JudikaturOLG Linz

9Bs151/25g – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
06. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr Engljähringer als Vorsitzende und Mag Kuranda und den Richter Mag Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Jugendschöffengericht vom 7. Mai 2025, Hv*-52, sowie dessen Beschwerde gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts HR Mag Daxecker, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag Arthofer durchgeführten Berufungsverhandlung am 6. August 2025

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. beschlossen:

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene Jugendliche A* B* des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (A.), des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 Abs 2 erster Fall StGB (B.I.1.), des Verbrechens des Raubs nach §§ 15 Abs 1, 142 Abs 1 StGB (B.I.2.), des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB (B.II.) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (B.III.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 StGB sowie § 5 Z 4 JGG nach dem ersten Strafsatz des § 143 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, auf die gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die Zeit der Vorhaft vom 10. Februar 2025, 10.32 Uhr, bis zum 7. Mai 2025, 14.40 Uhr, angerechnet wurde.

Im Adhäsionserkenntnis wurde der Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, den Privatbeteiligten C* Schadenersatz von EUR 641,12, dem D* Schadenersatz von EUR 600,00, der E* GmbH Schadenersatz von EUR 3.216,84 und dem F* G* Schmerzengeld von EUR 1.000,00 zu bezahlen.

Unter einem widerrief das Erstgericht mit Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO die dem Angeklagten zu BE* des Landesgerichts Salzburg gewährte bedingte Entlassung hinsichtlich eines zehnmonatigen Strafrests.

Nach dem Schuldspruch hat A* B*

A.in der Nacht zum 1. Februar 2025 in H* fremde bewegliche Sachen, die einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB) darstellen, unbrauchbar gemacht, indem er 4 Stück Pulverfeuerlöscher teils auf geparkte Autos in der Tiefgarage der I* versprühte, wobei dadurch den Verfügungsberechtigten der E* GmbH ein Schaden von EUR 3.216,84, der C* ein Schaden von EUR 591,12 und dem D* ein Schaden von EUR 500,00 entstanden sind;

B.I. in der Nacht zum 9. Februar 2025 in H*/** mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. F* G* Bargeld, indem er ihm folgte, ihm mehrere Schläge ins Gesicht und gegen den Körper versetzte und dabei äußerte, er wolle „Geld“, wobei die Tatvollendung infolge Weigerung desselben unterblieb und F* G* durch die ausgeübte Gewalt eine an sich schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form eines Bruchs des Jochbeins links, eines Bruchs des Oberkiefers links mit Einblutung in der Kieferhöhle, verbunden mit einer Gehirnerschütterung erlitt;

2. J* K* Bargeld, indem er ihm einen Schlag ins Gesicht versetzte, dem Flüchtenden, der dabei zu Sturz kam, nachlief und von dem am Boden Liegenden Geld forderte, wobei die Tatvollendung infolge Weigerung des J* K* unterblieb und J* K* dabei eine Körperverletzung in Form einer Kieferprellung erlitt;

II. in der Nacht zum 10. Februar 2025 in ** mit dem gesondert verfolgten L* dem M* eine fremde bewegliche Sache in einem EUR 5.000,00 übersteigenden Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er dessen PKW ** mit dem behördlichen Kennzeichen ** im Wert von zirka EUR 40.000,00 an sich nahm.

III. am 8. Februar 2025 zwischen ** und H* Verfügungsberechtigte der N* dadurch geschädigt, dass er eine fremde bewegliche Sache aus deren Gewahrsam dauernd entzog, ohne sich die Sache zuzueignen, indem er während einer Zugfahrt einen Feuerlöscher, somit eine der in § 126 Abs 1 Z 5 StGB genannten, der kritischen Infrastruktur zuzuordnenden Sache aus dem Fenster warf.

Gegen den Strafausspruch dieses Urteils sowie den Widerruf der bedingten Entlassung richten sich noch die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten, nachdem er die angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung gegen die Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche zurückgezogen hatte, mit dem Ziel der Herabsetzung des Strafmaßes und eines Absehens vom Widerruf der bedingten Entlassung bei gleichzeitiger Verlängerung der Probezeit (ON 59).

Die Oberstaatsanwaltschaft beantragte, den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.

