19Bs43/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B*und andere Angeklagte wegen §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten A* B* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Juni 2024, GZ ***, nach der unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Mag. Baumgartner, im Beisein der Richterinnen Mag. Wilder und Mag. Körber als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Mag. Ropper, LL.M, in Anwesenheit des Angeklagten A* B* und seines Verteidigers Mag. Roman Tenschert durchgeführten Berufungsverhandlung am 11. April 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch der Zweitangeklagten C* B*, einen rechtskräftigen Schuldspruch des Drittangeklagten D* und rechtskräftige Konfiskations- und Verfallsaussprüche enthaltenden Urteil wurde – soweit hier relevant - der am ** geborene A* B* des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und hierfür nach § 147 Abs 3 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Danach hat er vom 4. April 2022 bis zum 31. März 2023 in E* gewerbsmäßig (unter Erfüllung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, in insgesamt 71.128 Fällen
1) Personen, die für die Auszahlung der Honorare für im Rahmen der „Apotheken-COVID-19-Testungen in E*“ vorgenommene PCR - Testungen zuständig waren, durch die mittels Eingabe falscher Daten in das dafür vorgesehene Computersystem erfolgte Vorspiegelung der Durchführung von PCR-Tests, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Auszahlung von 10 Euro pro fingierter Testung an die F* GmbH verleitet (§ 12 erster Fall StGB),
2) durch die Entwicklung des unter 1) dargestellten Täuschungsmodus gemeinsam mit (dem unter einem verurteilten) D* dazu beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), dass die oben dargestellte strafbare Handlung auch vom Genannten als unmittelbarem Täter ausgeführt wurde und dass dieser Mitarbeiter der F* GmbH sowie die Ehefrau des Beschwerdeführers durch die Anweisung, die falschen Daten in das dafür vorgesehene Erfassungssystem einzugeben, zur Ausführung der dargestellten strafbaren Handlung bestimmte, sowie
3) Mitarbeiter der F* GmbH und seine Ehefrau durch die Anweisung, die falschen Daten in das dafür vorgesehene Erfassungssystem einzugeben, zur Ausführung der unter 1) dargestellten strafbaren Handlung bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB, zur Gleichwertigkeit der Täterschaftsformen vgl RIS-Justiz RS0090765),
wodurch die Republik Österreich in dem 300.000 Euro übersteigenden Betrag von insgesamt zumindest 711.280 Euro am Vermögen geschädigt wurde.
Bei der Strafzumessung wertete der Schöffensenat keinen Umstand als erschwerend, als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel und das Geständnis, dem jedoch kein volles Gewicht beigemessen wurde, weil der Angeklagte erst kurz vor Ende des Beweisverfahrens die Wertqualifikation zugestanden habe.
Im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen wertete der Schöffensenat erschwerend, dass der Angeklagte als Geschäftsführer der F* GmbH mehr in der Pflicht und Verantwortung als der Drittangeklagte gewesen sei.
Nach Zurückweisung der vom Angeklagten erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 22. Jänner 2025, GZ 13 Os 78/24f-4, ist nunmehr über dessen auf eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und Gewährung (teil)bedingter Strafnachsicht gerichtete Berufung (ON 100.2) zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Zunächst ist der erstgerichtliche Strafzumessungskatalog zum Nachteil des Angeklagten um die nicht strafsatzbestimmende Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit nach § 148 erster Fall StGB zu ergänzen (RIS-Justiz RS0091058 [T1, T3], Riffel in WK 2StGB § 33 Rz 2). Innerhalb der Gewerbsmäßigkeit aggraviert die Vielzahl der Angriffe, nämlich die auf Veranlassung des Berufungswerbers erfolgten über 70.0000 Einträge in das System der G* die Schuld des Angeklagten (RIS-Justiz RS0092083; kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot vgl RIS-Justiz RS0116020, insbesondere [T7]), weiters dass er seine kriminellen Aktivitäten im Laufe der Zeit auf mehrere Apotheken auszuweiten wusste (vorerst „H*“ Apotheke, ab Mai 2022 „I*“ Apotheke, ab August 2022 „J*“ Apotheke, ab September 2022 „K*“ Apotheke [vgl zu allen ON 28.4]) und zudem eine auch das öffentliche Finanzsystem herausfordernde Pandemie nutzte, um sich zu bereichern, woraus eine besonders wertwidrige Einstellung des Berufungswerbers erhellt.
