33R57/25g – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungs- gericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Felbab und den Richter Mag. Eilenberger-Haid in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Büroangestellte, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 21.390 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27.3.2025, **-12, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.351,52 (darin EUR 391,92 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat und über keine österreichische Glücksspiellizenz verfügt, bietet auf ihrer Website ** Online-Glücksspiele an. Der Kläger erlitt beim Spiel auf dieser Website zwischen 14.3.2017 und 7.5.2018 Verluste von EUR 21.390.
Der Klägerbegehrt die Rückzahlung seiner Verluste samt 4 % Zinsen seit dem der letzten Einzahlung folgenden Tag und bringt zusammengefasst vor, die Beklagte biete Online-Glücksspiele an und habe dafür keine Lizenz nach dem GSpG, weshalb der Kläger seine Spielverluste zurückfordern könne. Das österreichische Glücksspielmonopol verstoße nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte nicht gegen das Unionsrecht und die Dienstleistungsfreiheit.
Die Beklagtebeantragt Klagsabweisung. Sie verfüge über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority und sei daher aufgrund der Dienstleistungsfreiheit berechtigt, Glücksspiele im Internet anzubieten. Es sei maltesisches Recht anzuwenden, nach dem das angebotene Glücksspiel zulässig sei. Selbst wenn man – in unrichtiger Weise – davon ausgehe, dass österreichisches Sachrecht anwendbar wäre, würde der Anspruch nicht zu Recht bestehen, weil das GSpG – aus umfangreich dargestellten Gründen – gegen das Unionsrecht verstoße.
Mit dem angefochtenen Urteilverpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 21.390 samt 4 % seit dem 28.11.2021 und wies das Zinsenmehrbegehren ab. Es stellte den auf den Urteilsseiten 1 und 3 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird. Rechtlich erwog es zusammengefasst, die Tätigkeit der Beklagten verstoße gegen die Regelungen des GSpG, das vom Kläger durchgeführte Online-Glücksspiel sei damit ein verbotenes Spiel iSd § 1174 Abs 2 ABGB, das eingesetzte und verlorene Geld könne daher herausverlangt werden. Das Glücksspielmonopol verstoße nicht gegen das Unionsrecht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (samt sekundärer Feststellungsmängel) mit dem – allenfalls nach Verfahrensergänzung - auf Klagsabweisung gerichteten Änderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger stellt in seiner Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Mängelrüge:
1.1 Die Berufungswerberin erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen des österreichischen Monopolisten nicht eingeholt habe (Beweisantrag: Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Marketing und Werbung bzw Werbepsychologie sowie Marktforschung im vorbereitenden Schriftsatz der Beklagten vom 26.2.2025, ON 9, S. 9). Durch diese(s) Gutachten hätte sie unter Beweis stellen können, dass die Werbung des Monopolisten augenscheinlich nicht darauf abziele, Verbraucher zu den kontrollierten Spielernetzwerken zu lenken, sondern vielmehr das Ziel verfolge, immer mehr aktive Spieler zu gewinnen und insbesondere auch jene Personen zur Spielteilnahme anzuregen, die bis dato nicht ohne Weiteres bereit gewesen seien zu spielen.
1.2Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaberin keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel, sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln sind. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (vgl RS0043304).
2. Zur Rechtsrüge:
2.1 In ihrer Rechtsrüge beruft sich die Beklagte auf die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und darauf, dass das Kohärenzgebot nicht beachtet worden sei. Als sekundären Feststellungsmangel rügt sie, dass das Erstgericht zu den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols sowie zur Einhaltung der vom EuGH entwickelten Kohärenzkriterien durch den österreichischen Monopolisten keine Feststellungen getroffen habe, obwohl die Beklagte diesbezüglich umfangreiches Vorbringen erstattet und Beweise vorgelegt habe. Das Erstgericht habe auch keine Feststellungen in Bezug auf das österreichische Glücksspielmonopol und dessen Auswirkungen, insbesondere auch nicht zum Markt- und Werbeverhalten des österreichischen Monopolisten getroffen.
