JudikaturOLG Wien

13R44/25y – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
01. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie Mag. Wessely und Mag. Nigl, LL.M., in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B* Ltd , **, Malta, vertreten durch CERHA HEMPEL Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 282.320,- sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28.1.2025, **-13, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 4.585,02 (darin enthalten EUR 764,17 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Text

Die Beklagte (Unternehmer) betreibt ein Online-Casino unter der URL ** und hat ihre Tätigkeit auch auf Österreich ausgerichtet. Sie verfügt über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz, jedoch über eine Konzession in einem anderen EU-Mitgliedsstaat.

Der Kläger (Verbraucher) erstellte auf der Website der Beklagten ein Spielerkonto unter dem Kontonamen ** und spielte auf der Website der Beklagten die dort angebotenen Glücksspiele. Dabei spielte er ausschließlich „Slots“. Wetten tätigte der Kläger nicht. Dabei ist dem Kläger im Spielzeitraum 22.9.2012 bis 18.12.2020 ein Gesamtverlust von EUR 282.320,- entstanden. Der Kläger betrieb das Glücksspiel bei der Beklagten ausschließlich aus Österreich.

Der Kläger wusste nicht, dass die Beklagte über keine Konzession für das Glücksspiel in Österreich verfügt. Mit Schreiben vom 10.8.2023 forderte der Kläger die Beklagte vor Klagseinbringung zur Zahlung auf.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung seiner Spielverluste im Wesentlichen mit dem Vorbringen, die Beklagte habe in Österreich Glücksspiele ohne eine Konzession angeboten. Weil er seine Einsätze auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages geleistet habe, könne er diese zurückfordern.

Die Beklagte bestreitet und beantragt die Abweisung der Klage. Sie wendet zusammengefasst und soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz ein, sie habe auf Basis ihrer maltesischen Glücksspielkonzession rechtmäßig Online-Glücksspiele im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit angeboten, weshalb die Verträge zwischen den Streitteilen wirksam seien. Das österreichische Glücksspielmonopol stelle einen unrechtmäßigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit dar und sei unionsrechtswidrig.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt verneinte es die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der österreichischen Höchstgerichte. Die Nichtigkeit des vorliegenden Glücksspielvertrags führe zur Rückabwicklung. Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel könnten zurückgefordert werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung samt sekundärer Feststellungsmängel mit einem auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

I. Verfahrensrüge:

1. Die Beklagte moniert einen Verfahrensmangel, weil das Erstgericht das von ihr beantragte Sachverständigengutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing [siehe ON 10, S 35] nicht eingeholt habe. Damit hätte unter Beweis gestellt werden können, dass die von den Konzessionsinhabern betriebene Werbung nicht den Kohärenzkriterien des EuGH entspreche, weil sie weder maßvoll noch darauf beschränkt sei, Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken, gezielt vulnerable Gruppen anspreche, Glücksspiel verharmlose und ihnen ein positives Image verleihe, Gewinne verführerisch in Aussicht stelle, die Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöhe sowie auch jene Personen zur aktiven Teilnahme am Glücksspiel anrege, die bis dato nicht gespielt hätten, etc.

2.Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte in diesem Zusammenhang nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Zurückweisung dieses Beweisantrags andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 57). Hat das Erstgericht aber – wie hier – zu dem ins Treffen geführten Sachverhalt keine Feststellungen getroffen, weil es diese im Hinblick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs als nicht entscheidungswesentlich und daher entbehrlich erachtete, könnte in der unterlassenen Beweisaufnahme – vorausgesetzt diese wäre rechtlich relevant – nur ein dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnender sekundärer Feststellungsmangel nach § 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen ( Pimmer, aaO § 496 ZPO Rz 55, 58).

Eine primäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt damit nicht vor.

II. Rechtsrüge:

1.Gegenstand der Rechtsrüge ist im Wesentlichen die Frage der von der Beklagten eingewendeten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols nach § 3 GSpG.

2.Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl etwa 1 Ob 95/23m; 6 Ob 157/24t, jüngst 6 Ob 19/25z [8]; vgl auch RS0130636 [T7]).

3. In drei Entscheidungen hatte der Oberste Gerichtshof auf Grund der vom EuGH in der Entscheidung C-920/19 vom 18.5.2021 ( Fluctus/Fluentum) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols diese Frage als abschließend beantwortet erachtet. Dabei setzte sich der Oberste Gerichtshof mit den wesentlichen auch hier von der Berufungswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Argumenten auseinander (1 Ob 229/20p; 9 Ob 20/21p; 5 Ob 30/21d). Diese nunmehr ständige Rechtsprechung wurde auch in sämtlichen nachfolgenden Entscheidungen aufrecht erhalten (7 Ob 163/21b; 6 Ob 59/22b; 9 Ob 25/22z; 1 Ob 25/23t; 5 Ob 85/23w ua, jüngst etwa 5 Ob 177/24a).

4. Der EuGH befasste sich in der Entscheidung C-920/19 vom 18.5.2021 ( Fluctus/Fluentum) mit dem österreichischen Glücksspielmonopol und den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Er ging davon aus, dass für die Prüfung der Kohärenz einer expansiven (Werbe-)Politik des Monopolisten auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zu Gunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen seien und eine Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen nicht allein deshalb anzunehmen sei, weil die Werbepraktiken des Monopolisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (vgl 1 Ob 229/20p).

5. Dass Online-Sportwetten und Online-Glücksspiele nicht gleich behandelt werden, steht der Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols als solches nach der auf Rechtsprechung des EuGH (vgl etwa EuGH C-46/08, Carmen Media, Rn 63) fußenden Judikatur des VwGH nicht entgegen, ebenso wenig die unterschiedliche Regulierung des Spielautomatenbereichs (Ra 2018/17/0048 Rn 88 ff, 41 ff). Eine Gleichbehandlung von Glücksspielen online und offline ist nach der Rechtsprechung des EuGH nicht in vollem Umfang geboten, weil das Anbieten von Glücksspielen über das Internet von Besonderheiten geprägt ist (EuGH C-46/08, Rn 101 ff mwN; vgl auch 3 Ob 72/21s).

6. Aus den Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen, Aufsicht über die Konzessionäre und als Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der C* AG ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten.

7. Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral ).

8. Entscheidungswesentliche Umstände, die sich seit der Beurteilung der Kohärenz des österreichischen Glücksspielrechts durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung geändert hätten, werden in der Berufung nicht aufgezeigt. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht veranlasst, von der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung abzugehen, wonach – auch im hier relevanten Zeitraum – abschließend geklärt ist, dass das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht.

Näherer Feststellungen zu diesem Thema bedurfte es daher – auch bezüglich des der Klage zugrundeliegenden Spielzeitraums – nicht.

Das Berufungsgericht sieht sich aus diesem Grund auch nicht veranlasst, dem von der Berufungswerberin erneut angeregten Vorabentscheidungsersuchen näher zu treten.

9.Die Durchführung von Online-Glücksspielen in Österreich bedarf somit einer Konzession nach § 14 GSpG iVm § 1 Abs 1 und 2 GSpG iVm § 12a GSpG, andernfalls ist das Glücksspiel verboten. Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (vgl 6 Ob 19/25z [6]; vgl 7 Ob 225/16p mwN; RS0025607 [T1]), sodass das Erstgericht mit zutreffender Begründung die Klagsforderung für berechtigt erachtete.

Der Berufung war damit nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, von der das Berufungsgericht nicht abgewichen ist.