JudikaturOLG Wien

5R188/24i – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
31. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Guggenbichler als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Böhm und die KR Eigner in der Rechtssache der klagenden Partei A* AG, **, **, Deutschland, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, FN **, **, vertreten durch die Walch, Zehetbauer, Motter Rechtsanwälte OG in Wien, wegen EUR 149.997,52 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10.9.2024, **-78, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 13.9.2024, **-80 in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.407,35 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klägerin hat mit der C* GmbH (im Folgenden „C*“) eine Versicherung für Bahnfahrzeuge für den Schienentransport von Gütern mit einer Vertragslaufzeit vom 1.4.2016 bis 1.4.2018 abgeschlossen. Die C* ist Halterin der von der D* GmbH geleasten Lokomotive mit der UIC Nummer **, die vom Versicherungsvertrag umfasst ist. Die Versicherungssummen auf erstes Risiko belaufen sich auf jeweils EUR 500.000. Der Selbstbehalt beträgt EUR 10.000,00.

Am 23.4.2019 um 4.51 Uhr kollidierte die Lokomotive auf der Strecke zwischen ** und ** auf Höhe des Bahnkilometers 112,100 der Strecke ** mit einem auf dem Gleis liegenden Felsbrocken, der sich von dem darüber liegenden Hang löste. Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel. Der Zug fuhr mit der an der Unfallstelle zulässigen Geschwindigkeit von 65 km/h, als der Triebfahrzeugführer einen abgeknickten Oberleitungsmast sowie den auf dem Gleis liegenden Felsbrocken wahrnahm und unverzüglich eine Schnellbremsung einleitete. Als der Triebfahrzeugführer die Hindernisse erkannte, war der Zug etwa 80 Meter von der Unfallstelle entfernt. Der Felsbrocken auf den Gleisen war nicht früher erkennbar. Vor der Kollision gab es keine Hinweise eines Fahrdienstleiters oder der Betriebsführungszentrale (BFZ), dass sich auf der Strecke ein Hindernis befinde. Der Bremsweg des klagsgegenständlichen Güterzugs beträgt bei einer Geschwindigkeit von 65 km/h rund 232,80 Meter, was einer Dauer der Bremsung bis zum Stillstand von etwa 26 Sekunden entspricht. Auf diese Distanz ist ein Hindernis wie der gegenständliche Felsbrocken nicht erkennbar. Züge dürfen - außer im Falle eines Befehls durch die Fahrdienstleitung - nicht auf Sicht, sondern signalgeführt fahren. Das bedeutet, dass der Triebfahrzeugführer davon ausgehen kann, dass der durch ein mit Freibegriff zeigendes Signal nachgelegene und durch das Signal gedeckte Streckenabschnitt frei und befahrbar ist und sich keine Hindernisse auf der Strecke befinden.

Durch den Unfall wurde die Lokomotive links vorne beschädigt.

Zwischen der C* als Eisenbahnverkehrsunternehmen und der Beklagten als Eisenbahninfrastrukturunternehmen bestand im Zeitpunkt des Unfalls ein aufrechter Infrastrukturnutzungsvertrag. Die diesem Vertrag zu Grunde liegenden AGB der Beklagten lauten auszugsweise wie folgt:

„20. Haftung

Die Vertragspartner haften nach den gesetzlichen und völkerrechtlichen Bestimmungen, insbesondere jenen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), Unternehmensgesetzbuches (UGB), Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes (EKHG) und des CUI, sofern in diesen AGB nicht hievon abweichende Regelungen enthalten sind. Die Vertragspartner halten einander für von ihnen bei Dritten und Hilfspersonen verursachte Schäden einschließlich von Regressen und Versicherungsregressen sowie für von ihnen verursachte Immissionen schad- und klaglos und informieren sich unverzüglich gegenseitig, wenn Dritte bzw Hilfspersonen derartige Forderungen geltend machen.“

Die von der E*-GmbH (idF „E*“) in Rechnung gestellten Kosten für die Reparatur der aus dem Unfall resultierenden Schäden betragen EUR 49.995,05.

