JudikaturOLG Wien

6R328/24k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
06. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fabian als Vorsitzende, sowie die Richterinnen Mag. Nigl, LL.M., und Mag. Müller im (aufgehobenen) Konkurs über das Vermögen der gelöschten A* GmbH, FN **, zuletzt **, Masseverwalterin Dr. B*, Rechtsanwältin in **, über den Rekurs des DDr. C* , **, vertreten durch Dr. Lothar Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 14.11.2024, D*-74, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,-.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung

Die A* GmbH ( Schuldnerin ) war ab 25.5.2012 mit Sitz in ** zu FN ** im Firmenbuch eingetragen.

Mit Beschluss vom 25.5.2018 eröffnete das Handelsgericht Wien über das Vermögen der Schuldnerin zu D* das Konkursverfahren und bestellte Dr. B* zur Masseverwalterin. Zu diesem Zeitpunkt war die Schuldnerin Eigentümerin der Liegenschaften EZ ** und EZ **, beide KG **, Bezirksgericht Hietzing ( Liegenschaften ).

Diese Liegenschaften wurden mit Kaufvertrag vom 9.7.2018, abgeschlossen zwischen „Dr . B*, als Masseverwalterin im Konkursverfahren über das Vermögen der A* GmbH “ und der „ E* GmbH, FN ** “ ( Käuferin ), diese vertreten durch den Geschäftsführer C*, um EUR 3,54 Mio verkauft. Als Vertragserrichterin und Treuhänderin wurde die Masseverwalterin tätig (vgl Punkte 4.2. und 4.5.). Die Kosten der Vertragserrichtung, der Treuhandabwicklung und der notariellen Beurkundung dieses Vertrags übernahm die Käuferin (vgl Punkte 4.1. und 7.1.). Die Käuferin entband die Masseverwalterin als Treuhänderin auch von der Verschwiegenheitspflicht (vgl Punkt 4.5.) und beauftragte und bevollmächtigte sie unwiderruflich mit der grundbücherlichen Durchführung dieses Vertrags (vgl Punkt 9.1.).

Im Kaufvertrag lautet es weiters:

2.3. … Festgehalten wird jedoch, dass der Käuferin der Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag (insbesondere Punkt VI.), welcher zwischen der Schuldnerin und Herrn Ing. F* abgeschlossen wurde, bekannt ist und dafür auf jegliche Haftungen übernimmt. Der Käuferin ist auch bekannt, dass er das Optionsentgelt an die Schuldnerin bezahlt hat. Ob F* tatsächlich außerbücherlicher Eigentümer ist, kann von der Masseverwalterin nicht beurteilt werden. Die Käuferin wird eine Einigung mit Ing. F* herzustellen haben.

6.9. Festgehalten wird, dass der Käuferin der Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag (insbesondere Punkt VI.), welcher zwischen der Schuldnerin und Herrn Ing. F* abgeschlossen wurde, bekannt ist und jegliche Haftung übernimmt. Die Verträge wurden der Käuferin übergeben. Diesbezüglich übernimmt die Masseverwalterin und Vertragsverfasserin keine Haftungen. Die Masseverwalterin und Vertragsverfasserin hat die Käuferin diesbezüglich umfangreich aufgeklärt. In Kenntnis der Sach- und Rechtslage unterfertigt die Käuferin den Vertrag und übernimmt allfällige Pflichten aus diesem Vertrag und auch aus dem abgeschlossenen Darlehens- und Pfandbestellungsvertrag gegenüber Ing. F*. Der Käuferin ist auch bekannt, dass er das Optionsentgelt betreffend der Wohnung ** an die Schuldnerin bezahlt hat. Ob Ing. F* tatsächlich außerbücherlicher Eigentümer ist, kann von der Masseverwalterin derzeit nicht beurteilt werden. Im Grundbuch finden sich keine Anmerkungen. Die Käuferin hält die Masseverwalterin und Vertragsverfasserin diesbezüglich auch völlig schad- und klaglos und steht ihr auch diesbezüglich kein Preisminderungsrecht zu, zumal sie vor dem Kauf diesbezüglich umfangreich aufgeklärt wurde und in Kenntnis dieser Sach- und Rechtslage den Kaufvertrag abschließt. Dieser Umstand wurde auch im Kaufpreis bereits berücksichtigt.