Der reklamierten Gewichtung des Milderungsgrundes seiner geständigen Verantwortung (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) steht entgegen, dass von Beginn des Hauptverfahrens an eine drückende Beweislage auch zur Wertqualifikation vorlag (S 4 f in ON 94a). Darüber hinaus vermeinte der Angeklagte selbst noch in der Berufungsverhandlung das Geständnis aus taktischen Gründen abgelegt haben zu müssen. Warum nun die geständige Verantwortung des Angeklagten umfänglich seines eigenen strafrechtlichen Tuns die (letztlich freigesprochene) Zweitangeklagte (seine Ehefrau) hätte belasten sollen, erschließt sich dem Berufungsgericht nicht.
Die aggravierende Wertung der Stellung des Angeklagten als Gründer und bis zum 12. Oktober 2022 alleiniger Geschäftsführer der F* GmbH (Firmenbuchauszug Einsicht VJ) ist nicht zu beanstanden, war er es doch, der die Verträge mit den Apotheken schloss. Letztlich erhellt – auch hier zutreffend das Erstgericht - aus der Verteilung des unrechtmäßig lukrierten Betrags (S 5: zumindest 350.000 Euro der Berufungswerber, zumindest 100.0000 Euro der Zweitangeklagte D*), dass dem Angeklagten die tragende Rolle bei diesem der Schwerkriminalität zurechenbaren Verbrechen zukam.
Bei objektiver Abwägung der insgesamt zum Nachteil des Angeklagten veränderten Strafzumessungslage erweist sich die vom Erstgericht mit einem Sechstel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens (§ 147 Abs 3 StGB) ausgemessenen Sanktion – und zwar auch im Verhältnis zum Drittangeklagten D* - als tat- und schuldangemessen und einer Reduktion nicht zugänglich. Letztlich wird mit der Verhängung von empfindlichen Freiheitsstrafen auch den – bei derart professioneller Kriminalität und zum Nachteil sämtlicher Steuerzahler begangener Straftat – gewichtigen generalpräventiven Aspekten (RIS-Justiz RS0090600) entsprechend Rechnung getragen.
Die vom Angeklagten geforderte bedingte Strafnachsicht (§ 43a Abs 4 StGB) ist auf extreme Ausnahmefälle beschränkt (RIS-Justiz RS0092050, insbesondere [T2]). Die hohe Wahrscheinlichkeit zukünftig straffreien Verhaltens setzt voraus, dass es sich (im Hinblick auf das bisherige Vorleben, das Persönlichkeitsbild und die sozialen Verhältnisse) um eine nach menschlichem Ermessen einmalige Verfehlung handelt, wie dies etwa bei Straftaten aus Konflikts- oder Krisensituationen zutreffen kann ( Jerabek/Ropper , WK 2StGB § 43a Rz 16; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB Update 2020 § 43a Rz 1). Obwohl es sich beim Berufungswerber um einen Ersttäter handelt, ist allein aufgrund der Vielzahl der Angriffe gegen fremdes Vermögen über mehrere Monate hinweg und der aus der professionellen Tatbegehung erhellenden hohen kriminellen Energie des Angeklagten von einem solchen extremen Ausnahmefall nicht auszugehen. Zudem ist der Oberstaatsanwaltschaft zuzustimmen, dass auch generalpräventive Gründe gegen die Gewährung der begehrten Rechtswohltat sprechen. Das ins Treffen geführte aufrechte Beschäftigungsverhältnis vermag daran nichts zu ändern.
Der unbegründeten Berufung wegen Strafe war sohin zur Gänze ein Erfolg zu versagen.