es dabei für möglich, die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt zu gefährden, und fand sich damit ab. Die Handlung des Beschwerdeführers war weder gerechtfertigt, noch diente sie der Anhaltung gemäß § 80 Abs 2 StPO.

Nach Durchführung des Ordnungsstrafverfahrens wurde der Beschwerdeführer wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 2 StVG gemäß § 109 Z 4 und § 113 StVG mit der Ordnungsstrafe der Geldstrafe in Höhe von EUR 30,-- bestraft.

Mit Straferkenntnis vom 8.4.2022 zu ** wurde die Ordnungsstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 50,-- und die Ordnungsstrafe der Entziehung von Vergünstigungen (Entzug des eigenen Laptop) in der Dauer von 3 Monaten verhängt, da der Beschwerdeführer einerseits unerlaubt Gegenstände in seinem Gewahrsam gehabt hatte, und zwar einen Internet Stick der Marke ** und andererseits vorsätzlich den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 zuwidergehandelt hatte, indem er mit seinem ordnungsgemäß ausgefolgten Laptop im Internet war.

Mit Straferkenntnis vom 16.10.2023 zu ** wurde die Ordnungsstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 70,-- und die Ordnungsstrafe der Entziehung von Vergünstigungen (des Aufstockens vom Hausgeld mit Eigengeldguthaben) in der Dauer von 2 Wochen und die Ordnungsstrafe der Entziehung des Rechts auf Verfügung über das Hausgeld in der Dauer von 2 Wochen verhängt, da der Beschwerdeführer einerseits unerlaubt Gegenstände in seinem Gewahrsam gehabt hatte, und zwar ein Handy der Marke ** mit zwei SIM-Karten und andererseits vorsätzlich mit dem genannten Handy mit Personen außerhalb der Justizanstalt unerlaubt verkehrte.

Beweiswürdigend stützte sich das Erstgericht auf die vorliegenden unbedenklichen Urkunden, insbesondere die Stellungnahme der Leitung der Justizanstalt ** vom 26. August 2024 (ON 4.2), die Meldung von Insp. C* vom 28. Juli 2024 (ON 4.5), die Niederschriften der Beschuldigtenvernehmungen des Beschwerdeführers vom 31. Juli 2024 (ON 4.6) und des B* ebenfalls vom 31. Juli 2024 (ON 4.9), die Niederschriften der Zeugenvernehmungen des D* vom 31. Juli 2024 (ON 4.7) sowie des E* vom 31. Juli 2024 (ON 4.8), das Straferkenntnis vom 1. August 2024 (ON 4.10), die Niederschrift über die Verkündung eines Bescheides vom 2. August 2024 (ON 4.11), die Straferkenntnisse der JA ** (ON 8.1) und der JA ** (ON 8.2) sowie die aktenmäßig erfassten Vorgänge.

Das Erstgericht führte dazu aus, dass der Sachverhalt im Wesentlichen unstrittig gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner eigenen Beschuldigtenvernehmung und auch in sämtlichen Eingaben selbst zugestanden, dass er B* bespuckt habe. Er sei lediglich der Ansicht gewesen, dass dies aufgrund des Verhaltens des B* gerechtfertigt gewesen sei. Dieser Sachverhalt sei auch durch die unbeteiligten Zeugen D* und E* bestätigt worden. Sämtliche Genannten hätten auch übereinstimmend angegeben, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Beschwerdeführer und B* gekommen sei, weil B* zu später Stunde gekocht habe. Alle hätten auch bestätigt, dass B* aggressiv geworden sei. Den Angaben des Beschwerdeführers, wonach er die Notruftaste betätigt habe, und auch der von diesem geschilderte Wortlaut der durch B* ausgesprochenen Bedrohung/Beleidung seien daher durchaus glaubhaft gewesen. B* habe von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, Gebrauch gemacht.

Die innere Tatseite sei zwanglos aus dem äußeren Geschehen ableitbar gewesen. Dass der Beschwedeführer den B* wissentlich und willentlich bespuckt hatte, habe dieser selbst zugestanden. Dass er es für möglich gehalten habe, dadurch die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt zu gefährden, habe sich schon aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben. Schließlich müsse jedem Insassen bekannt sein, dass eine derartige Verhaltensweise eskalierend wirke. Da der Beschwerdeführer den B* trotzdem bespuckt habe, habe er sich mit all dem abgefunden. Der Beschwerdeführer habe auch nicht behauptet, dass es generell zulässig sei, andere Insassen zu bespucken. Vielmehr habe er sich damit gerechtfertigt, dass er aus Angst, zur Verteidigung oder im Rahmen seines Anhalterechts gemäß § 80 Abs 2 StPO gehandelt habe. Damit habe er jedoch nicht aufgezeigt, weshalb seine Handlung geeignet gewesen sein sollte, einen allfälligen widerrechtlichen Angriff abzuwehren. Vielmehr provoziert das Bespucken das Gegenüber zu weiteren Aggressionshandlungen. Weshalb die Anhaltung gemäß § 80 Abs 2 StPO einer ohnehin in Haft befindlichen Person nötig sein oder Bespucken einer Person der Anhaltung derselben dienen solle, bleibe unklar.