C* übergab die Lokomotive am 13.5.2019 an E* zur Reparatur. E* übergab der C* die reparierte Lokomotive am 12.7.2019. Ein angemessener und üblicher Zeitraum für die Reparatur der durch den Unfall entstandenen Schäden beläuft sich auf etwa sechs bis acht Wochen. Zwischen dem Unfalltag (23.4.2019) und dem Tag der Übergabe der Lokomotive zur Reparatur (13.5.2019) holte C* ein Angebot für die Reparatur von E* ein. Daneben wollte C* auch ein Vergleichsangebot von F* einholen; F* legte aber kein Angebot. Weiters ließ die Klägerin als Versicherer die Lokomotive durch einen Privatsachverständigen begutachten. Ein Zeitraum von drei Wochen zwischen Unfall und Übergabe zur Reparatur ist branchenüblich und angemessen.

Die Kosten für die Anmietung einer Ersatzlokomotive im Zeitraum 23.4.2019 bis 12.7.2019 von ** GmbH belaufen sich auf monatlich EUR 38.962 netto, insgesamt sohin auf EUR 100.002,47. Diese Kosten sind ortsüblich und angemessen.

Die als Ersatz für das klagsgegenständliche Triebfahrzeug angemietete Lokomotive war bereits vor dem Unfall für C* im Einsatz, weil sie projektbezogen für einen Auftrag angemietet worden war. Dieser Auftrag endete am 15.4.2019. Aufgrund der Kündigungsfristen im Vertrag mit dem Vermieter der Lokomotive konnte diese erst am 30.4.2019 zurückgegeben werden. Nach dem Unfall am 23.4.2019 entschied sich C*, die angemietete Lokomotive zu behalten, um sie als Ersatz für die klagsgegenständliche Lokomotive einzusetzen. Ohne den Unfall hätte man die Lokomotive nicht weiter angemietet. Die angemietete Lokomotive wurde am 31.7.2019 an die Vermieterin zurückgestellt.

Die Klägerin bezahlte an E* für C* am 30.1.2020 EUR 39.995,05 Reparaturkosten der Lokomotive und an C* am 13.3.2020 EUR 90.002,47 für die Kosten der Anmietung der Ersatzlokomotive. C* zahlte zudem EUR 10.000 an Selbstbehalt für die Reparaturkosten und EUR 10.000,00 an Selbstbehalt für die Mietkosten. C* trat alle Ansprüche aus der Kollision an die Klägerin ab. Die Klägerin nahm diese Abtretung an. D* trat ihre Ansprüche aus der Kollision an die Klägerin ab. Die Klägerin nahm diese Abtretung an.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 22.4.2020 eingebrachten Klage EUR 149.997,52 s.A..

Sie brachte zusammengefasst vor, aufgrund des Unfalls aus dem Versicherungsvertrag eine Versicherungsleistung von EUR 129.997,52 an die Versicherungsnehmerin erbracht zu haben. Bei den weiteren EUR 20.000 handle es sich um den Selbstbehalt. Diesbezüglich habe die Versicherungsnehmerin ihr den Ersatzanspruch abgetreten.

Sie stütze ihren Anspruch insbesondere auf das EKHG, dies unter Verweis auf die höchstgerichtlichen Entscheidungen 2 Ob 18/16k sowie 2 Ob 47/19d. Darauf, ob es sich um ein unabwendbares Ereignis höherer Gewalt gehandelt habe, komme es bei der Gefährdungshaftung nach EKHG nicht an. Ungeachtet dessen sei ein zweijähriges Betreuungsintervall für das Gelände am Unfallort nicht ausreichend. Es wäre der Beklagten möglich und zumutbar gewesen, bauliche Maßnahmen zu setzen, die einen Felssturz auf die Schienen wirksam verhindern.

