8Bs131/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Hemetsberger als Vorsitzende und die Richter Mag. Grosser und Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 7. Juli 2025, Hv*-72, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 4. Juli 2025 (ON 49a), welches nach Zurückziehung der angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde durch den Angeklagten (ON 56) mit Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 21. Oktober 2024 (ON 62) in Rechtskraft erwuchs, wurde der am ** geborene A* B* des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB sowie des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1a StGB nach § 205 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren verurteilt, welche in Stattgabe der Berufung des Angeklagten wegen Strafe vom Oberlandesgericht Linz auf sechs Jahre herabgesetzt wurde.
Nach dem Schuldspruch hat A* B* in **
A) Ende September 2023 an einer wehrlosen Person, nämlich der durch den vorangegangenen Konsum von Suchtmitteln beeinträchtigten und schlafenden C* D* unter Ausnützung dieses Zustands den Beischlaf unternommen, indem er sich – nachdem D* aufgrund ihrer Erschöpfung und nach dem Konsum von Heroin und Kokain eingeschlafen war – auf sie setzte und mit seinem Penis einen vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
B) am 17. November 2023, wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe, nämlich ein Butterflymesser, besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG (durch die BH E*) verboten ist.
Mit Eingabe vom 12. Juni 2025 (ON 71) beantragte der in Strafhaft (ON 66) befindliche A* B* die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die von ihm beabsichtigte Wiederaufnahme dieses Strafverfahrens mit der Begründung, dass er neue Beweismittel in Form von Fotos und einer Videoaufnahme vorlegen könne, wonach C* D* in einer Beziehung mit ihm gewesen sei (ON 71, 2).
Nach abweislicher Stellungnahme der Anklagebehörde (ON 1.70) wies das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss (ON 72) den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers mit der Begründung ab, dass nach dem Vorbringen des Verurteilten keine schwierige Sach- oder Rechtslage vorliegen würde, sodass – mangels Verteidigerzwang im Wiederaufnahmeverfahren – die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.
Dagegen richtet sich die mit 18. Juli datierte und am 25. Juli 2025 beim Oberlandesgericht Linz (vgl § 88 Abs 4 StPO) eingelangte, mit Blick auf die Aufgabe der Briefsendung mit 21. Juli 2025 laut Postbuch der Justizanstalt ** (ON 5 in 8 Bs 131/25h des Oberlandesgerichtes Linz; zur fristgerechten Übergabe an die Leitung der Justizanstalt vgl RIS-Justiz RS0106085) rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten.
Der Beschwerde, zu der die Oberstaatsanwaltschaft keine Stellungnahme erstattet hat, kommt im spruchgemäßen Sinn Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 43 Abs 4 StPO ist ein Richter von der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens und von der Mitwirkung und Entscheidung im erneuerten Verfahren ausgeschlossen, wenn er im Verfahren bereits als Richter tätig gewesen ist (RIS-Justiz RS0125149 [T8]). Die sich auf das Wiederaufnahmeverfahren beziehenden Ausschließungsgründe umfassen auch die Entscheidung über einen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshelfers für das Wiederaufnahmeverfahren (OLG Linz 8 Bs 381/10a = RIS-Justiz RL0000111; OLG Innsbruck 11 Bs 132/14w). Die Entscheidung über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Antrags auf Wiederaufnahme ist insofern inhaltlich engstens mit der Entscheidung über die Wiederaufnahme verknüpft, als zu prüfen ist, ob die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Rechtspflege gelegen ist, was denknotwendig mit einer (zumindest groben) Beurteilung der Erfolgsaussicht der Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zusammenhängt. Insbesondere kann der Sach- und Rechtslage bei der Stellung eines Antrags auf Wiederaufnahme nicht pauschal jedwede Schwierigkeit iSd § 61 Abs 2 Z 4 StPO abgesprochen werden (vgl OLG Graz 10 Bs 372/11y; OLG Innsbruck 11 Bs 110/15m; Rohregger in Kier/Wess, HB Strafverteidigung² Rz 19.44 mwN). Somit rückt jedoch unter dem Aspekt des qualifizierten Rechtspflegeinteresses die Frage der (zumindest momentanen) Aussichtslosigkeit des angestrebten Wiederaufnahmeantrages (vgl hiezu OLG Linz 9 Bs 197/21s; 9 Bs 30/19d; 9 Bs 30/19d ua) in den Entscheidungsfokus.
Diese Verwobenheit der – nicht losgelöst zu beurteilenden – Entscheidungsgegenstände zieht die analoge Heranziehung des § 43 Abs 4 StPO nach sich (OLG Innsbruck 11 Bs 132/14w; im Ergebnis auch OLG Wien 19 Bs 281/21v [bei einem Vorbringen von Wiederaufnahmeargumenten bereits im Verfahrenshilfeantrag]). Fallkonkret hat der bereits als Vorsitzender des Schöffensenats im Verfahren Hv* fungierende Richter des Landesgerichts Linz auch über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (zur Einbringung eines Antrages auf Wiederaufnahme) abgesprochen, sodass die – vom Beschwerdeführer nicht monierte – Ausgeschlossenheit des Erstrichters im Rahmen der umfassenden Entscheidungskompetenz des Rechtsmittelgerichts von Amts wegen (vgl Strickerin LiK-StPO § 89 Rz 19 f mwN) aufzugreifen war, was gemäß § 89 Abs 2a Z 1 StPO die Zurückverweisung an das Erstgericht zu neuerlicher Entscheidung ( Stricker aaO § 89 Rz 10; EBRV 981 BlgNR 24. GP 92) zur Folge hat.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).