Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* und einen anderen Angeklagten wegen §§ 15, 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des B* wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12. November 2024, GZ **-155.3, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterinnen Dr. Vetter und Mag. Marchart als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Riener sowie in Anwesenheit des Angeklagten B* und seines Verteidigers Mag. Noah McElheney durchgeführten Berufungsverhandlung am 13. Februar 2025 zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen – auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche der Angeklagten A* enthaltenden – Urteil wurde B* des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB (I.1.) und des Vergehens des versuchten betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach §§ 15, 148a Abs 1 und 3 StGB (I.2.) schuldig erkannt und hiefür bei aktenkonformer Anrechnung der Vorhaft unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 144 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechsundzwanzig Monaten verurteilt.
Demnach hat B* („alias C*“) im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit A* (§ 12 StGB)
I.1. am 30. Oktober 2023 von einem noch (gemeint: nicht mehr) festzustellenden Ort aus D* durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre zu einer Handlung, die diesen am Vermögen schädigen sollte, zu nötigen versucht, wobei sie mit dem Vorsatz gehandelt haben, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, indem sie D* zur Überweisung von 2.000 Euro auf ein litauisches Konto aufforderten, andernfalls sie ihn bei der Polizei wegen illegalen Waffenbesitzes anzeigen würden;
I.2. am 9. November 2023 mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, D* dadurch am Vermögen zu schädigen versucht, dass sie das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Eingabe von Daten beeinflussten, wobei sie Daten unrechtmäßig eingaben, indem sie unter Vorspiegelung der Identität des Opfers und ihrer Nutzungsberechtigung dessen PayPal-Konto mithilfe der am unter Pkt. II. beschriebenen (ergänze: von A*) gestohlenen Laptops des Opfers vorgefundenen Zugangsdaten widerrechtlich auf das PayPal-Konto des D* zugriffen und eine neue auf B* registrierte Telefonnummer hinzuzufügen suchten, um in weiterer Folge Zahlungen mit dem PayPal-Konto des Opfers vornehmen zu können.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht eine einschlägige Vorstrafe und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, mildernd hingegen den Umstand, dass es beim Versuch geblieben ist.
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete Berufung des B* (ON 156.2), die zu ON 165.2 wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe zur Ausführung gelangte.
Der Behauptung der Unvollständigkeit zuwider hat sich das Erstgericht mit der Einlassung der Erstangeklagten, es seien 2.500 Euro (ON 130.2 S 6) bzw 3.000 Euro (ON 155.2 S 4 f) als Bezahlung für ihre Liebesdienste vereinbart gewesen, zumindest implizit auseinandergesetzt (US 11). Darüber hinaus wurde die Verantwortung der Genannten mit mängelfreier Begründung grundsätzlich als nicht glaubhaft verworfen (US 7 ff), weshalb das Erstgericht unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit – entgegen der Mängelrüge (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) – nicht verhalten war, auf den vom Berufungswerber angesprochenen Inhalt dieser Aussage näher einzugehen (RIS-Justiz RS0098642 [T1]).
Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass die freie Beweiswürdigung ein kritisch-psychologischer Vorgang ist, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze Schlussfolgerungen zu gewinnen sind ( Kirchbacher , StPO 15 § 258 Rz 8). Auch die Frage der Glaubwürdigkeit von Angeklagten und Zeugen sowie der Beweiskraft ihrer Aussage ist der freien richterlichen Beweiswürdigung vorbehalten, wobei das Gericht nur zu einer gedrängten Darlegung seiner Gründe, nicht jedoch dazu verhalten ist, jedes Verfahrensergebnis im Einzelnen zu analysieren (RIS-Justiz RS0104976). Wenn aus den vom Erstgericht aus den vorliegenden Beweisergebnissen folgerichtig abgeleiteten Urteilsannahmen auch andere, für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich sind, so tut dies nichts zur Sache. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ stellt nämlich keine negative Beweisregel dar, die das erkennende Gericht - im Falle mehrerer denkbarer Schlussfolgerungen - verpflichten würde, sich durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden, es kann sich vielmehr jede Meinung bilden, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht ( Mayerhofer , StPO 6 § 258 E 65; RIS-Justiz RS0098336).
