22Bs53/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat in der Übergabesache des A* zur Strafvollstreckung an die Slowakische Republik über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 17. Februar 2025, GZ ** 14 nach der am 15. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Mathes im Beisein der Richter Mag. Hahn und Mag. Gruber als weitere Senatsmitglieder in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener sowie in Anwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers Mag. Philipp Wurm durchgeführten öffentlichen Übergabeverhandlung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Aufgrund einer SIS-Ausschreibung und damit einhergehender Festnahme des A* leitete die Staatsanwaltschaft Korneuburg gemäß § 16 EU-JZG ein Übergabeverfahren gegen den Genannten zur Strafvollstreckung an die Republik Slowakei ein (ON 1.1).
Nach dem vorliegenden Europäischen Haftbefehl (EHB) des Kreisgerichts Bratislava vom 19. Dezember 2024 hat die Republik Slowakei mit Beschluss des Kreisgerichts Bratislava vom 24. Jänner 2018, AZ **, die Vollstreckung der mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 23. März 2017, AZ **, wegen §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 und 2, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 zweiter Fall StGB verhängten Strafe in der Dauer von 2 ½ Jahren übernommen. Mit Beschluss des Kreisgerichts Bratislava vom 13. Juni 2018, AZ **, wurde die bedingte Entlassung aus der Strafhaft unter Setzung einer vierjährigen Probezeit bewilligt, wobei A* am 13. Juni 2018 aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen wurde. Mit Beschluss des Kreisgerichtes Bratislava vom 6. Mai 2024, AZ **, rechtskräftig am 9. Juli 2024, wurde die bedingte Entlassung widerrufen, weil A* sich in der Probezeit nicht bewährt habe und der Vollzug der restlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von 1 Jahr, 1 Monat und 30 Tagen angeordnet. Zu den Details wird auf den Inhalt des zitierten EHB verwiesen (ON 2.5).
Mit dem angefochtenen Beschluss bewilligte das Erstgericht die Übergabe des Betroffenen zur Strafvollstreckung wegen der im EHB genannten Tatvorwürfe unter Einhaltung des Schutzes der Spezialität, wobei die Übergabe gemäß § 25 Abs 1 Z 6 EU-JZG bis zur Beendigung der mit dem seit 10. Juni 2024 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Korneuburg, AZ **, verhängten Strafhaft aufgeschoben wurde (ON 14).
Gegen die Bewilligung der Übergabe richtet sich die unmittelbar nach Entscheidungsverkündung angemeldete (ON 13 S 4) und fristgerecht ausgeführte Beschwerde des Betroffenen, worin er geltend macht, durch die am 6. Mai 2024 in seiner Abwesenheit durchgeführte Verhandlung und die folgende Beschlussfassung über den Widerruf der bedingten Entlassung sei sein Grundrecht, sich angemessen gegen Vorwürfe verteidigen zu können, verletzt worden, wobei der Beschluss durch den bloßen Verweis auf seine fehlende Bewährung auch nicht ausreichend begründet sei (ON 15, ergänzt in ON 20).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt Berechtigung nicht zu.
In Übereinstimmung mit der Oberstaatsanwaltschaft ist voranzustellen, dass wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt und Betroffenen nicht kritisiert, sich die der Übergabe zugrundeliegenden Straftaten im EHB als übergabefähig erweisen, zumal dem EHB eine österreichische Verurteilung und sohin nach österreichischem Recht strafbare Handlungen zugrundeliegen und ein Strafrest von mehr als vier Monaten zu vollstrecken ist (§ 4 Abs 2 EU-JZG).
Der Grundsatz der beiderseitigen Strafbarkeit bezieht sich nur auf die Straftat, die Gegenstand der Strafverfolgung oder des zu vollstreckenden Urteils ist, nicht aber auf die ausschließlich nach dem Recht des ersuchenden Staates zu beurteilenden Widerrufsgründe. Demnach stehen der nach Widerruf der zunächst gewährten bedingten Strafnachsicht begehrten Auslieferung zur Strafvollstreckung weder die Heranziehung einer in Österreich nicht strafbaren Auslandstat(zB Verwaltungsübertretung) als Widerrufsgrund noch die Unterlassung der Anhörung des Verurteilten im ausländischen Widerrufsverfahren, was im Übrigen auch im inländischen Widerrufsverfahren gem § 495 Abs 3 StPO möglich ist, entgegen(RIS-Justiz RS0087088).
Die dem Urteil nachfolgenden Entscheidungen, einschließlich des Widerrufs einer bedingten Strafnachsicht, fallen nicht (mehr) in den Schutzbereich des Art 6 EMRK (RIS-Justiz RS0087109; Göth-Flemmich in Göth-Flemmich/Herrnfeld/Kmetic/Martetschläger, Internationales Strafrecht§ 19 ARHG Rz 15).
Zudem ist ein in Abwesenheit des vom Europäischen Haftbefehl Betroffenen geführtes Verfahren, in dem ein Widerruf einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, nicht als eine „Verhandlung, die zu der Entscheidung führte“ im Sinne des § 11 Abs 1 EU-JZG anzusehen, sofern der Widerrufsbeschluss weder Art noch Ausmaß der ursprünglich verhängten Strafe verändert ( Hinterhofer in Höpfel/Ratz WK2 EU-JZG § 11 Rz 7/1 mwN).
Somit steht die Kritik des Betroffenen am Zustandekommen und der Begründung des Widerrufsbeschlusses des Kreisgerichts Bratislava einer Übergabe nicht entgegen.
Weitere Übergabehindernisse liegen nicht vor, weshalb der Beschwerde gegen den sach und rechtsrichtig gefassten Beschluss ein Erfolg zu versagen war.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 1 Abs 2 EU-JZG iVm § 9 Abs 1 ARHG).