Eine Vernehmung der vom Beschwerdeführer angeführten Zeugen zur Haftraumgröße habe unterbleiben können, weil der Antrag auf ein irrelevantes Beweisthema abziele. Aus demselben Grund sei auch die Auswertung der Aufzeichnungen zur Notruftaste unterblieben, zumal der Senat ohnehin die diesbezüglichen Schilderungen des Beschwerdeführers für glaubwürdig erachtet habe.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass gemäß § 107 Abs 1 Z 10 StVG der Strafgefangene eine Ordnungswidrigkeit begehe, der entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes vorsätzlich sonst den allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen nach § 26 StVG zuwiderhandelt. Gemäß § 26 Abs 2 StVG hätten die Strafgefangenen alles zu unterlassen, was die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt oder sonst die Verwirklichung der Grundsätze des Strafvollzuges gefährden könnte. Sie hätten sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebiete. Dass durch Bespucken eines anderen Insassen die Sicherheit und Ordnung massiv gefährdet werde, liege auf der Hand und zeige auch die gegenständliche Auseinandersetzung, die in der Folge noch weiter eskaliert sei und die Absonderung des B* erforderlich gemacht habe. Die Handlung des Beschwerdeführers sei auch nicht gerechtfertigt gewesen und es sei auch kein Anwendungsfall des § 80 Abs 2 StPO vorgelegen. Indem der Beschwerdeführer vorsätzlich die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt durch das Bespucken eines anderen Insassen gefährdet habe, habe er die Ordnungswidrigkeit nach § 107 Abs 1 Z 10 iVm § 26 Abs 2 StVG in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen.

Zur Strafbemessung führte das Erstgericht weiters aus, dass das Tatsachengeständnis mildernd, hingegen die mehrfache Vorbelastung in disziplinärer Hinsicht erschwerend zu werten sei. Unter Abwägung der angeführten Strafzumessungsgründe und der Persönlichkeit des Beschwerdeführers erweise sich die Entscheidung des Anstaltsleiters, die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von 30 Euro zu bestrafen, als schuld- und tatadäquat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitig erhobene Beschwerde des Strafgefangenen (ON 12), mit der er – neben Ausführungen zur Größe des Haftraums, einer bei ihm bestehenden Gluten- und Laktoseintoleranz sowie seinen auf Mitglieder des ** bezogenen Sorgen jeweils ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren - erstmals behauptet, sein Bewusstsein sei infolge Einnahme eines Schlafmittels am Abend des dem Straferkenntnis zugrundeliegenden Vorfalls sehr getrübt gewesen und habe er unter diesem Einfluss nicht wissentlich und kontrolliert handeln können. Weiters führt der Beschwerdeführer aus, dass das Anspucken das gelindeste Mittel gewesen sei, es habe für ihn keine Fluchtmöglichkeit bestanden und nach dem Anspucken habe sich B* das Gesicht gewaschen, dann seien bereits die Beamten kommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 16a Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 StVG entscheidet das Oberlandesgericht Wien für das gesamte Bundesgebiet über Beschwerden gegen einen Beschluss des Vollzugsgerichts nach § 16 Abs 3 StVG wegen Rechtswidrigkeit, wobei Letztere nicht vorliegt, soweit das Vollzugsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Hat das Vollzugsgericht nach § 16 Abs 3 StVG Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt, darf das Oberlandesgericht Wien den Beschluss weder aufheben noch – um das Ermessen anders auszuüben – abändern.

Vorauszuschicken ist, dass im gegenständlichen Verfahren Neuerungsverbot besteht, weil Beschlüsse des Vollzugsgerichts - das nicht als erste Instanz entscheidet - nach § 16 Abs 3 StVG nur wegen Rechtswidrigkeit angefochten werden können (vgl OLG Wien in ständiger Rsp; Drexler/Weger, StVG 5§ 16a Rz 2 mwN) und gemäß § 17 Abs 2 Z 2 iVm Z 1 StVG die Bestimmung des § 65 AVG, wonach Neuerungen im Berufungsverfahren zulässig wären, nicht anzuwenden ist. Die erstmals mit dem vorliegenden Rechtsmittel getätigte Behauptung mangelnder Dispositions- und Diskretionsfähigkeit sowie die nunmehr geänderte Darstellung des Ablaufes, wonach sich B*, nachdem er ihn angespuckt habe, das Gesicht gewaschen hätte, er sich also durch das Anspucken lediglich Zeit verschafft habe bis die Justizwachebeamten kommen, sind daher im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Wien unbeachtlich.

Darüber hinaus sind die Feststellungen des Erstgerichts, das aus den vorliegenden Beweisergebnissen lebensnahe und nachvollziehbare Schlussfolgerungen gezogen hat, nicht zu beanstanden.

Bei der Strafbemessung im Ordnungsstrafverfahren ist gemäß § 107 Abs 4 erster Satz StVG (unter anderem) § 19 VStG anzuwenden. Nach Abs 2 dieser Bestimmung sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Dabei ist nicht nur auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen, sondern sind unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts auch die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden (§ 19 Abs 2 zweiter und dritter Satz VStG).

Mit Blick auf die bereits vorliegenden rechtskräftigen Ordnungsstrafen und die nunmehr zur Aburteilung gelangte Verhaltensweise war ausgehend davon, dass eine Geldbuße von bis zu 200 Euro (§ 113 StVG) verhängt werden kann, angesichts des Unwerts der Tat und des Ausmaßes des Verschuldens eine – vom Beschwerdeführer auch gar nicht konkret begehrte - Reduktion der Strafe nicht angezeigt.

Den Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Erstgericht zutreffend auf § 17 Abs 2 Z 2 StVG iVm § 52 VwGVG gestützt.

R echtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig.