JudikaturOLG Linz

10Bs198/25a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
11. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen Dr. A* B*und andere wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbare Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 30. April 2025, HR*-75, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass

1. der Einspruch wegen Rechtsverletzung der C*, soweit er sich gegen die Zurückweisung ihres Privatbeteiligtenanschlusses durch die Staatsanwaltschaft im Verfahren gegen Dr. A* B* richtet, abgewiesen sowie

2. Akteneinsicht nur hinsichtlich jener Aktenbestandteile gewährt wird, die einen Bezug zum Verlassenschaftsverfahren GZ A* des Bezirksgerichts Innsbruck und zum Zivilverfahren Cg1* des Landesgerichts Innsbruck aufweisen.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Feldkirch führte zu St* ein Strafverfahren - unter anderem - gegen Dr. A* B* wegen des Verdachts des Verbrechens des Amtsmissbrauchs nach § 302 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der Beweismittelfälschung nach § 293 Abs 1 StGB und der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 StGB (ON 1.38). Nach einer Teileinstellung des Verfahrens gegen ihn wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs am 6. August 2024, kam es schließlich am 18. Oktober 2024 auch zur Einstellung hinsichtlich der beiden anderen Vergehen (ON 1.38, ON 1.44).

Unter anderem wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 17. März 2021 in ** ein falsches Beweismittel, und zwar ein um fingierte Termine ergänztes Kostenverzeichnis in einem gerichtlichen Verfahren gebraucht, indem er dieses an den im Verfahren GZ A* des Bezirksgerichts Innsbruck zuständigen Verlassenschaftskurator übermittelt hat ( S 10 in ON 30).

Schon mit Eingabe vom 3. Juni 2024 (ON 40.2) erklärte C* im Wege ihrer Rechtsvertretung, sich dem Strafverfahren gegen Dr. A* B* mit einem Teilschadenersatzbetrag von EUR 1.000,00 anzuschließen und begehrte unter einem Akteneinsicht. Zur Begründung wurde (zusammengefasst) ausgeführt, dass sie auf Grund eines fremdhändigen Testaments im oben angeführten Verlassenschaftsverfahren als Erbin beteiligt sei. In diesem Verfahren habe Dr. A* B* Honorarforderungen in Millionenhöhe angemeldet und zu deren Untermauerung widersprüchliche bzw objektiv unrichtige Beweismittel vorgelegt. Zwischenzeitlich habe er bzw die von ihm repräsentierte Dr. B* F* GmbH zu Cg1* (vormals Cg2*) des Landesgerichts Innsbruck einen Honorarprozess gegen die Verlassenschaft angestrengt, in welchem sie sich als Nebenintervenientin auf Beklagtenseite angeschlossen habe. Im Falle der Einantwortung der Verlassenschaft an C*, habe sie allenfalls erhebliche Zahlungen zu leisten und zur Abwehr der unberechtigten Honorarforderungen des Beschuldigten einen Rechtsanwalt beauftragt. Ob der unmittelbaren Wirkung der Verdachtsmomente auf allfällige Schadenersatzforderungen, habe sie ein rechtliches Interesse an der Gewährung von Akteneinsicht in den Strafakt, der auch „Beweisgegenstand“ im Verlassenschaftsverfahren sei.

Mit Verfügung vom 5. Juni 2024 erging seitens der Staatsanwaltschaft diesbezüglich die Mitteilung, dass eine Privatbeteiligung der C*, die aktuell lediglich Erbansprecherin sei, nicht zulässig wäre und einer Akteneinsicht nach § 77 StPO Geheimhaltungsinteressen der Beschuldigten entgegen stünden (ON 1.26).

Dagegen wurde von C* am 18. Juli 2024 fristgerecht Einspruch wegen Rechtsverletzung nach § 106 StPO erhoben. Das Vorgehen des genannten Beschuldigten sowohl im Verfahren zu GZ A* des Bezirksgerichts Innsbruck als auch in jenem zu Cg1* des Landesgerichts Innsbruck sei Gegenstand des Strafverfahrens, weshalb sie auf die Ermittlungsergebnisse angewiesen sei. Als – im Fall der Einantwortung zu ihren Gunsten - potentiell Geschädigte habe sie sich auch zu Recht dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen (ON 50.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30. April 2025 wurde diesem Einspruch (dessen Begründung folgend) vom Erstgericht Folge gegeben und der Staatsanwaltschaft Feldkirch aufgetragen, C* als Privatbeteiligte zuzulassen sowie ihr Akteneinsicht zu gewähren (ON 75).

Dagegen wurde nunmehr vom Beschuldigten Dr. A* B* fristgerecht Beschwerde erhoben, weil die Einspruchswerberin als bloße Erbansprecherin selbst keinen Schaden aus den zur Last gelegten Taten erlitten habe, weshalb sie nicht als Privatbeteiligte in Betracht komme. Einem darüber hinaus gehenden rechtlichen Interesse an der Akteneinsicht stünden mit Blick auf das Recht auf Datenschutz (§ 1 DSG) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) überwiegende private Interessen des Beschuldigten entgegen (ON 79.2).

Die Beschwerde ist zum Teil berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Einem Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren liegen ausschließlich Ansprüche ex delictozu Grunde (vgl RIS-Justiz RS0017294), sodass grundsätzlich nur der durch die Straftatin seinem Recht Geschädigte selbst die Stellung eines Privatbeteiligten in Anspruch nehmen kann. Privatbeteiligter kann somit nur sein, wer Opfer (§ 65 Z 1 lit c StPO) der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Straftat ist. In der Zeit zwischen dem Tod des Geschädigten und der Einantwortung ist der ruhende Nachlass (die Verlassenschaft) als juristische Person zum Anschluss berechtigt. Erst ab der Einantwortung ist der eingeantwortete Erbe Partei ( vgl Spenling,WK StPO Vor §§ 366 – 371 Rz 31 ff).

Zwar besteht keine Bindung an den „tatbestandsrelevanten Schaden“, nichts desto trotz muss der Privatbeteiligte durch die Straftat, wegen der der Beschuldigte verfolgt wird, verletzt worden sein. Nur dann sind auch nicht im Schutzbereich der übertretenen strafrechtlichen Norm liegende Schäden zu ersetzen (vgl RIS-Justiz RS0101225; Spenling aaO § 366 Rz 14 mwN).

Ein im Rahmen des Strafverfahrens zu berücksichtigender Ersatzanspruch der C* ist mangels Einantwortung der in Rede stehenden Verlassenschaft somit nicht ableitbar, weshalb die Staatsanwaltschaft Feldkirch diese zu Recht nicht als Privatbeteiligte zugelassen hat.

Die Gewährung von Akteneinsicht wiederum setzt entweder eine gesetzliche Verpflichtung (Amtshilfe), Parteistellung in einem anhängigen Verfahren (§ 68 Abs 1 und 2 StPO) oder (bspw nach rechtskräftiger Erledigung) außerhalb eines solchen bzw für nicht am Verfahren beteiligte Personen ein besonderes rechtliches Interesse voraus (§ 77 Abs 1 StPO [ vgl RIS-Justiz RL0000094; OLG Linz 10 Bs 348/18z; Oshidari,WK StPO § 77 Rz 1]).

Nach § 77 Abs 1 StPO haben Staatsanwaltschaften und Gerichte im Falle begründeten rechtlichen Interesses auch außer den in der Strafprozessordnung besonders bezeichneten Fällen Einsicht in die ihnen vorliegenden Ergebnisse eines Ermittlungs- oder Hauptverfahrens zu gewähren, soweit dem nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Wann ein begründetes rechtliches Interesse iSd § 77 Abs 1 StPO vorliegt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Jedenfalls muss es sich um ein in der Rechtsordnung gegründetes und von ihr gebilligtes Interesse handeln, das über bloß wirtschaftliches bzw politisches Interesse oder über Interessen privater oder öffentlicher (medialer) Information, der Pietät, des Anstands oder der Ethik hinausreicht (vgl Brandstetter/Zeinhofer in Birklbauer/Haumer/Nimmervoll/Wess , LiK-StPO § 77 Rz 5 mwN; Leitner in Schmölzer/Mühlbacher, StPO I 2§ 77 Rz 4 ff; RIS-Justiz RS0079198). Die Kenntnis vom Akteninhalt muss geeignet sein, die Position des Antragstellers in einem – wenn auch noch nicht anhängigen – (Verwaltungs-, Zivil- oder Straf-)Verfahren zu fördern oder die Gefahr von Beeinträchtigungen seiner Rechtsspähre zu minimieren oder zu beseitigen. Es ist stets abzuwägen, inwieweit einem solchen nicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Weiters ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Akteneinsicht (gänzlich oder teilweise) notwendig ist. Bezieht sich das rechtliche Interesse des Antragstellers lediglich auf einzelne Aktenteile, ist die Akteneinsicht entsprechend einzuschränken (vgl Oshidari , aaO § 77 Rz 2 f).

Ausgehend von diesen Kriterien kann der Einspruchswerberin mit Blick auf die beiden eingangs angeführten Gerichtsverfahren ein begründetes rechtliches Interesse nicht abgesprochen werden, ist doch – unter anderem - das dort vom Beschuldigten gesetzte Verhalten Gegenstand des gegen ihn geführten Strafverfahrens. Das Vorliegen eines rechtlichen Interesses der C* wird vom Beschwerdeführer im Übrigen nicht explizit in Frage gestellt.

Akteneinsicht führt regelmäßig zu einem Eingriff in die Grundrechte auf Datenschutz (§ 1 DSG) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) jener Personen, deren personenbezogene Daten sich im Akt befinden (vgl 14 Os 128/14a). Fallkonkret sind allerdings keine der Gewährung von Akteneinsicht entgegenstehende, überwiegende private Interessen des Beschwerdeführers auszumachen, zumal es sich verfahrensgegenständlich um Vorgänge handelt, von welchen C* auf Grund des Verlassenschaftsverfahrens und des Honorarprozesses ohnehin bereits Kenntnis hat. Weiterführende Argumente hiezu finden sich auch in der Beschwerde nicht.

Die Bedenken des Beschwerdeführers sind dennoch insoweit berechtigt, als der Genannten uneingeschränkte Akteneinsicht zuerkannt wurde. Vielmehr wird darauf zu achten sein, dass die Akteneinsicht auf jene – für die Einspruchswerberin relevanten - Aktenbestandteile zu beschränken ist, die einen Bezug zum Verlassenschaftsverfahrens GZ A* des Bezirksgerichts Innsbruck und zum Honorarprozess Cg1* des Landesgerichts Innsbruck aufweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.