Das Erstgericht erteilte diesem Kaufvertrag mit Beschluss vom 27.7.2018 (ON 18) die konkursgerichtliche Genehmigung. Mit Beschluss vom 5.11.2019 (ON 69) wurde das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben. Am 17.2.2023 erfolgte zu ** des Handelsgerichts Wien die amtswegige Löschung der Schuldnerin gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit.

Die Käuferin „ E* GmbH “ firmiert seit 26.9.2020 (** des Erstgerichts) unter „ G* GmbH “, ihr Geschäftsführer war von 21.4.2018 bis Juli 2020 C*.

Zu H* des Handelsgerichts Wien ist ein Verfahren zwischen Ing. F* als Kläger und der Käuferin als beklagter Partei anhängig. Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei ist DDr. C*.

Am 13.11.2024 beantragte Ing. F* beim Erstgericht (ON 73), die Masseverwalterin, Dr. B*, als Zeugin im Verfahren H* von der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Masseverwalterin im Verfahren D* und hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Vertragserrichterin sowie als Vertragspartei zu entbinden, sodass sie über den Inhalt aller in diesem Verfahren gepflogenen gerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen, Konferenzen, Vertrags- und Vergleichsverhandlungen, erfolgten Feststellungen und geführten sonstigen Verfahren sowie über alle Umstände, von welchen sie im Zusammenhang mit diesem Verfahren Kenntnis erlangt habe, Auskunft geben könne. Gegenstand des Verfahrens H* seien Rechte und Pflichten insbesondere aus dem Kaufvertrag vom 9.7.2018, den die Masseverwalterin im Rahmen des Verfahrens D* abgeschlossen und errichtet habe. Die Masseverwalterin sei sowohl von ihm als Kläger, als auch von der beklagten Partei im Zivilverfahren namhaft gemacht worden und bestehe gleichermaßen Interesse daran, dass sie als Zeugin aussage.

Diesem Antrag waren der Kaufvertrag samt dem Genehmigungsbeschluss und ein Aktenvermerk vom 9.7.2018 angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Beschlusswies das Erstgericht diesen Antrag zurück. Eine Entbindung der Insolvenzverwalterin von einer allfälligen Verschwiegenheitspflicht im Sinne des Art 20 Abs 3 B-VG (hier: nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens) sei in der Insolvenzordnung nicht vorgesehen. Es fehle daher an einer gesetzlichen Grundlage für eine Entbindung. Für die (zivilrechtliche) Tätigkeit der Insolvenzverwalterin als Vertragserrichterin oder Vertragspartei sei das Insolvenzgericht nicht zuständig (§ 9 RAO).

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Nebenintervenienten DDr. C* mit einem auf Abänderung im Sinne der Genehmigung des Antrags auf Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gerichteten Antrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Er sei rechtskräftig zugelassener Nebenintervenient im Verfahren des Erstgerichts zu H*, in dem sich alle Seiten auf die Einvernahme von Dr. B* berufen hätten. Ing. F* habe die Antragstellung übernommen, wolle aber keinen Rekurs erheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig .

1. Die Rechtsmittelbefugnis als Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist von Amts wegen zu prüfen ( Sloboda in Fasching/Konecny 3IV/1 § 514 ZPO Rz 30).

2. Das Insolvenzrecht regelt nicht generell, wer Beschlüsse des Insolvenzgerichts mit Rekurs anfechten kann ( Andreas Konecny, Kein Gläubigerrekurs gegen Freigabeschlüsse im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung, ZIK 2015/225). § 260 IO sagt zur Rekurslegitimation nichts aus. Einige Bestimmungen der Insolvenzordnung (so etwa die §§ 71c Abs 1, 125 Abs 2 und 155 IO) regeln explizit, wer die jeweiligen Beschlüsse anfechten kann. Den Spezialregelungen lässt sich aber keine generelle Abgrenzung der Rekurslegitimation entnehmen ( Andreas Konecny , Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Beschlüsse der Insolvenzgerichte, ÖJZ 2012/118). Die Struktur des Insolvenzverfahrens als Mehrparteien- und als Sammelverfahren ist auch bei der Rechtsmittellegitimation beachtlich. Daher muss die Rechtsmittellegitimation jeweils für den konkreten Verfahrensabschnitt beantwortet werden (vgl Schneiderin Konecny, InsG § 71c IO Rz 6).