Die Beklagtebestritt die Klagebehauptungen, beantragte Klagsabweisung und wendete (zusammengefasst) ein, der Unfall hätte durch eine schnellere Reaktion des Triebwagenführers verhindert werden können; diesbezüglich werde der Mitverschuldenseinwand erhoben. Die Kosten für die Anmietung einer Ersatzlokomotive seien weder notwendig noch angemessen oder ortsüblich. Die Lokomotive sei ständig angemietet gewesen, sodass die Kosten auch unabhängig vom Unfall entstanden wären. C* habe längere Zeit zwischen dem Unfall und der Reparatur verstreichen lassen, sodass die für diesen Zeitraum angefallenen Kosten nicht von der Beklagten verursacht worden seien. Der Schieneninfrastrukturvertrag zwischen C* und der Beklagten sehe vor, dass das EKHG keine Anwendung finde und sich die Haftung der Beklagten nach den internationalen Rechtsvorschriften über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (CUI) richte. Die CUI seien zwingend anzuwenden und gehen den übrigen Haftungsbestimmungen, insbesondere jenen des ABGB und des EKHG, vor. Art 8 Abs 2 CUI sehe vor, dass der Betreiber bei Sachschäden von der Haftung befreit ist, wenn diese durch Umstände verursacht wurden, welche der Betreiber nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.

Die Beklagte hafte nicht, weil es sich um ein unabwendbares Ereignis aufgrund höherer Gewalt handle. Es gebe für das Gebiet Lehnenbetreuungskonzepte, aus denen sich ergebe, inwieweit die jeweiligen an die Schienen angrenzenden Gebiete beobachtet und begangen werden müssen. Im gegenständlich relevanten Streckenabschnitt sei seit 1878 kein einziges Ereignis dokumentiert, bei dem sich aus der bis zu 300 Meter hohen Felswand ein Blocksturz ereignet hätte. Das Betreuungskonzept, das eine Begehung alle zwei Jahre im gegenständlichen Lehnenbereich vorgesehen habe, sei sachgerecht, angemessen und völlig ausreichend, um aus zu erwartenden Umständen resultierende Gefahren zu verhindern. Das Konzept sei auch tatsächlich eingehalten worden. Die Absturzstelle liege mehr als 1000 Meter vom Gleis entfernt. Der Bereich, in dem der Blocksturz erfolgt sei, sei im Lehnenbetreuungskonzept nicht berücksichtigt, weil dies unter Berücksichtigung der bisherigen Ereignisdaten nicht erforderlich und zudem auch nicht sinnvoll und zumutbar wäre.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren mit Ausnahme des Begehrens auf Zinseszinsen statt.

Es traf die auf den Seiten 1, 2 und 4 bis 8 des angefochtenen Urteils ersichtlichen, eingangs der Berufungsentscheidung auszugsweise wiedergegebenen Sachverhaltsfeststellungen, auf die verwiesen wird und folgerte rechtlich, der OGH habe zu 2 Ob 142/22d klargestellt, dass die nationalen Haftungsbestimmungen neben jenen der CUI zur Anwendung gelangen.

Klausel 20 der AGB des Infrastrukturnutzungsvertrages zwischen C* und der Beklagten sehe vor, dass die Vertragspartner ua nach CUI und ABGB, UGB und EKHG haften. Die Anwendung des EKHG sei daher ausdrücklich vereinbart worden.

Grundsätzlich hafteten das Eisenbahnverkehrsunternehmen (idF „EVU“; hier: C*) und das Eisenbahninfrastrukturunternehmen (idF „EIU“; hier: Beklagte) gegenüber Dritten solidarisch. Die Judikatur anerkenne aber, dass lediglich einer der beiden (EVU oder EIU) hafte, wenn eine Gefahr allein dem Betrieb eines der beiden zuzurechnen sei. Das EKHG habe diese Trennung für das Haftungsrecht bisher nicht nachvollzogen. Gemäß § 5 Abs 2 EKHG haften mehrere Betriebsunternehmer derselben Eisenbahn zur ungeteilten Hand. Welche Konsequenzen die Aufspaltung für die Haftung der Eisenbahnunternehmen im Einzelnen habe, werde vor diesem Hintergrund im österreichischen Schrifttum diskutiert. Einigkeit bestehe darin, dass jedenfalls dann, wenn sich – wie im Regelfall – eine im Zusammenwirken von EIU und EVU begründete Betriebsgefahr verwirklicht habe, eine solidarische Haftung beider Unternehmen als Betriebsunternehmer iSv § 5 Abs 2 EKHG sachgerecht sei. Habe sich aber ausnahmsweise eine Gefahr des Betriebs verwirklicht, deren Ursache nicht im Zusammenwirken von EIU und EVU liege, so könne dies zur alleinigen Haftung jenes Betriebsunternehmers führen, dessen Betrieb die Gefahr zuzurechnen sei. Entscheidend sei der Gefahrenzusammenhang zwischen Unfall und Betrieb. Diese Auffassung entspreche im Wesentlichen auch dem Stand von Rsp und Lehre in Deutschland. Diese Grundsätze seien auch für die Haftung von EVU und EIU untereinander anwendbar. So hafte das EIU dem EVU für Beschädigungen am Zug des EVU, wenn die Gefahr, die sich verwirklicht habe, allein in der Sphäre des EIU liege. Nach der Literatur gelte die Gefährdungshaftung des EKHG zwar nicht für Schäden an der Eisenbahn selbst. Diese Aussage gehe aber erkennbar von Fällen aus, in denen die Betriebsunternehmereigenschaft nicht (wie hier) aufgespalten sei.

