19Bs119/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Baumgartner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A* wegenbedingter Entlassung aus einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach § 21 Abs 2 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom (richtig) 24. April 202 5 , GZ **-12, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der am ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Oktober 2016, AZ **, wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB, der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB, der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 4 Z 1 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Der Schuldspruch erfolgte, weil A* in ** und an anderen Orten
I. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Sommer 2015 an nachangeführten unmündigen Tatopfern eine geschlechtliche Handlung vornahm bzw vorzunehmen versuchte, und zwar
1. in wiederholten Angriffen an der am ** geborenen, mithin unmündigen B*, indem er danach trachtete, ihre Brüste und ihren Vaginalbereich oberhalb und unterhalb der Bekleidung zu betasten, indem er mit seinen Händen in Richtung dieser Körperregionen fuhr, wobei die Taten nur deshalb beim Versuch geblieben sind, zumal B* ihn wegschubste;
2. außer zeitlicher Konnexität zu den unter I. 1 beschriebenen Tathandlungen in wiederholten Angriffen an der am ** geborenen, mithin unmündigen B* durch Betasten ihrer bereits entwickelten Brüste und ihres Vaginalbereichs über und unter der Bekleidung;
3. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2015 an der am ** geborenen, mithin unmündigen C* durch Betasten ihres Genitalbereichs über der Bekleidung, wobei er im Zuge des Tatgeschehens Gewalt anwendete, um sie zur Duldung der geschlechtlichen Handlung zu nötigen, indem er sie im Zuge ihrer erkennbaren Gegenwehr (als sie danach trachtete, sich von der Parkbank zu erheben und wegzugehen) wiederholt mit den Händen an der Hüfte erfasste und zurück zog und folglich ihren Genitalbereich über der Bekleidung betastete;
II. C* mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung nötigte, und zwar durch die zu I. 3 beschriebene Tathandlung;
III. außer zeitlicher Konnexität zu der unter I. 1 und 2 beschriebenen Tathandlung mit der am ** geborenen, mithin unmündigen B* den Beischlaf bzw eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternahm, und zwar
1. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Sommer 2015 in wiederholten Angriffen (cirka zehnmal) in ** und **, indem er ihr einen bzw mehrere Finger in die Scheide einführte;
2. am 3. September 2015 in **, indem er die durch Konsum eines Joints beeinträchtigte B* zunächst mit der Hand unter der Bekleidung im Vaginalbereich betastete und mit ihr folglich den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog, wobei B* auch seinen entblößten Penis betastete;
IV. zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten im Sommer 2015 vorschriftswidrig Suchtgift erwarb, besaß sowie anderen überließ, und zwar
1. durch den wiederholten Erwerb nicht näher bestimmbarer, im Zweifel die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigender Menge an Cannabisprodukten und Amphetamin (Speed) sowie Kokain und deren Besitz,
2. durch Überlassen einer Teilmenge der zu (gemeint:) IV. 1 genannten Suchtgiftmenge von Cannabisprodukten in wiederholten Angriffen an B* (geboren am **) und an C* (geboren am **), indem er ihnen Joints zum Rauchen überreichte, sohin Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglicht, wobei er selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als die Minderjährigen war.
A* wird seit 10. Oktober 2016 mit den Diagnosen kombinierte Persönlichkeitsstörung, emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus und dissoziale Persönlichkeitsstörung - seit 19. Jänner 2017 in der Justizanstalt ** - angehalten (ON 2.1 S 1). Das urteilsmäßige Strafende fiel auf den 9. Mai 2020 (ON 2.1 S 2).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 12) stellte das Landesgericht für Strafsachen Wien als zuständiges Vollzugsgericht anlässlich der jährlichen Überprüfung der Maßnahme gemäß § 25 Abs 3 StGB - nach Anhörung des Untergebrachten gemäß § 167 Abs 1 StVG (ON 11) - gestützt auf die forensische Stellungnahme der Anstaltsleiterin des forensisch-therapeutischen Zentrums ** vom 17. Februar 2025 (ON 2.2), deren Ergänzung vom 24. April 2025 (ON 10) sowie die Äußerung der Begutachtungs- und Evaluationssstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter [in der Folge: BEST] vom 31. März 2025 (ON 9) die Notwendigkeit der weiteren Unterbringung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum fest.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die unmittelbar nach Entscheidungsverkündung angemeldete (ON 11 S 3), zu ON 15 ausgeführte Beschwerde des Untergebrachten, die nicht berechtigt ist.
