JudikaturOLG Linz

11Rs67/25i – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
17. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Kastl (Kreis der Arbeitgeber) und Mario Köck (Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **straße **, **, vertreten durch Korn Gärtner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, vertreten durch ihre Angestellte Mag. a B*, Landesstelle **, wegen Familienzeitbonus, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Mai 2025, Cgs*-9, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 731,90 (darin enthalten EUR 121,98 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte am 2. August 2024 anlässlich der Geburt seines am ** geborenen Sohnes einen Antrag auf Zuerkennung des Familienzeitbonus für 28 Tage für den Zeitraum vom 10. Juli 2024 bis 6. August 2024.

Mit Bescheid vom 25. Februar 2025 hat die beklagte Partei diesen Antrag abgewiesen, da die tatsächliche Familienzeit des Klägers von 13. Juli bis 6. August 2024 und damit lediglich 25 Tage betragen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage, mit der der Kläger weiterhin die Zuerkennung des beantragten Familienzeitbonus im beantragten Umfang begehrte. Dazu brachte er vor, er habe mit seinem Dienstgeber zwischen 10. Juli und 7. August 2024 Familienzeit vereinbart und sei während des Krankenhausaufenthaltes von Mutter und Kind im Zeitraum vom 10. bis 12. Juli 2024 täglich von zirka 12.00 bis 18.00 Uhr im Krankenhaus gewesen und habe sich um die Pflege und Betreuung seines Sohnes gekümmert. Unabhängig davon gebühre ihm nach der zwischenzeitig gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ein Familienzeitbonus zumindest anteilig ab der erfolgten Krankenhausentlassung von Mutter und Kind, weil er sich als Vater lediglich für die Dauer von 28 bis 31 Tagen in Familienzeit befinden müsse; diese Voraussetzung sei jedenfalls erfüllt.

Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und brachte dazu vor, ein Anspruch auf Familienzeitbonus bestehe nur, wenn der Vater sich während des gesamten Anspruchszeitraumes in Familienzeit befinde und sich in dieser Zeit ausschließlich der Betreuung des Kindes widme. Bei einer Geburt des Kindes im Krankenhaus sei die Beantragung des Familienzeitbonus bzw ein Anspruch darauf frühestens ab der Entlassung des Kindes und der Mutter aus dem Krankenhaus möglich. Dies deshalb, weil während der Zeit im Krankenhaus die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt würden, weshalb diese Zeit auch nicht dazu beitragen würde, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liege, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Kindes unterstütze und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entstehe. Der Familienzeitbonus könne lediglich bei einem längeren Krankenhausaufenthalt des Kindes ausnahmsweise dennoch in Anspruch genommen werden, sofern der Vater und die Mutter nachweislich jeweils durchschnittlich zwei Stunden täglich das Kind im Krankenhaus persönlich betreuen und pflegen würden.

Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei gegenüber dem Kläger für den gesamten Antragszeitraum zur Zahlung des Familienzeitbonus von EUR 52,46 täglich sowie zum Prozesskostenersatz. Dazu traf das Erstgericht auf der Urteilsseite zwei nachstehende Sachverhaltsfeststellungen (mit der Berufung bekämpfte Sachverhaltsfeststellungen werden im Kursivdruck wiedergegeben):

Der Kläger und seine Ehegattin haben und hatten vor der Geburt ihres Sohnes einen konkret festgestellten gemeinsamen Wohnsitz.

Am 3. Juli 2024 schloss der Kläger mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung auf Freistellung anlässlich der Geburt seines Sohnes für den Zeitraum vom 10. Juli bis 7. August 2024.

Der Sohn des Klägers kam am C** im Landeskrankenhaus C* zur Welt. Aus medizinischen Gründen mussten das neugeborene Kind des Klägers und sowie die Mutter noch bis zum 13. Juli 2024 im Krankenhaus bleiben. Der Kläger war jeden Tag während der Besuchszeit von ca 12.00 bis 18.00 Uhr im Krankenhaus, um sich der Pflege und Betreuung seines Sohnes zu widmen.

Ab dem 13. Juli 2024 waren der Sohn des Klägers, der Kläger und seine Frau bzw Mutter des Kindes am gemeinsamen Wohnsitz aufhältig.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht erkennbar davon aus, dass auch ein unmittelbar an die Geburt anschließender gemeinsamer Krankenhausaufenthalt des Kindes mit der Mutter von üblicher Dauer medizinisch indiziert sei, weshalb bei der vorliegend bejahten Erfüllung der weiters von § 2 Abs 3a FamZeitbG geforderten Mindestbetreuungsleistung ausnahmsweise bereits während des Krankenhausaufenthalts ein gemeinsamer Haushalt angenommen werden könne, der dem Vorliegen von Familienzeit nach § 2 Abs 4 FamZeitbG nicht entgegenstehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung bzw Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf gänzliche Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Kläger strebt mit seiner Berufungsbeantwortung die Urteilsbestätigung an.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Beweisrüge bzw Aktenwidrigkeit:

1. Die Berufung bekämpft die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Sohn des Klägers und die Mutter aus medizinischen Gründen im Krankenhaus geblieben seien, als aktenwidrig, weil dafür keinerlei Beweisergebnisse vorliegen würden. Ersatzweise wird statt dessen die Feststellung begehrt, dass die Geburt des Sohnes des Klägers ohne gröbere Komplikationen verlaufen sei. Diese Ersatzfeststellung sei entscheidungsrelevant, da sie zu einer anderen Entscheidung geführt hätte.

2. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

2.1 Eine Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn für eine Tatsachenfeststellung überhaupt keine beweismäßige Grundlage besteht ( Klauser/Kodek, JNZPO18 § 503 ZPO [Stand 1.9.2018, rdb.at] E 133). Hingegen vermögen rechtliche Folgerungen keine Aktenwidrigkeit zu begründen ( Klauser/Kodek aaO E 130/2).

2.2 Vom Erstgericht wurde in seinen Ausführungen zur Beweisrüge zutreffend darauf verwiesen, dass die im Verfahren relevierten Problembereiche ausschließlich Fragen der rechtlichen Beurteilung darstellen würden. Nachdem von den Streitteilen keinerlei Komplikationen während oder nach der Geburt behauptet wurden und solche auch nicht aus den vorgelegten Urkunden hervorgehen (die in der Klagebeantwortung angekündigten Beilagen waren der elektronischen Übermittlung nicht angeschlossen und wurden laut Aktenlage auch in der Folge nicht vorgelegt), ist vorliegend konkret die Rechtsfrage zu klären, ob auch abgesehen von Geburten zu Hause oder in sogenannten Geburtshäusernein nach einer erfolgten komplikationslosen Geburt eines gesunden Kindes üblicher Krankenhausaufenthalt von Mutter und Kind in der Dauer von einigen wenigen Tagen als medizinisch indiziert im Sinn des § 2 Abs 3a FamZeitbG anzusehen ist und bei Vorliegen der dort normierten weiteren Voraussetzungen zur in dieser Bestimmung vorgesehenen Annahme eines gemeinsamen Haushalts nach § 2 Abs 3 leg.cit. führen kann sowie dem Vorliegen einer Familienzeit nach § 2 Abs 4 leg.cit. nicht entgegensteht.

2.3 Auf diese Rechtsfrage ist bei der Behandlung der Rechtsrüge einzugehen. Es hat daher insgesamt bei den erstgerichtlichen Feststellungen zu bleiben.

B. Zur Rechtsrüge:

3. Die Berufungswerberin vertritt unter Verweis auf die Materialien zu § 2 Abs 3a FamZeitbG und eine Literaturmeinung die Auffassung, dass ein Krankenhausaufenthalt im Anschluss an eine komplikationslose Geburt nicht als medizinisch indiziert anzusehen sei. Der vom Gesetzgeber intendierte Leistungszweck könne unter Verweis auf 10 ObS 109/18d gerade nicht während eines Krankenhausaufenthaltes von Mutter und Kind verwirklicht werden, weil während dieser Zeit die Pflege und Betreuung des Kindes vielmehr durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt würden. Aus diesem Grund gebühre der Familienzeitbonus daher bei einer Geburt im Krankenhaus frühestens ab der Entlassung von Mutter und Kind aus dem Krankenhaus und nicht bereits während ihres Krankenhausaufenthaltes nach der Geburt. Aufgrund des normal geplanten Krankenhausaufenthaltes von Mutter und Kind nach der Geburt und der darin gegründeten fehlenden Möglichkeit des Klägers, sich seinem Kind und seiner Partnerin zu widmen und diese zu unterstützen, habe sich der Kläger jedenfalls erst ab dem Zeitpunkt ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus in Familienzeit im Sinn des § 2 Abs 4 FamZeitbG befunden, weshalb das geforderte Mindestmaß von 28 Tagen an Familienzeit nicht erreicht werde und kein Anspruch auf den Familienzeitbonus bestehe. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes komme eine anteilige Auszahlung des Familienzeitbonus nur in Betracht, wenn eine der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG zeitweise fehle. Dies treffe jedoch auf die vorliegende Konstellation nicht zu, weil das Mindestmaß an Familienzeit aufgrund des (routinemäßigen) Krankenhausaufenthaltes von Mutter und Kind nach der Geburt bereits von Beginn an nicht erfüllt worden sei. Die Rechtsprechung zur anteiligen Auszahlung könne im vorliegenden Fall daher nicht zur Anwendung gelangen.