In Ansehung dieser Prämissen bestehen keine Zweifel an der überzeugenden Beweiswürdigung des Erstgerichts. Die Tatrichterin stellte unter Einbeziehung des von den Angeklagten und des vernommenen Zeugen in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und Bezugnahme auf die vorliegenden Chatprotokolle, aber auch etwa den Umstand, dass die zu I.2. in Rede stehende Telefonnummer dem Berufungswerber zugeordnet werden konnte (US 7), den Geschehensablauf in einleuchtender und nachvollziehbarer Weise dar und gelangte nach Durchführung des Beweisverfahrens mit lebensnaher Argumentation zur Überzeugung, dass der Angeklagte die dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tathandlungen in objektiver und subjektiver Hinsicht begangen hat.
Mit seinem Vorbringen, es sei völlig lebensfremd davon auszugehen, dass die über 25 Jahre jüngere, im Escortgewerbe tätige Erstangeklagte für ihren Aufenthalt beim Opfer, in dessen Zuge es wohl auch zu Geschlechtsverkehr gekommen sein dürfte, kein Geld verlangt habe, vermag der Angeklagte die sorgfältige Beweiswürdigung des Erstgerichts, das sich auch mit der Frage, ob für die Liebesdienste eine Bezahlung vereinbart gewesen sei, zumindest implizit auseinandersetzte (US 11), nicht zu erschüttern, sondern stellt er lediglich eigene beweiswürdigende Erwägungen, die teilweise spekulativer Natur sind, an. Im Übrigen hat das Erstgericht zahlreiche Widersprüche in den Angaben der Angeklagten aufgezeigt und lebensnah festgehalten, aus welchen Gründen es deren Aussagen als Schutzbehauptungen verwarf (US 7 ff), während es die Angaben des Zeugen D*, der eine Bezahlung der Liebesdienste in Abrede stellte, mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung als insgesamt glaubwürdig einstufte (US 7, US 9 f).
Das Erstgericht hat sohin die erhobenen Beweise mit schlüssiger Begründung – der sich das Oberlandesgericht Wien im Rahmen der von ihm anzustellenden umfassenden Prüfung der Verfahrensergebnisse anschließt ( Ratz , WK-StPO § 467 Rz 2) – einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzogen und ausführlich unter gründlicher Auseinandersetzung mit sämtlichen erheblichen Beweisergebnissen dargelegt, wie es zu den Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite gelangt ist.
Soweit die Oberstaatsanwaltschaft (und auch der Berufungswerber) Feststellungen zur inländischen Gerichtsbarkeit vermisst, ist der Vollständigkeit halber auszuführen, dass das Fehlen inländischer Gerichtsbarkeit als Ausnahme begriffen wird, sodass Feststellungen nur dann zu treffen sind, wenn sich in der Hauptverhandlung Indizien für deren Fehlen ergeben haben (RIS-Justiz RS0132763). Fallkonkret erschließt sich aus dem Urteilssachverhalt nicht nur, dass A* Ausführungshandlungen jeweils in Österreich setzte (US 4 und US 5), sondern sind auch keine Umstände zu ersehen, die nahelegen würden, dass der intendierte Ort des Erfolgseintritts nicht in Österreich gelegen wäre. Abgesehen davon, dass D*, dem dem Tatplan folgend Vermögensnachteile zugefügt werden sollten, nach den Urteilsannahmen in Österreich aufhältig war (US 4), unterhielt dieser auch sein zu I.2. in Rede stehendes PayPal-Konto in Österreich, zumal eine Benachrichtigung von PayPal mit österreichischer Top-Level-Domain (arg: * * [ON 2.10]) erfolgte (vgl RIS-Justiz RS0132763; insb 12 Os 82/23k Rz 4), sodass ein Erfolgseintritt jeweils nur in Österreich indiziert ist und gerade keine Indizien für das Fehlen inländischer Gerichtsbarkeit vorhanden sind.
Zur Strafberufung:
Zum Monitum, dass zum Faktum I.2. eine besonders verlockende Gelegenheit vorgelegen habe, da das Opfer der Erstangeklagten - zu einem Zeitpunkt als sie diesem schon Nachrichten geschickt habe, die in weiterer Folge als Erpressung verurteilt wurden - den Zugang zu seinem Laptop mittels Fingerabdruck und PIN gewährt habe, was etwa damit vergleichbar sei, dass ein Fahrzeuginhaber den Schlüssel im Auto stecken lasse, ist auszuführen, dass der Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 9 StGB eng auszulegen ist ( Birklbauer/Stiebellehner in SbgK § 34 Rz 74) und dieser nach der Rechtsprechung selbst dann nicht anzunehmen ist, wenn dem Täter die Schlüssel einer fremden Wohnung anvertraut wurden und er diese benutzt, um daraus Schmuck zu stehlen (RIS-Justiz RS0091150). Da die Angeklagten auch zu I.2. in Umsetzung eines gemeinsamen Tatplans (US 4) handelten und sich die Erstangeklagte Zugang zum Laptop dadurch verschaffte, dass sie dem Opfer vorspiegelte, diesen zu benötigen, um rumänische Musik hören bzw. einen Film anzuschauen zu können (US 5 f), hat das Erstgericht mit Blick auf die angeführte Rechtsprechung diesen Milderungsgrund zu Recht nicht angenommen.
Auch der Milderungsgrund eines untergeordneten Tatbeitrags (§ 34 Abs 1 Z 6 StGB) wird mit der Argumentation, er sei „nur Beitragstäter“ gewesen, habe lediglich seine Telefonnummer zur Verfügung gestellt und die Ausführungshandlung der Eingabe von Daten am noch in Österreich befindlichen Laptop aufgrund seines Aufenthalts in Rumänien nicht setzen können, nicht erfolgreich zur Darstellung gebracht. Abgesehen davon, dass den Täterschaftsformen rechtliche Gleichwertigkeit zukommt (RIS-Justiz RS0117604), ist als untergeordnete Tatbeteiligung im Sinne dieser Bestimmung nur ein Verhalten strafmildernd, das nach Art und Umfang für die Tatausführung nicht erheblich ist. Eine untergeordnete Tatbeteiligung trifft etwa auf an sich nicht notwendige, aber gerade noch in einer kausalen Beziehung stehende Aufpasserdienste bei einem Einbruchsdiebstahl zu. Fallkonkret wäre ohne Bereitstellung der Telefonnummer des Berufungswerbers der in Rede stehende, gemeinsam mit der Erstangeklagten gefasste konkrete Tatplan, nicht durchzuführen gewesen, sodass keineswegs eine bloß untergeordnete Tatbeteiligung iSd § 34 Abs 1 Z 6 StGB vorliegt. Darüber hinaus ist es auch bei einem Aufenthalt des Angeklagten in Rumänien keineswegs auszuschließen, dass er in Umsetzung des Tatplans, etwa über telefonischen Kontakt oder Videotelefonie, beim in Rede stehenden Eingeben von Daten am Laptop mitgewirkt hat, zumal er mit der Erstangeklagten, die eigenen Angaben folgend weder lesen noch schreiben kann (142.3 S 7), in telefonischem Kontakt gestanden ist (ON 155.2 S 18 f).
Die besonderen Strafzumessungsgründe wurden daher vom Erstgericht vollständig erfasst.
Mit Blick auf einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe und den Umstand, dass der Angeklagte trotz nicht allzu lange zurückliegender Verbüßung einer spürbaren Haftstrafe wieder und einschlägig delinquierte, ist er durch die ohnedies in der unteren Hälfte der Strafdrohung gefundenen Sanktion nicht als beschwert zu erachten. Darüber hinaus rechtfertigen auch spezial- und generalpräventive Erwägungen die Strafhöhe, würde doch eine niedrigere Freiheitsstrafe einer Bagatellisierung des Geschehens gleichkommen und wäre sohin weder geeignet den Angeklagten noch tatgeneigte andere Personen von vergleichbaren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Die Voraussetzungen für eine teilbedingte Strafnachsicht waren schon angesichts des angeführten Vorlebens und der Deliktskumulierung nicht gegeben.
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