JudikaturOLG Wien

14R147/24a – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
31. Januar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Koch als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner und Mag. Schaller in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) A* B* , 2.) C* B* , beide **, beide vertreten durch Mag. Bernhard Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) D*, **, **, Serbien, 2.) E* , **, beide vertreten durch NENNING UND TOCKNER Rechtsanwälte in Steyr, und der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1.) Land Niederösterreich , **, 2.) F* , **, 3.) G* , **, alle vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen EUR 107.580,-- sA, über die Berufung der beklagten Parteien (Berufungsinteresse EUR 55.200,--) gegen das Endurteil des Landesgerichts St. Pölten vom 22.7.2024, ** 52, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zu ungeteilter Hand schuldig, der erstklagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 4.106,34 (darin EUR 684,39 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21.3.2018 ereignete sich auf der Landesstraße ** bei Straßenkilometer 2,070 in ** ein Unfall, bei dem ein vom Erstbeklagten gefällter Baum auf den vom Zweitkläger gelenkten Pkw fiel, wodurch die am Beifahrersitz sitzende Ehefrau des Erstklägers und Mutter des Zweitklägers, H* B*, getötet, und der Zweitkläger verletzt wurden.

H* B* war lange Zeit Hausfrau. Ab etwa 2007 arbeitete sie als Putzfrau. Ab 1.1.2014 war sie in vorzeitiger Alterspension mit einem monatlichen Auszahlungsbetrag von zunächst netto EUR 661,37. Daneben verdiente sie sich vier Stunden in der Woche in einer Tierkörperverwertung rund EUR 160,-- monatlich dazu.

Den gemeinsamen Haushalt hatte die Ehefrau des Erstklägers geführt. Dies umfasste den Einkauf und die Zubereitung der Lebensmittel und der gemeinsamen Mahlzeiten, die Versorgung der Wäsche und die Reinigung und Betreuung der gemeinsamen Wohnung. H* B* hätte die gesamte Haushaltsführung für den Erstkläger bis zu dessen statistischem Lebensende bewerkstelligen können.

Soweit im vorliegenden Berufungsverfahren noch von Bedeutung, brachte der Erstkläger in erster Instanz im Wesentlichen vor, die am ** geborene H* B*, die im Unfallszeitpunkt in ihrem 61. Lebensjahr gestanden sei, sei kerngesund gewesen und habe rein statistisch gesehen noch eine Lebenserwartung von 25 Jahren gehabt. Sie habe in der 180 m² großen gemeinsamen Wohnung im Wesentlichen alleine für sich und den Erstkläger den Haushalt geführt. Dies habe den Einkauf und die Zubereitung der Lebensmittel und der gemeinsamen Mahlzeiten, die Versorgung der Wäsche und die Reinigung und Betreuung der gemeinsamen Wohnung umfasst. Diese Leistungen seien ihre Naturalunterhaltsleistungen gegenüber dem Erstkläger als ihrem Ehemann gewesen, wogegen der Erstkläger die übrigen Aufwendungen des gemeinsamen Lebens bestritten habe.

Monatlich betrage der Wert der Ersatzleistungen für die Naturalunterhaltsleistungen, die die Ehefrau des Erstklägers erbracht habe, durchschnittlich EUR 600,--; für die Vergangenheit seit April 2018 bis einschließlich November 2022 habe der Wert der dem Erstkläger entgangenen Unterhaltsleistungen EUR 33.600,-- betragen. Die monatlichen künftigen Aufwendungen von EUR 600,-- seien dem Erstkläger auch zukünftig für dessen Lebensdauer zu ersetzen, um seinen Gesamtunterhalt in der vorher gewohnten und angemessenen Weise sicherzustellen.

H* B* habe eine eigene Alterspension bezogen, weshalb sie keinen Unterhaltsanspruch in Geld gegen den Erstkläger gehabt habe. Der Einwand, der Erstkläger müsse sich einen durch den Tod seiner Ehefrau weggefallenen Unterhaltsaufwand als Vorteilsausgleich anrechnen lassen, sei daher verfehlt.