2.2Richtig ist, dass die Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht als Rechtsfrage grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen ist. Könnten aber bei Regelungen, bei denen sowohl der Wortlaut als auch die erklärte Zielsetzung des Gesetzgebers gegen die Annahme eines Unionsrechtsverstoßes sprechen, ausnahmsweise tatsächliche Umstände zu einem anderen Ergebnis führen, so trifft diejenige Partei, die eine Unionsrechtswidrigkeit behauptet, auch eine entsprechende Behauptungslast (vgl RS0129945).
2.3Seit dem Jahr 2016 geht der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw. Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl RS0130636, insb [T7]; sowie zB 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p; 7 Ob 163/21b; 1 Ob 174/21a). Der Oberste Gerichtshof hat auch in seinen jüngeren Entscheidungen (ua zB 7 Ob 16/25s zum Zeitraum August 2022 bis April 2023; 2 Ob 194/24d Juli bis Dezember 2023; 7 Ob 198/23b Mai 2020 bis September 2022; 5 Ob 13/24h, Mai 2019 bis März 2022; 1 Ob 46/24g Februar 2020 bis August 2023 je mwN) an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten.
2.4In seiner Entscheidung 1 Ob 25/23t hielt der Oberste Gerichtshof fest, dass selbst die Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den VfGH (G 259/2022) an dieser Beurteilung nichts ändere. Dass der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht habe, bedeute noch nicht, dass dieses Anliegen im Glücksspielrecht als Ganzes nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken könne nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre. Zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit liege bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor. Entgegen der Darstellung der (dortigen) Revisionswerberin ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus , auch kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes) zu berufen.
2.5Neue, in den zitierten Entscheidungen nicht bereits behandelte, Aspekte oder relevante Änderungen des Sachverhalts hat die Beklagte somit nicht aufgezeigt, weshalb weder die (auch in der Mängelrüge relevierten) sekundären Feststellungsmängel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliegen und auf die zitierten Entscheidungen verwiesen werden kann. Die im Berufungsverfahren geäußerte Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil die relevanten Prüfungskriterien vom EuGH bereits ausreichend festgelegt wurden und zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch der Höchstgerichte in Österreich vorliegt (vgl zB auch: 1 Ob 78/24p).
2.6Zuletzt wendet sich die Berufungswerberin gegen den Zinsenzuspruch des Erstgerichts. Voraussetzung für den Beginn des Zinsenlaufs sei die Fälligstellung der Forderung, was erst mit der Zustellung der Klage erfolgt sei. Dabei verkennt die Berufungswerberin jedoch, dass der Bereicherungsschuldner nach ständiger Rechtsprechung die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben hat (4 Ob 46/13p; 7 Ob 10/20a), womit auch der Zinsenzuspruch durch das Erstgericht nicht zu beanstanden ist. Es ist zwar richtig, dass in vereinzelten Entscheidungen von Rechtsmittelgerichten (so wie in der Berufung zitiert: OLG Innsbruck 5 R 70/22s; OLG Wien 16 R 205/22t) ein anderer Standpunkt vertreten wurde. Die oben referierte Rechtsansicht – der sich das Berufungsgericht anschließt – entspricht jedoch auch der völlig überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (so zB: OLG Wien: 16 R 4/23k, 16 R 220/22y, 16 R 183/22g, 13 R 228/22b, 12 R 137/22b, 12 R 30/22a, OLG Graz: 2 R 212/22x; OLG Linz: 15 R 161/22i, 2 R 154/22p, 4 R 174/22v). Die in der Berufung zitierte Entscheidung 5 Ob 115/23g ist nicht einschlägig, weil der dortige Kläger das Zinsenbegehren über Einwand der Beklagten einschränkte, sich dem Einwand der Beklagten, die Vergütungszinsen seien verjährt (sichtlich) unterworfen und sein Zinsenbegehren (nur mehr) auf einen Verzug der Beklagten gestützt hatte (vgl Rz 13).
Der unberechtigten Berufung muss damit ein Erfolg versagt bleiben.
3.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
4. Da eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu sämtlichen behandelten Aspekten besteht, von der das Berufungsgericht nicht abweicht, war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage
im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen.