13R1/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Häckel als Vorsitzenden sowie Mag. Wieser und Mag. Wessely in der Rechtssache der vormals klagenden Partei A* B* , **, vertreten durch Nemetschke Huber Koloseus RAe GmbH in Wien, nunmehr MMag. DDr. C*, Rechtsanwältin in Wien als Masseverwalterin, **, wider die beklagte Partei Mag. D* , Rechtsanwalt, **, wegen EUR 109.439,44 sA, hier: Verfahrenshilfe, infolge von Rekursen 1. der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.3.2024, **, und 2. der vormals klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 8.11.2024, ***, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Der Rekurs der beklagten Partei wird zurückgewiesen .
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
2. Dem Rekurs der vormals klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Die vormals klagende Partei hat der beklagten Partei die mit EUR 2.363,28 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jeweils jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO).
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Rekurs Beklagter
1.1. Mit Rekurs vom 11.10.2024 wendet sich der Beklagte gegen die Bewilligung der Verfahrenshilfe für den vormaligen Kläger vom 1.3.2024 zu **, mit der Begründung, dem vom Kläger angestrebten Verfahren gegen den Beklagten auf Rückforderung von Honorar liege die Honorarnote des Beklagten 15/18 vom 16.1.2018 zugrunde, die der Beklagte schon zu ** des LG Eisenstadt [in Hinkunft: Vorentscheidung] eingeklagt und durch Versäumungsurteil [vom 21.12.2018] rechtskräftig zugesprochen erhalten habe.
Wegen der „res iudicata“ sei die Prozessführung durch den vormaligen Kläger offenbar mutwillig und aussichtslos.
1.2. Jedes Rechtsmittel setzt eine Beschwer – also ein Anfechtungsinteresse – voraus, weil es nicht Sache der Rechtsmittelgerichte ist, rein theoretische Fragen zu lösen (RIS-Justiz RS0002495 ). Die Beschwer muss sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorliegen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0041770; Kodek in Rechberger/Klicka, Kommentar 5Rz 17 vor § 461 ZPO ).
Dem vormaligen Kläger wurde die Verfahrenshilfe mittlerweile ex tunc – wie zu 2. zu zeigen sein wird zu Recht – entzogen, weshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Rekursgericht der Beklagte nicht mehr beschwert ist.
1.3. Der Beklagte hat die Kosten iSd §§ 40, 50 ZPO selbst zu tragen, weil – unterstellt es liege noch Beschwer für seinen Rekurs vor – dem Rekurs nicht Folge zu geben gewesen wäre, weil der Rekurs ausschließlich Neuerungen enthält, die zum Zeitpunkt der Fassung des angefochtenen Beschlusses durch das Erstgericht nicht aktenkundig waren. Auch im Rekursverfahren gilt das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0042091).
2. Rekurs ehemaliger Kläger
2.1. angefochtener Beschluss
Mit dem angefochtenen Beschluss entschied das Erstgericht, dass
- dem vormaligen Kläger die mit Beschluss vom 1.3.2014, **, im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a, b und c, Z 2, Z 3 und 5 ZPO gewährte Verfahrenshilfe rückwirkend entzogen werde,
- der vormalige Kläger verpflichtet sei, die Pauschalgebühr von EUR 3.112,--, von deren Entrichtung er durch die gewährte Verfahrenshilfe einstweilen befreit gewesen sei, binnen zwei Wochen zurückzuzahlen,
- der ehemalige Kläger verpflichtet sei, der Verfahrenshelferin Dr. E*, die mit EUR 3.706,92 bestimmten Kosten ihres Einschreitens binnen zwei Wochen zu bezahlen.
Es begründete diesen Beschluss – soweit hier von Interesse – damit, dass gemäß § 68 Abs 2 ZPO das Prozessgericht erster Instanz die Verfahrenshilfe zu entziehen habe, wenn sich nachträglich herausgestellt habe, dass die seinerzeit angenommenen Voraussetzungen für deren Bewilligung nicht gegeben gewesen seien. Ein Entziehungsgrund liege ua vor, wenn die Partei das Gericht – auch ohne ihr Verschulden – durch unrichtige Angaben zum Klagssachverhalt davon abgehalten habe, die von Anfang an gegebene offenbare Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Prozessführung zu prüfen. Dazu reiche es aus, wenn die Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte auffallen müssen, für das Gericht aber mangels hinreichender Kenntnis des Sachverhalts nicht wahrnehmbar gewesen sei ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny II/1 3§ 68 ZPO, Rz 13 ).