H* B* habe ab dem 1.1.2014 eine Eigenpension in der Höhe von netto EUR 661,37 bezogen. Zusätzlich sei sie bis zu ihrem Tod auch einer unselbständigen geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft nachgegangen, wofür sie zum Zeitpunkt des Pensionsantritts ein monatliches Einkommen von netto EUR 161,28 bezogen habe. Am 1.1.2014 habe das monatliche Gesamtnettoeinkommen der Verstorbenen somit insgesamt EUR 822,65 betragen.

Dem sei am 1.1.2014 ein monatliches Nettoeinkommen des Erstklägers aus dessen Pension in der Höhe von EUR 1.679,80 gegenübergestanden.

Ein ehelicher Unterhaltsanspruch der Verstorbenen gegen den Erstkläger in der Höhe von 40 % von dessen Nettoeinkünften hätte daher am 1.1.2014 EUR 671,92 betragen. In Anbetracht der Eigeneinkünfte der Verstorbenen - die diesen Betrag von EUR 671,92 mit EUR 822,65 bei Weitem überstiegen hätten - hätte sich ergeben, dass der Erstkläger selbst unter Berücksichtigung der seit dem 1.1.2014 sowohl beim Erstkläger als auch bei der Verstorbenen erfolgten geringfügigen Anhebung von deren Pensionen kein ehelicher Unterhaltsanspruch der Ehefrau ergeben hätte (Schriftsatz ON 11).

Die Beklagten wandten dazu, soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen ein, der Erstkläger müsse sich im Wege des (schadenersatzrechtlichen) Vorteilsausgleichs den Entfall von Unterhaltsleistungen anrechnen lassen, zu denen er gegenüber seiner Ehefrau (vor deren Tod) verpflichtet gewesen sei (Schriftsatz ON 5).

Die Nebenintervenienten wandten dazu ein, der Erstkläger habe sich den von ihm ersparten Unterhalt sowie die variablen Kosten (Aufwendungen für Nahrung, Kleidung, Schmuck, etc) für die Verstorbene abziehen zu lassen (Schriftsatz ON 27).

Die Klagebegehren bestehen nach dem in Rechtskraft erwachsenen Zwischenurteil des Erstgerichts vom 14.8.2023 (ON 35) dem Grunde nach zu Recht.

Mit dem nun angefochtenen Endurteil gab das Erstgericht - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - der Klage des Erstklägers in Ansehung der ihm entgangenen Unterhaltsleistungen zur Gänze - nämlich mit EUR 33.600,-- und einer monatlichen Rente von EUR 600,-- - statt. Es ging über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus von den auf den Seiten 69 der Urteilsausfertigung enthaltenen Feststellungen aus, auf die verwiesen wird. Rechtlich folgerte es, soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen, der überlebende Ehegatte habe gemäß § 1327 ABGB Anspruch auf Ersatz der vom Getöteten erbrachten Haushaltsleistungen.

Die begehrte monatliche Rente von EUR 600,-- sei unter Heranziehung des § 273 ZPO wertgesichert der Höhe nach angemessen. Der Hinterbliebene sei so zu stellen, wie er stünde, wenn der Unterhaltsverpflichtete nicht getötet worden wäre. Der Erstkläger müsse monatlich EUR 600,-- für Ersatzleistungen für die Naturalunterhaltsleistungen der Verstorbenen aufbringen.

Ihm seien somit von April 2018 bis November 2022 Unterhaltsleistungen im Wert von EUR 33.600,-- (56 Monate x EUR 600,--) entgangen. Dieser Betrag sei ihm daher zu ersetzen.

