JudikaturOLG Wien

30Bs47/25v – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
07. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edwards als Vorsitzende sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft Wien jeweils wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. September 2024, GZ ***, in der am 7. April 2025 in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Hofrätin Mag. Riener, des Angeklagten, seines Verteidigers Dr. Schlösser und der Privatbeteiligtenvertreterin Mag. Steiner durchgeführten öffentlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Ausspruchs über die Strafe wird nicht , jener des Angeklagten Folge gegeben und die verhängte Freiheitsstrafe auf 30 (dreißig) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 43a Abs 4 StGB wird ein Strafteil von 20 (zwanzig) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt. Gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO wurde er überdies schuldig erkannt, der Privatbeteiligten B* 1.500 Euro binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat A* am 1. Juni 2023 in ** B* mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie aufforderte, ihn oral zu befriedigen, sie an den Haaren packte, ihren Kopf zu seinem Penis und ihr diesen in den Mund drückte, wobei er ihr auch mehrere Ohrfeigen versetzte.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als mildernd den bisher ordentlichen Lebenswandel, als erschwerend keinen Umstand.

Nach Zurückweisung der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. Jänner 2025, GZ 12 Os 142/24k-4, verbleibt die Entscheidung über die sowohl vom Angeklagten als auch seitens der Staatsanwaltschaft Wien erhobenen Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 31, ON 32.1). Der Angeklagte meldete außerdem Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche an (ON 28), die er schriftlich nicht näher ausführte (ON 32.1, 4 ff), im Rahmen der Berufungsverhandlung zurückzog und – von der Privatbeteiligtenvertreterin bestätigt – dazu erklärte, den geltend gemachten Betrag von 1.500 Euro anzuerkennen und bereits Schadensgutmachung im Umfang von 1.000 Euro geleistet zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der insoweit verbleibenden Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe der Anklagebehörde kommt keine, derjenigen des Angeklagten im Ergebnis Berechtigung zu.

Das pauschal auf notwendige spezial- und generalpräventive Erfordernisse hinweisende Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zeigt keine weiteren Erschwerungsgründe und daher keine speziellen Punkte auf, die für eine Erhöhung bzw. - im konkreten Fall – gegen eine Herabsetzung der Strafe sprächen.

Der Angeklagte hat mittlerweile durch überwiegende Schadensgutmachung einen zu seinen Gunsten zu veranschlagenden Umstand im Sinne des § 34 Abs 1 Z 14 StGB geschaffen.

Weitere Milderungsgründe darzustellen, gelingt ihm hingegen nicht. Der bemängelte, vom Erstgericht ohnehin herangezogene besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB des bisher ordentlichen Lebenswandels liegt nur vor, wenn die Tat auch (arg: „und“) mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, sodass hier kein zusätzlich verstärkender Aspekt zuzubilligen ist. Soweit releviert wird, die Tat sei bereits vor längerer Zeit begangen worden und der Angeklagte habe sich seither wohlverhalten, ist darauf zu verweisen, dass sich die Rechtsprechung diesbezüglich an der Rückfallverjährung des § 39 StGB, demnach einer zeitlichen Dauer von rund fünf Jahren orientiert (RIS-Justiz RS0108563; Riffel in WK 2StGB, § 34 Rz 39), die angesichts des Tatzeitpunkts im April 2023 nicht annähernd erreicht wird. Dem Argument, der persönliche Eindruck lasse auf „jugendlichen Leichtsinn“ schließen, entzieht sich angesichts der Schwere der Tat einer sachlichen Erwiderung. Die Tatbegehung kurz nach dem 21. Geburtstag vermag ebenfalls keinen speziellen Milderungsgrund zu begründen (RIS-Justiz RS0091270), wobei auch darauf zu verweisen ist, dass gemäß § 19 Abs 4 Z 2 JGG von der selben Strafdrohung des über oder unter 21-jährigen Täters auszugehen ist.

Eine Anwendung des auf atypisch leichte Ausnahmefälle beschränkten und auf ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindeststrafe angelegten § 41 StGB (RIS-Justiz RS0091303) ist im vorliegenden Fall nicht indiziert bzw. in Bezug auf die in der Berufung bloß begehrte Herabsetzung der verhängten Strafe auf das Mindestmaß gar nicht erforderlich. Eine zur Gänze bedingte Strafnachsicht ist gemäß § 43 Abs 3 StGB gesetzlich ausgeschlossen.

Dennoch ist bei Abwägung aller tat- und schulderheblichen Aspekte die Strafe auf das im Spruch genannte Maß herabzusetzen und gemäß § 43a Abs 4 StGB teilbedingt nachzusehen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gewaltschutzgesetz 2019 (wie im Regierungsprogramm 2017 – 2022 vorgesehen) „härtere Strafen für Sexual- und Gewaltverbrecher“ eingeführt (158/ME 26.GP. – Ministerialentwurf – Erläuterungen, 1). In diesem Sinne wurde (unter anderem) die Mindeststrafe des § 201 Abs 1 StGB von einem auf zwei Jahre erhöht, eine gemäß § 43 Abs 1 StGB zur Gänze bedingte Strafnachsicht ausgeschlossen und dementsprechend im Zusammenhang mit dem Verbrechen der Vergewaltigung ein deutliches präventives Signal an die Allgemeinheit gerichtet. Weiterhin sind aber die sonst zur Verfügung stehenden Vorgaben zur Sanktionsfindung zu beachten und zu prüfen.

Beim Angeklagten handelt es sich um einen strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Ersttäter. Der zwischenzeitig stattgefundenen, überwiegenden Schadensgutmachung – womit nunmehr zwei wesentlichen Milderungsgründen kein Erschwerungsgrund gegenübersteht – ist durch entsprechende Herabsetzung der vom Erstgericht ausgemessenen Freiheitsstrafe Rechnung zu tragen.

Soweit das Erstgericht zur Begründung der Nichtanwendung des § 43a Abs 4 StGB auf „das aus dessen Aussage ersichtliche Frauenbild“ (US 7) abstellt, wurde dieser offenbar ungünstige Eindruck im Rahmen der Urteilsbegründung inhaltlich nicht näher erläutert. Selbsterklärend ist ein solcher spezial- oder generalpräventiv aufzugreifender Aspekt (nach Aussageverweigerung im Ermittlungsverfahren; ON 2.5) dem Hauptverhandlungsprotokoll aber nicht in einem Ausmaß zu entnehmen, der tatbestandsimmanente oder mit dem Ableugnen der Tat verbundene Elemente in greifbarer Weise übersteigt.

Insgesamt ist bei einem Ersttäter auch von einem ohnehin zwingend zu verbüßenden (siehe den Ausschluss des elektronisch überwachten Hausarrests gemäß § 156c Abs 1a StVG) bloßen Strafteil zu erwarten, dass das erstmals und sofort in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß verspürte Haftübel einen so nachhaltigen tatabhaltenden Einfluss ausüben wird, dass die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 43a Abs 4 StGB gerechtfertigt ist, der Rechtsbrecher werde keine weiteren strafbaren Handlungen begehen.