Hier habe der vormalige Kläger zusammen mit seinem Verfahrenshilfeantrag einen selbst verfassten Klagsentwurf vorgelegt, indem die beabsichtigte Prozessführung gegen den Beklagten wie folgt begründet worden sei:
Der Beklagte habe ihn als Rechtsanwalt in einem Aufteilungsverfahren gegen F* B* unzureichend vertreten, indem er einerseits bestimmte rechtliche Maßnahmen nicht ergriffen und außerdem eine Mandatskündigung zur Unzeit vorgenommen habe. Der Beklagte habe daher seinen Honoraranspruch verwirkt. Die Klage sei auf Rückforderung des Honorars [von EUR 106.000,--] gerichtet, zumal der Beklagte einen Teil des Honorars nur dadurch lukriert habe, dass er dem gegnerischen Anwalt ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis vorgetäuscht habe.
In der von der Substitutin der bestellten Verfahrenshelferin eingebrachten Klage seien EUR 109.439,44 begehrt und ausgeführt worden, dass es sich dabei um den Betrag laut Honorarnote 15/18 handle, der wegen gravierenden Verstoßes gegen die anwaltliche Aufklärungspflicht sowie Nichterfüllung/Schlechterfüllung aus dem Titel des Schadenersatzes zurückgefordert werde.
Tatsächlich sei das Honorar aus der Honorarnote 15/18, das nicht nur die Vertretung im Aufteilungsverfahren umfasst, sondern auch in einem Strafverfahren vor dem Landesgericht Wiener Neustadt sowie in einem Scheidungs- und Wegweisungsverfahren vor dem Bezirksgericht Eisenstadt, bereits Gegenstand der Vorentscheidung gewesen. Der Beklagte habe dort seine Honoraransprüche gegen den vormaligen Kläger [mit EUR 104.717,38] geltend gemacht und über diesen Betrag ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil, das am 27.4.2021 in Rechtskraft erwachsen sei, erwirkt. Der vormalige Kläger sei zum Zeitpunkt der Einbringung des hier gegenständlichen Verfahrenshilfeantrags (23.2.2024) in Kenntnis des rechtskräftigen Versäumungsurteils gewesen, habe dies aber verschwiegen.
Er habe darüber hinaus verschwiegen, dass er der Verpflichtung zur Zahlung dieses Honorars – mit Ausnahme eines bei Gericht hinterlegt gewesenen Teilbetrages von EUR 43.687,51 – bislang nicht nachgekommen sei, sodass der Beklagte das Honorar teilweise im Insolvenzverfahren des Klägers angemeldet habe. Auch dies schließe eine Rückforderung derzeit aus.
Darüber hinaus habe der ehemalige Kläger im Zuge der Beantragung der Verfahrenshilfe nicht bekanntgegeben, dass über sein Vermögen am 22.9.2023 das Insolvenzverfahren eröffnet und ihm diesbezüglich die Eigenverwaltung entzogen worden sei, weshalb es ihm an der Prozessfähigkeit für das angestrebte Verfahren gefehlt habe.
Die Relevanz dieser Umstände habe auch einem juristischen Laien bewusst sein müssen. Hätte der die Verfahrenshilfe bewilligende Richter von diesen Umständen, insbesondere vom Vorhandensein des rechtskräftigen Versäumungsurteils, Kenntnis gehabt, hätte er den Verfahrenshilfeantrag wegen offenbarer Aussichtslosigkeit bzw Mutwilligkeit der beabsichtigten Prozessführung abweisen müssen.
Es folgen Ausführungen zur Höhe der Rückzahlungsverpflichtungen des vormaligen Klägers.
2.2. Begründungserleichterung
Die Ausführungen des Erstgerichtes im angefochtenen Beschluss sind richtig, der Rekurs hält nichts Stichhaltiges entgegen, weshalb auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses verwiesen werden kann (§§ 526 Abs 3, 500a ZPO).
2.3. Erwiderung
Es kann dahingestellt bleiben, ob in der unterlassenen Bekanntgabe, dass ein Insolvenzverfahren anhängig sei, ein „erklärbarer Irrtum“ bestehe, hätte der Kläger doch jedenfalls bekanntgeben müssen, dass über die Honorarforderung des Beklagten – in umgekehrten Parteirollen – ein rechtskräftiges Urteil vorliegt; bloß die Bezeichnung als „Schadenersatzanspruch“ ändert nichts daran, dass inhaltlich das Honorar für 15/18, für dessen Berechtigung ein rechtskräftiges Versäumungsurteil vorliegt, wegen Schlechtvertretung zurückgefordert wird.
Ein Entziehungsgrund liegt aber – wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt – auch dann vor, wenn die Partei – auch ohne ihr Verschulden – durch unrichtige oder unvollständige Angaben das Gericht davon abgehalten hat, die Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit wahrzunehmen, ebenso, wenn die Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit zwar der Partei bei gehöriger Aufmerksamkeit auffallen hätte müssen, für das Gericht aber mangels hinreichender Kenntnis des Sachverhalts nicht wahrnehmbar war ( OLG Wien, 13 R 31/05g; M. Bydlinski in Fasching/Konecny, Kommentar II/1 3Rz 13 zu § 68 ZPO) .
Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.