3. Grundsätzlich ist im Insolvenzverfahren jeder zum Rekurs befugt, der durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts in seinem Recht verletzt sein kann ( Beschwer), wobei die Rechtsprechung großteils auf die Beeinträchtigung eines bereits bestehenden Rechts abstellt; eine bloße Beeinträchtigung von wirtschaftlichen Interessen genügt nicht. Jedenfalls zum Rekurs legitimiert sind nach ständiger Rechtsprechung die an der Insolvenz Beteiligten. Hierbei handelt es sich nach Konecny um Personen, denen von der IO ein Mitwirkungsrecht an der Entscheidungsfindung eingeräumt wurde. Unter diesem Gesichtspunkt ist für eine Rekurslegitimation eine Antragsbefugnis, eine Genehmigungspflicht, ein Mitspracherecht bzw eine Anhörungspflicht, nicht jedoch – mit Ausnahme – ein reines Äußerungsrecht, ausreichend (RS0065135; vgl Andreas Konecny, Kein Gläubigerrekurs gegen Freigabebeschlüsse im Schuldenregulierungsverfahren mit Eigenverwaltung, ZIK 2015/225 [166]; Erler in KLS 2, § 260 IO Rz 4).  Dabei ist es gleichgültig, ob er am Konkursverfahren bereits teilgenommen hat oder nicht (RS0065135 [T2]). Es muss ein Eingriff in eine geschützte Rechtssphäre (eine erworbene Rechtsposition) des Rechtsmittelwerbers vorliegen (RS0006497).

4.Das Rekursrecht steht somit nur den am Konkurs Beteiligten zu. Ein Vertragspartner der Konkursmasse ist kein Beteiligter (RS0065256). Keine Rekurslegitimation haben Vertragspartner, denn sie sind zwar ins Verwertungsgeschehen einbezogen, aber die Genehmigung dient der Innenkontrolle des Verwalterhandelns, nicht dem Schutz von Erwerbsinteressen ( Andreas Konecny, Die Zulässigkeit des Rekurses gegen Beschlüsse der Insolvenzgerichte, ÖJZ 2012/118). Auch der Prozessgegner der Masse ist kein Beteiligter des Konkursverfahrens (RS0065256 [T2]; RS0065135 [T19]).

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den hier vorliegenden Sachverhalt Folgendes:

5. DDr. C* ist im Zivilprozess Nebenintervenient auf Seiten der Vertragspartnerin der Konkursmasse, somit der Käufergesellschaft. Zwar war er in der Zeit des Insolvenzverfahrens Geschäftsführer der Käufergesellschaft, er war aber nicht am Konkurs Beteiligter, insbesondere war er auch nicht (persönlich) Insolvenzgläubiger (vgl ON 15 rot).

6. Auch hinsichtlich des mit dem Antrag von Ing. F* eingeleiteten Zwischenverfahrens über die Entbindung der Masseverwalterin von der Verschwiegenheitspflicht kommt DDr. C* keine Beteiligten- bzw Parteistellung zu. Er ist nicht Antragsteller, sondern Nebenintervenient auf Seiten der Käuferin im Zivilprozess: Mit der hier gegenständlichen Antragstellung des Ing. F* wird er nicht automatisch Beteiligter oder Partei des Entbindungsverfahrens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens, an dem er nicht beteiligt war. Seine Rechtsmittellegitimation zur Anfechtung des gegenständlichen Beschlusses ist somit zu verneinen, sodass sein Rekurs zurückzuweisen war.

7.Die Aussprüche über die Bewertung des Entscheidungsgegenstands und die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses beruhen auf § 252 IO iVm §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 und 3 und 528 Abs 1 ZPO. Der Streitwert im dieser Antragstellung zugrundeliegenden Zivilprozess beträgt EUR 103.220,43 sA. Der ordentliche Revisionsrekurs war zuzulassen, weil zu der erheblichen Rechtsfrage, ob dem Nebenintervenienten im Zivilprozess, der nicht zugleich Antragsteller im aufgehobenen Insolvenzverfahren, sondern auf Seiten der Gegnerin des Antragstellers und Vertragspartnerin der Masse dem Zivilprozess beigetreten ist, im Zwischenverfahren über einen Antrag auf Entbindung der Masseverwalterin von der Verschwiegenheitspflicht zu deren Einvernahme im Zivilprozess Rekurslegitimation zukommt, soweit überblickbar, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.