Gemäß § 47 Abs 2 StGB ist eine bedingte Entlassung aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme dann zu verfügen, wenn nach der Aufführung und der Entwicklung des Angehaltenen in einer Anstalt, nach seiner Person, seinem Gesundheitszustand, seinem Vorleben und seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen anzunehmen ist (eine [einfache] Wahrscheinlichkeit ist ausreichend [ Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14§ 47 Rz 2]), dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die vorbeugende Maßnahme richtet, nicht mehr besteht. Ausgehend davon, dass im Urteil auf unbestimmte Zeit angeordnete vorbeugende Maßnahmen so lange vollzogen werden, wie es ihr Zweck erfordert (§ 25 Abs 1 StGB), sohin so lange die besondere Gefährlichkeit besteht - woraus gegebenenfalls auch die Notwendigkeit langer Dauer erhellt, ein „definitives Ende“ naturgemäß nicht feststeht - und eine bedingte Entlassung nur bei Entfall der einweisungsrelevanten Gefährlichkeit bzw bei Substituierbarkeit der Maßnahme durch Vorkehrungen außerhalb der Anstalt in Betracht kommt, vermag die Beschwerde eine unrichtige rechtliche Beurteilung der angefochtenen Entscheidung nicht aufzuzeigen.
Im erstgerichtlichen Beschluss wurden das strafrechtlich relevante Vorleben des Beschwerdeführers, der bisherige Verfahrensgang, die aktuelle forensische Stellungnahme der Anstaltsleiterin des forensisch-therapeutischen Zentrums ** vom 17. Februar 2025 (ON 2.2) samt Ergänzung vom 24. April 2025 (ON 10) sowie die Äußerung der BEST vom 31. März 2025 (ON 9) korrekt dargestellt, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen wird. Damit einhergehend kam das Erstgericht zutreffend und aktenkonform im Ergebnis zu der Einschätzung, dass der therapeutische Erfolg noch nicht so weit gediehen ist, dass diese spezifische Gefährlichkeit auch extramural hintangehalten werden kann. Obwohl laut den Stellungnahmen durchaus positive Entwicklungen des Betroffenen festzustellen sind, ist in Übereinstimmung mit dem Vollzugsgericht nach wie wie vor davon auszugehen, dass die einweisungsrelevante Gefährlichkeit fortbesteht, unter dem maßgeblichen Einfluss der konstatierten schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung Prognosetaten mit schweren Folgen innerhalb der nächsten Monate zu befürchten sind und damit die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung derzeit nicht vorliegen, vielmehr die Notwendigkeit der weiteren Anhaltung des A* in einem forensisch-therapeutischen Zentrum gegeben ist. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass sich dieser während offener Probezeit nach seiner letzten bedingten Entlassung - unter aufrechter Therapieweisung - zu wiederholter, massiver einschlägiger Delinquenz verstand und es bislang noch zu keinen Vollzugslockerungen kam (vgl ON 2.2 S 13).
Zutreffend ist zwar, dass das letzte psychiatrische Gutachten des Sachverständigen Univ. Doz. Dr. D* vom 11. Dezember 2020 datiert, jedoch gelangen die eingeholten Stellungnahmen übereinstimmend zu dem nachvollziehbar und detailliert begründeten Schluss, dass die einweisungsrelevante Gefährlichkeit noch nicht ausreichend abgebaut ist (ON 2.2 S 13, ON 9 S 5). So wies die BEST ausdrücklich darauf hin, dass die aktuell beschriebenen positiven Verhaltensweisen des Untergebrachten angesichts der in der Vergangenheit wiederkehrenden Einbrüche nach (vermeintlich) stabilen Phasen als kurz zu betrachten sind und noch nicht mit einer stabilen Veränderung der Risiko- und Problembereiche gleichgesetzt werden können (ON 9 S 5). Damit übereinstimmend berichtete die Anstaltsleiterin in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 24. April 2025, dass es am 7. April 2025 zu einem psychotischen Zustandsbild des Untergebrachten gekommen sei, welches eine Pausierung der gruppentherapeutischen Maßnahmen und dessen Krankschreibung erforderlich gemacht habe (ON 10). Da die vorliegenden Entscheidungsgrundlagen somit für eine abschließende Beurteilung der Notwendigkeit einer weiteren Unterbringung des A* ausreichen, ist die Einholung eines aktuelleren Gutachtens entgegen der Beschwerde daher (noch) nicht erforderlich.
Folglich wird es weiter am Betroffenen liegen, den für seine Person erforderlichen Therapieprozess fortzuführen und sich anlässlich der in Aussicht genommenen Vollzugslockerungen (vgl zB ON 2.2 S 13) zu bewähren, um so eine positive Grundlage für eine bedingte Entlassung aus der Maßnahme zu schaffen.