Gegen den Zuspruch von EUR 33.600,-- und den Rentenzuspruch richtet sich die Berufung der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, diese Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Erstkläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Die Berufung macht im Kern geltend, das Erstgericht habe übersehen, dass der Erstkläger sich im Sinne eines (schadenersatzrechtlichen) Vorteilsausgleichs von seinem Schadenersatzanspruch wegen ihm entgangener Unterhaltsleistungen solche Unterhaltsleistungen abziehen („anrechnen“) lassen müsse, die er sich durch ihren Tod erspart habe bzw erspare.

2. Soweit die Berufung Feststellungen vermisst, „ dass der Erstkläger gegenüber der Verstorbenen aufgrund der ehelichen Beistandspflicht zu Unterhaltsleistungen verpflichtet war, die durch den Tod der Gattin nunmehr weggefallen sind “, bzw Feststellungen „ zu den Unterhaltsleistungen des Erstklägers gegenüber der Verstorbenen “ (Berufung Seite 3), handelt es sich allerdings um keine Tatsachen, sondern um bloße Rechtsausführungen.

Ein rechtlicher Feststellungsmangel wird damit nicht zur Darstellung gebracht.

3. Die Berufung vertritt den Standpunkt, das Eigeneinkommen der Verstorbenen von monatlich EUR 821,37 sei deutlich unter dem Existenzminimum gelegen, weshalb sie gegenüber dem Erstkläger einen Unterhaltsanspruch gehabt habe, der bei der Rentenberechnung als Ersparnis des Erstklägers durch einen Abzug zu berücksichtigen gewesen wäre.

Diese Ansicht wird vom Berufungsgericht nicht geteilt.

Bei Tötung des Haushaltsführers muss sich der Ehegatte, der für den Barunterhalt aufgekommen ist, den Abzug des ersparten Unterhalts gefallen lassen. Insoweit sind aber nicht diejenigen Werte heranzuziehen, die als Unterhalt in Unterhaltsprozessen zugesprochen werden - die Rechtslage bei § 1327 ABGB ist vielmehr deshalb unterschiedlich, weil es bei ihr nicht um getrennte Haushalte geht. Der überlebende Ehegatte erspart sich durch die Tötung des Haushaltsführers bloß die variablen Kosten, somit jene Aufwendungen, die für Nahrung, Kleidung, Schmuck und Freizeitaktivitäten des Haushaltsführers angefallen sind (vgl Huber in Schwimann/Neumayr, ABGB TaKomm 5, § 1327 ABGB Rz 18 mwN; RS0031504).

Wie die Berufungsbeantwortung zutreffend ausführt, verfügte die Ehefrau hier allerdings über ein feststehendes Eigeneinkommen von rund EUR 930,-- monatlich (richtigerweise sogar rund EUR 960,-- [820 x 14] : 12 = 956), das diese üblichen variablen Kosten für Ernährung, Hygiene, Bekleidung, übliche Freizeitaktivitäten und ähnliches nach § 273 ZPO zur Gänze abzudecken vermochte. Auf das exekutionsrechtliche Existenzminimum kommt es dabei entgegen der Berufung in keiner Weise an.

Da die verstorbene Ehefrau des Erstklägers somit ihre variablen Unterhaltskosten mit ihrem Eigeneinkommen selbst zur Gänze abdecken konnte, ist durch ihren Tod beim Erstkläger überhaupt keine Ersparnis eingetreten, sodass er sich keine Unterhaltsersparnis anrechnen lassen muss.

Die Berufung vermag somit keine unrichtige rechtliche Beurteilung des Erstgerichts aufzuzeigen.

Tatsachenfeststellungen fehlen nicht, weil die abschließende Beurteilung der Rechtssache möglich ist.

4. Der unberechtigten Berufung war der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Da dem Erstkläger im Berufungsverfahren nur zwei Personen gegenüberstehen und sich die Nebenintervenienten auf Beklagtenseite nicht am Rechtsmittelverfahren beteiligten, gebührt dem Erstkläger gemäß § 15 RATG nur ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von 10 % (vgl 10 Ob 44/22a; 6 Ob 174/20m mwN).

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu lösen war.