Die von der Berufungswerberin vertretene Auffassung trifft aus folgenden Gründen nicht zu:

4.1 Nach den vorliegend strittigen Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 FamZeitbG hat ein Vater Anspruch auf einen Familienzeitbonus, sofern er sich im gesamten Anspruchszeitraum in Familienzeit nach Abs 4 befindet (Z 3) und er, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt nach Abs 3 leben (Z 4).

4.1.1 Ein gemeinsamer Haushalt liegt nach § 2 Abs 3 FamZeitbG nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht.

4.1.2 Als Familienzeit versteht man nach § 2 Abs 4 FamZeitbG den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen (§ 3 Abs 2 leg.cit.), in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie keine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält.

4.1.3 Nach der ursprünglichen Auffassung des Obersten Gerichtshofs lag bei einem Krankenhausaufenthalt von Mutter und Kind nach der Geburt kein gemeinsamer Haushalt vor (10 ObS 109/18d), auch nicht bei Aufenthalt in einem Familienzimmer (10 ObS 101/19d). Dies veranlasste den Gesetzgeber zur Einfügung des verfassungsrechtlich unbedenklichen (VfGH G 201/2020)Abs 3a in § 2 FamZeitbG durch BGBl I 2019/24, anwendbar auf Geburten nach dem 31. Dezember 2018. Für Geburten nach dem 31. Oktober 2023 wurde durch BGBl I 2023/115 zudem die Mindestbetreuungszeit des Vaters auf zwei Stunden täglich reduziert. Daher wird gemäß § 2 Abs 3a FamZeitbG in der seit 1. November 2023 geltenden Fassung bei einem medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalt des Kindes bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich zwei Stunden täglich ausnahmsweise der gemeinsame Haushalt im Sinne des § 2 Abs 3 leg.cit. angenommen. Ein solcher Krankenhausaufenthalt des Kindes steht dem Vorliegen einer Familienzeit nach § 2 Abs 4 leg.cit. nicht entgegen.

4.1.4 Nach den Materialien zu § 2 Abs 3a FamZeitbG ist der Krankenhausaufenthalt des Kindes beispielsweise aufgrund einer schweren Erkrankung des Kindes oder im Falle eines Frühchens medizinisch indiziert. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hat der Vater das Ausmaß der Pflege und Betreuung des Kindes durch ihn und den anderen Elternteil durch Bestätigungen des Krankenhauses beim Krankenversicherungsträger nachzuweisen (IA 584/A BlgNR 26. GP, 3 bzw AB 494 BlgNR 26. GP, 2).

5. Mit der Entscheidung 10 ObS 161/21f ist der Oberste Gerichtshof nach von der Lehre geäußerter Kritik von seiner bis dahin (ständigen) Rechtsprechung abgegangen, wonach kein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus bestehe, weil sich Familienzeit und der beantragte Bezugszeitraum decken müssten und die Familienzeit nicht kürzer andauern dürfe als der gewählte Anspruchszeitraum. Seither gilt in mittlerweile gefestigter ständiger Rechtsprechung Folgendes: Unterbricht der Vater für den gesamten beantragten Anspruchszeitraum, der zwischen 28 und 31 Tagen umfassen muss, seine Erwerbstätigkeit, um sich aus Anlass der Geburt eines Kindes seiner Familie zu widmen (Familienzeit), und fehlt es während des Antragszeitraums nur an einzelnen Tagen an der Erfüllung einer der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG, so besteht (nur) für die Tage, an denen alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ein anteiliger Anspruch auf Familienzeitbonus (RS0133955).

5.1 Das Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung gründeten die Höchstrichter neben den Ausführungen von I. Faber (DRdA 2022, 18 [insb 20 f]) insbesondere auf eine stärkere Fokusierung auf den Zweck des Familienzeitbonus laut den Gesetzesmaterialien samt Berücksichtigung des Gebots zur richtlinienkonformen Interpretation im Lichte der RL (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates (in der Folge kurz RL (EU) 2019/1158) unter expliziter Bezugnahme auf deren ErwGr 11 (10 ObS 161/21f, Rz 29 sowie 33ff, insb Rz 38).

