JudikaturOLG Wien

30Bs90/25t – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
12. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen § 287 Abs 1 StGB (§§ 83 Abs 1, 107 Abs 1 StGB) über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 2. Dezember 2024, GZ **-12.4, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Edwards im Beisein der Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Eva Salfelner, LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Martin Koroschetz durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung am 12. Mai 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 83 Abs 1, 107 Abs 1 StGB) schuldig erkannt und hiefür nach § 287 Abs 1 StGB iVm § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sich A* im Zeitraum vom 8. September 2024 bis 9. September 2024 in ** und **, wenn auch nur fahrlässig durch den Genuss von Alkohol, nämlich dem Konsum von zumindest sechs Liter Bier und sechs Stamperl Schnaps, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt, wobei er im Rausch Handlungen beging, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen, und zwar als das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkt I.) und als das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (Punkt II.) zugerechnet würden, indem er am 9. September 2024 in ** nachts

I. B* vorsätzlich am Körper verletzte, indem er ihm einen Kopfstoß gegen die Nase versetzte, wodurch dieser einen unverschobenen Bruch des Nasenbeines erlitt,

II. C* durch die sinngemäße Äußerung, dass er ihn umbringen und mit dem Fahrrad überfahren sowie dessen Existenz zerstören werde, gefährlich zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Bei der Strafbemessung wertete die Erstrichterin die fünf einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, mildernd hingegen das reumütige Geständis sowie die Schadensgutmachung von 500 Euro an B*.

Dagegen richtet sich eine sogleich nach Verkündung des Urteils mit umfassendem Anfechtungsziel angemeldete (ON 12.3, 29), in der Folge jedoch nur hinsichtlich des Ausspruchs über die Strafe ausgeführte Berufung des Angeklagten. Eine ursprünglich ebenfalls erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wurde zurückgezogen (Mitteilung an das Berufungsgericht vom 3. April 2025).

Rechtliche Beurteilung

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt keine Berechtigung zu.

Voranzustellen ist, dass bei Rauschtaten auch die verdeckten Taten (Grunddelikte) für die Beurteilung maßgebend sind, ob Vorverurteilungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, gegeben sind (RIS-Justiz RS0091423; 15 Os 134/91 mwN). Das Erstgericht hat daher zutreffend die fünf Vorstrafen des Angeklagten wegen unter anderem der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 bzw. Abs 2 StGB als einschlägige Vorstrafen und somit erschwerend gewertet.

Der Umstand, dass der Angeklagte im Rausch zwei mit Strafe bedrohte Taten begangen hat, wurde von der Erstrichtern zutreffend nicht als erschwerend iSd § 33 Abs 1 Z 1 StGB gewertet, weil dadurch nur ein einziges Vergehen nach § 287 StGB bewirkt wird ( Plöchlin WK² StGB § 287 Rz 38). Durch die Verwirklichung zweier mit Strafe bedrohter Handlungen wurde die objektive Bedingung der Strafbarkeit der Berauschung jedoch verstärkt (RIS-Justiz RS0095936).

Wenn der Berufungswerber reklamiert, das Erstgericht habe es unterlassen, die durch die Alkoholisierung verminderte Zurechnungsfähigkeit als mildernd zu werten, geht er nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen aus, wonach sich der Angeklagte – wenn auch nur fahrlässig - in einen die Zurechnungsfähikgeit ausschließenden Rausch versetzt hatte, weshalb er infolge der Zurechnungsunfähigkeit auch nicht für die im Vollrausch verübte(n) Straftat(en) zur Verantwortung gezogen wird, jedoch für das eigenständige Delikt des § 287 Abs 1 StGB. Eine – vom Berufungswerber geforderte - Vorwurfsabwägung im Hinblick auf die Berauschung, welche bei der Strafbemessung je nach Ergebnis der Abwägung entweder als mildernd oder als erschwerend zu werten ist, findet nur im Rahmen des § 35 StGB statt, der nach seinem Wortlaut (arg.: „Hat der Täter in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand gehandelt …“) nur auf Fälle des Minderrausches anwendbar ist.

Der Tatbestand des § 287 Abs 1 StGB und damit dessen deliktstypisches Unrecht erschöpft sich hingegen in dem den Rauschtaten vorgelagerten Akt des fahrlässigen Versetzens in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch ( Plöchlin WK² StGB § 287 Rz 13). Die Tathandlung ist somit bereits die zumindest fahrlässige Selbstberauschung ( Plöchlin WK² StGB § 287 Rz 18). Da zu diesem Zeitpunkt die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten nicht eingeschränkt war, liegt – entgegen der Auffassung des Berufungswerbers - weder der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 11 StGB (Tatbegehung unter Umständen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen) noch jener des § 35 StGB (Begehung strafbarer Handlungen in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand) vor. Angesichts der Struktur der Rauschtat als objektive Strafbarkeitsbedingung ist es auch unerheblich, ob der Angeklagte schon im Zeitpunkt des Versetzens in den Vollrausch damit rechnen musste, er könnte im Vollrausch eine strafbedrohte Handlung begehen ( Plöchlin WK² StGB § 287 Rz 25).

Bei objektiver Abwägung der konkreten Strafzumessungslage (§ 32 StGB) und unter Berücksichtigung, dass das Ausmaß der verhängten Strafe in einer realistischen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Tat stehen muss (RIS-Justiz RS0090854) sowie unter Beachtung generalpräventiver Erwägungen (vgl Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14§ 32 Rz 7) erweist sich die vom Erstgericht angesichts eines zur Verfügung stehenden Strafrahmens von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen (§ 287 Abs 1 StGB iVm § 107 Abs 1 StGB) unterhalb der Hälfte verhängte Sanktion, wobei auch den herangezogenen Milderungsgründen ausreichend Rechnung getragen wurde, angesichts der massiv einschlägigen Vorstrafenbelastung des Angeklagten als schuld- und tatangemessen und einer Reduktion nicht zugänglich.

Zu Recht ging die Erstrichterin auch davon aus, dass gravierende spezialpräventive Gründe sowohl gegen die Verhängung einer bloßen Geldstrafe als auch gegen eine bedingte Strafnachsicht sprechen. So zeigte sich der Angeklagte von den bislang erfahrenen staatlichen Reaktionen und der ihm zahlreich gewährten Rechtswohltaten (unbedingte Geldstrafen, (teil)bedingte Strafnachsichtigen, Verlängerung der Probezeit, unbedingte Freiheitsstrafen sowie der damit verbundenen mehrfachen Hafterfahrung) unbeeindruckt und delinquierte erneut, sodass dem entsprechend hohen Gefahrenpotential für künftige Straffälligkeit nur mit einer unbedingten Freiheitsstrafe begegnet werden kann.