Wegen § 31 BundesbahnG falle die Aufrechterhaltung der „Verkehrsfähigkeit“ der Gleise unstrittig in den (alleinigen) Aufgabenbereich des EIU. Der OGH gelange in solchen Fällen zu einer alleinigen Haftpflicht des EIU.Die Beklagte könne sich nicht nach § 9 EKHG freibeweisen, und zwar selbst dann nicht, wenn man unterstelle, dass sie alle ihr zumutbare Sorgfalt zur Verhinderung des

Felssturzes bzw der Kollision aufgewendet habe. Die Beklagte als verantwortliches EIU könne sich dann nicht von der Haftung befreien, wenn das unabwendbare Ereignis auf einem „Fehler in der Beschaffenheit oder Versagen der Verrichtungen der Eisenbahn“ beruhte: Da es sich hierbei um einen eigenständigen Grund für einen Mangel in der Sphäre des Haftpflichtigen handle, bewirke auch die Einhaltung jeder gebotenen Sorgfalt keine Entlastung. Die genannte Beschaffenheit und/oder „Verrichtungen“ (besser: Einrichtungen) sei(en) nicht nur jene am Fahrzeug selbst, sondern auch an den Gleisen oder den Oberleitungen, konkret Steine auf den Gleisen oder ein herabhängender Fahrleitungsdraht. Schon aus diesem Grund sei die Haftungsbefreiung unanwendbar, weil zwar möglicherweise das Ereignis tatsächlich unabwendbar gewesen sei, aber für Fehler der Einrichtungen (hier: durch einen Felsbrocken blockierte Gleise) eben immer und verschuldensunabhängig zu haften sei. Nach der Rsp liege zudem auch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr vor, wenn ein Stein auf den Gleisen liege und daher eine Notbremsung eingeleitet werden müsse (Gefahrenerhöhung gegenüber der „Grundgefahr“, die in der schnellen Bewegung großer Massen liege); diesbezüglich sei auf die Entscheidungen 2 Ob 47/19d (Steine auf Gleisen) oder 2 Ob 113/06s (Umsturz durch Föhnsturm) zu verweisen. Weitere Beispiele fänden sich in der Literatur. Wenn (wie hier) außergewöhnliche Betriebsgefahr und Versagen der „Verrichtungen“ zusammenfielen, könne die Haftung (bzw der Wegfall der Haftungsbefreiung) alternativ auf beide Tatbestände gestützt werden.

Der Entlastungsbeweis stehe dem (hier) Betriebsunternehmer nach § 9 Abs 2 EKHG nicht offen, wenn der Unfall unmittelbar auf die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Der OGH vertrete dazu in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass es für die Haftung keinen Unterschied mache, ob die außergewöhnliche Betriebsgefahr durch einen Dritten, ein Tier oder durch höhere Gewalt, wie zB einen Felssturz, ausgelöst werde. Genau das sei hier der Fall. Auf die Frage, ob die Beklagte alle zumutbaren Maßnahmen zur Verhinderung des Unfalls und damit die nach den Umständen gebotene, äußerst mögliche Sorgfalt obwalten habe lassen, komme es daher nicht an. Es seien daher keine Beweise zu diesem Thema aufzunehmen.

Der Einwand des Mitverschuldens sei unberechtigt. Das Klagebegehren sei auch der Höhe nach berechtigt.

Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in klagsabweisendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Zur Rechtsrüge:

1.1.Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsausführungen im angefochtenen Urteil für überzeugend, die in der Berufung enthaltenen Argumente hingegen für nicht stichhältig (§ 500a ZPO).

Den Berufungsausführungen ist im Übrigen noch Folgendes zu erwidern:

1.2.Die Berufungswerberin vermeint, die Anwendbarkeit des EKHG auf Schäden, die verschiedene Eisenbahnunternehmen einander zufügten, sei nach Lehre und Rechtsprechung umstritten. Sie übergeht dabei den Umstand, dass es sich bei der gegenständlichen Lokomotive nach den Feststellungen um ein Leasingobjekt handelte, das die Versicherungsnehmerin der Klägerin als Leasingnehmerin von D* als Leasinggeberin geleast hatte. Nach herrschender Rechtsprechung tritt der Schaden, der durch die Beschädigung einer geleasten Sache entsteht, nicht im Vermögen des Leasingnehmers, sondern im Vermögen des Eigentümers der Sache-hier eben der D*-ein (RIS-Justiz RS0020699).

1.3.Im Sinne der zutreffenden Rechtsausführungen des Erstgerichts haften EIU und EVU als „mehrere Betriebsunternehmer“ im Sinne von § 5 Abs. 2 EKHG dann solidarisch, wenn sich eine im Zusammenwirken dieser Unternehmen begründete (hier: außergewöhnliche) Betriebsgefahr verwirklicht hat. Wenn die Gefahr hingegen ausnahmsweise nicht auf ein Zusammenwirken von EIU und EVU zurückzuführen ist, haftet allein jenes Unternehmen, dessen Betrieb die Gefahr (allein) zuzurechnen ist. Dazu hat der OGH bereits entschieden, dass die Verlegung der Schienentrasse durch Felsbrocken ebenso wie eine Gleiserhöhung als typisches Gefahrenmoment der in der Verfügungsgewalt des EIU stehenden Schienentrasse anzusehen ist (2 Ob 18/16/K, 2 Ob 47/19d). Die von dem auf den Gleisen (und damit der Infrastruktur) liegenden Felsbrocken ausgehende außergewöhnliche Betriebsgefahr ist allein der Beklagten als EIU zuzurechnen und verwirklicht ihre Haftung nach § 9 Abs 2 EKHG.

1.4.Soweit die Berufungswerberin auf die Haftungsbefreiung gemäß § 9 EKHG Bezug nimmt, übersieht sie, dass die Unabwendbarkeit des schadensstiftenden Ereignisses gemäß Abs 2 leg.cit. durch eine außergewöhnliche Betriebsgefahr ausgeschlossen wird. Eine außergewöhnliche Betriebsgefahr stellt nach der Rechtsprechung unter anderem die Kollision einer Lokomotive mit einem von einer Felswand auf die Gleise gestürzten Felsbrocken dar (2 Ob 47/19d). Die Beklagte kann sich daher nach zutreffender Rechtsansicht des Erstgerichts nicht auf den Haftungsausschluss gemäß § 9 EKHG berufen. Aus diesem Grund bedarf es auch der von ihr als fehlend gerügten Feststellungen (Seite 7 der Berufungsschrift) für die rechtliche Beurteilung nicht.

2. Zur Verfahrensrüge:

Die Beklagte erblickt eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in der unterbliebenen Vernehmung der von ihr beantragten Zeugen und der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Geologie.

Die Beklagte hat die genannten Zeugen sowie das Sachverständigengutachten zum Beweis für ihr fehlendes Verschulden bzw den Haftungsausschluss nach § 9 EKHG beantragt. Da der Beklagten, wie bereits zur Rechtsrüge ausgeführt, der Entlastungsbeweis gemäß § 9 EKHG aber aufgrund der Verwirklichung einer außergewöhnlichen Betriebsgefahr nicht offensteht, verwirklicht die unterbliebene Aufnahme dieser Beweise auch keinen Verfahrensmangel.

Der Berufung war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Umsatzsteuer wurde nicht verzeichnet.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Haftung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens und zum Haftungsausschluss gemäß § 9 EKHG.