5.1.1 Der Zweck des Familienzeitbonus für Väter wird in den Gesetzesmaterialien wie folgt beschrieben (ErläutRV 1110 BglNR 24. GP, 1): Erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, sollen eine finanzielle Unterstützung erhalten. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Familiengründungszeit wichtig ist, damit das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen, dieser seine unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, bei den Behördenwegen, bei Haushaltsarbeiten etc bestmöglich unterstützen kann, und um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken.

5.1.2 Die RL (EU) 2019/1158 enthält nach deren Artikel 1 Mindestvorschriften, um die Gleichstellung von Männern und Frauen im Hinblick auf Arbeitsmarktchancen und die Behandlung am Arbeitsplatz dadurch zu erreichen, dass Arbeitnehmern, die Eltern oder pflegende Angehörige sind, die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben erleichtert wird. Diese Mindestvorschriften dieser Richtlinie werden von den Bestimmungen des FamZeitbG grundsätzlich übererfüllt. Der ErwGr 11 der RL (EU) 2019/1158 lautet: Der derzeitige Rechtsrahmen der Union bietet Männern nur wenige Anreize, um einen gleichwertigen Anteil an den Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu übernehmen. In vielen Mitgliedstaaten gibt es keinen bezahlten Vaterschafts- und Elternurlaub, weshalb nur wenige Väter einen Urlaub in Anspruch nehmen. Die Politik zur Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Frauen bzw. Männer ist so unausgewogen gestaltet, dass sie die Geschlechterstereotype und -unterschiede sowohl im Beruf als auch im Bereich von Betreuung und Pflege noch verstärkt. Mit Gleichbehandlungsmaßnahmen sollte unter anderem das Problem der Stereotype bei der Beschäftigung und den Rollen sowohl von Männern als auch von Frauen angegangen werden, und die Sozialpartner sind dazu angehalten, ihrer Schlüsselrolle gerecht zu werden, indem sie sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber informieren und sie für die Bekämpfung von Diskriminierung sensibilisieren. Wenn Väter Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben in Anspruch nehmen, wie z. B. Urlaub oder flexible Arbeitsregelungen, wirkt sich dies außerdem nachweislich positiv in der Form aus, dass Frauen relativ betrachtet weniger unbezahlte Familienarbeit leisten und ihnen mehr Zeit für eine bezahlte Beschäftigung bleibt.

6. Wenn auch der übliche Krankenhausaufenthalt des wie vorliegendgesund und komplikationslos geborenen Kindes in den ersten Lebenstagen in den Gesetzesmaterialien nicht gesondert als Beispiel angeführt wurde, so wird dieser weit verbreitet und üblicherweise in Anspruch genommene Aufenthalt darin aber auch nicht ausgeschlossen. Bedenkt man neben dem Grundzweck für die Einführung des Familienzeitbonus zudem den offenkundigen Zweck der Einfügung der Ausnahmebestimmung des § 2 Abs 3a FamZeitbG, mit der ein Anspruchsverlust wegen eines Krankenhausaufenthaltes des Kindes samt Anstaltspflege verhindert werden sollte ( I. Faber,DRdA 2022, 18 [21]), so erscheint dieser aus Anlass der Geburt im Krankenhaus übliche Krankenhausaufenthalt auch von der geforderten medizinischen Indikation des § 2 Abs 3a FamZeitbG mitumfasst, dient er doch der laufenden medizinischen Überwachung des Gedeihens der Neugeborenen und stellt keinen Wellness-Aufenthalt dar ( I. Faber, DRdA 2022, 18 [21 f]). Dies gilt umso mehr, als bei lebensnaher Betrachtung gerade der möglichst intensive Kontakt (auch) des Vaters zeitnah nach der Geburt und damit zumeist noch während des üblichen Krankenhausaufenthaltes dazu dient, dass das Neugeborene rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen und dieser seine auch im Krankenhaus unter den Auswirkungen der gerade erfolgten Geburt stehende Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings bestmöglich unterstützen kann, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken. Der Aufbau einer intensiven Beziehung zum Kind unmittelbar nach der Geburt ist für die Eltern, mithin für Mutter und Vater besonders wertvoll, um möglichst früh eine möglichst intensive emotionale Bindung zum Kind herzustellen, und dient daher im Besonderen der Erreichung der vom nationalen und europäischen Normgeber formulierten und hier relevant umzusetzenden Ziele und Zwecke (vgl oben Pkt 5.1.1 und 5.1.2). Eine von der beklagten Partei vertretene allzu restriktive Auslegung der medizinischen Indikation ist daher abzulehnen ( I. Faber, DRdA 2022, 18 [22]).

6.1 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Oberste Gerichtshof zuletzt das Vorliegen von Familienzeit des Vaters und einen Anspruch auf Familienzeitbonus während eines Krankenhausaufenthaltes eines Kindes unmittelbar nach der Geburt nicht mehr beanstandet hat (10 ObS 98/23v). Das Höchstgericht hat damit insbesondere auch an seiner bisherigen von der Berufung zitierten Rechtsprechung, wonach die Tage, in denen sich Mutter und Kind im Krankenhaus befänden und die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt und daher per se nicht dazu beitragen würden, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck zu erreichen, der darin liege, dass der Vater die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings unterstützt und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entstehe (10 ObS 109/18d), nicht mehr länger festgehalten.

6.2 Es entspricht bei einer lebensnahen Betrachtung nach Meinung des erkennenden Berufungssenates auch nicht der Lebensrealität, dass sich der Vater nach einer komplikationslos verlaufenen (Normal)Geburt während des anschließenden üblichen, mehrere Tage dauernden Krankenhausaufenthaltes des Neugeborenen und seiner Mutter, bei mehrstündigen Besuchen seines Kindes und dessen Mutter im Krankenhaus nicht auch intensiv um das Kind und dessen Mutter bzw seine Partnerin kümmern würde und dies alleine wegen des Krankenhausaufenthaltes und der dabei noch unterstützend erhaltenen Anstaltspflege und -betreuung nicht geeignet wäre, dem vom Gesetzgeber ausdrücklich formulierten Grundziel des FamZeitbG zum Durchbruch zu verhelfen. Dieser liegt insbesondere darin, dass das Neugeborene möglichst früh eine emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen kann, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken. Diese Bindung auch zum Vater ist dabei auch zwingende Grundvoraussetzung, um im Sinne des ErwGr 11 der RL (EU) 2019/1158 das Problem der Stereotype bei der Beschäftigung und den Rollen sowohl von Männern als auch von Frauen nachhaltig angehen zu können, wobei insbesondere die sozialpartnerschaftlich besetzte beklagte Partei (vgl § 426 ASVG) mit ihrer wiederholt sehr restriktiven Handhabung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem FamZeitbG bzw der Gewährung des Anspruchs auf Familienzeitbonus der mit dieser Richtlinie den Sozialpartnern diesbezüglich übertragenen Schlüsselrolle nicht gerecht zu werden scheint.

7. Nachdem sich der Vater während des bereits wegen der Normalgeburt im Krankenhaus medizinisch indizierten Krankenhausaufenthaltes seines Sohnes über den geforderten Mindestumfang hinaus der Pflege und Betreuung seines Kindes gewidmet hat, ist während dieser Zeit sowohl ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG anzunehmen und steht dieser auch dem Vorliegen einer Familienzeit ab 10. Juli 2024 nicht entgegen.

7.1 Dass der Nachweis für die Pflege und Betreuung des Kindes durch Bestätigungen des Krankenhauses beim Krankenversicherungsträger nachzuweisen wäre, kann lediglich den Materialien, nicht aber dem Gesetzestext selbst entnommen werden und steht daher den diesbezüglichen, in der Berufung ohnehin unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts nicht entgegen (vgl RS0008799).

7.2 Soweit die Berufung in der Rechtsrüge sekundäre Feststellungsmängel zur Dauer der Familienzeit beanstandet, ist sie darauf zu verweisen, dass das Vorliegen von Familienzeit und ihre Dauer im Sinn des § 2 Abs 4 FamZeitbG keine Tatsachenfrage, sondern eine solche der rechtlichen Beurteilung unter konkreter Anwendung der Vorgaben des § 2 Abs 3a FamZeitbG bildet.

C. Ergebnis:

8. Es hat daher insgesamt beim erstgerichtlichen Urteil zu bleiben.

9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Beim Familienzeitbonus handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung im Sinn des § 77 Abs 2 ASGG (RS0085788 [T3]).

10. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang zur Frage, ob auch ein üblicher Krankenhausaufenthalt nach einer geplanten und komplikationslos verlaufenen Normalgeburt in einem Krankenhaus medizinisch indiziert im Sinn des § 2 Abs 3a FamZeitbG ist, noch nicht Stellung genommen hat.