Weder die Berufung noch die Beschwerde ist erfolgreich.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd die teilweise, nämlich zur schweren Sachbeschädigung und zur Inbetriebnahme des fremden PKW geständige Verantwortung des Angeklagten, den Umstand, dass die beiden Raubtaten beim Versuch geblieben sind, sowie die Rückstellung des gestohlenen Fahrzeugs an den Geschädigten, erschwerend hingegen eine einschlägige Vorstrafe (wegen §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 erster Fall StGB), den äußerst raschen Rückfall nach seiner Haftentlassung und das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit mehreren Vergehen.

Dieser Strafzumessungskatalog ist zu Lasten des Angeklagten noch dahin zu ergänzen, dass erschwerend die (leichte) Verletzung des Raubopfers K* hinzutritt (RIS-Justiz RS0092619 [T8]; Hintersteininger/Obermayrin SbgK § 142 Rz 77 mN). Schulderhöhend wirkt außerdem die Tatbegehung während offener Probezeit (RIS-Justiz RS0111324).

Besonders belastet den Angeklagten, wie bereits vom Erstgericht ausgeführt, die rasche neuerliche Delinquenz nach seiner bedingten Entlassung am 21. November 2024 mit zehnmonatigem Strafrest nach vorangegangener 14-monatiger Hafterfahrung. Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass sich die kriminelle Energie des Angeklagten seither noch gesteigert hat. In dem Sinn lässt auf eine besonders verwerfliche Einstellung und Ignoranz gegenüber jeglichen fremden Rechtsgütern schließen, dass der Angeklagte zunächst „aus Spaß“ mehrere Feuerlöscher in einer Tiefgarage auf dort abgestellte Fahrzeuge versprühte und wenige Tage später einen Feuerlöscher aus einem fahrenden Zug warf, nur eine Nacht darauf – neben einem räuberischen Angriff auf einen weiteren Menschen – einen schweren Raub unter Anwendung erheblicher Gewalt verübte, indem er dem (ihm zufällig in die Quere kommenden) Opfer G* derart brutal ins Gesicht schlug, dass dieser mehrere Knochenbrüche im Gesicht und eine Gehirnerschütterung davontrug, und er (B*) offenkundig unbeirrt in der darauffolgenden Nacht noch einen PKW stahl. Die Rückstellung jenes Fahrzeugs erfolgte im Übrigen nicht aus eigener Motivation des Angeklagten, sondern zufolge Betretung auf frischer Tat. Vor diesem Hintergrund wirkt auch das diesbezüglich abgelegte Geständnis nur untergeordnet mildernd, war es doch vielmehr der drückenden Beweislage geschuldet.

Dem Berufungsvorbringen, der minderjährige Angeklagte habe nach seiner bedingten Entlassung keinerlei Unterstützung erhalten, ist entschieden entgegenzutreten. A* B* ist seit mehreren Jahren massiv in ein professionelles sozialpädagogisches Betreuungsumfeld eingebettet, wusste allerdings bislang die Unterstützungsangebote nicht für sich zu nutzen. Davon abgesehen fanden im Rahmen der Bewährungshilfe seit Dezember 2024 im 14-tägigen Abstand Betreuungstermine statt (ON 31). Ernüchternd ist im Übrigen auch der Bericht der Familien- und Jugendgerichtshilfe O* vom 31. März 2025 (ON 33): Während der Untersuchungshaft erfolgte ein Erhebungsgespräch mit dem Jugendlichen, der darin sowohl die zweimal wöchentlich organisierte Betreuung durch sozialpädagogische Bezugsbetreuer als auch die zwischen der bedingten Entlassung und der neuerlichen Inhaftierung bereits stattgefundenen drei bis vier Termine mit der Bewährungshelferin als nicht sinnvoll und notwendig erachtete (sie seien „für’n Arsch“ [ON 33, 3 f]). Die Gruppenangebote des Psychologischen Dienstes der Justizanstalt Linz bezeichnete der Angeklagte als „Bullshit“ (ON 33, 4). Damit bleibt aber der Eindruck, dass die Kontakte des Angeklagten zu Sozialbetreuern und Bewährungshelfern primär fremdmotiviert erfolgten, und dass angesichts dieser verfestigten ablehnenden Einstellung eine aktive Mitwirkung oder ein Bemühen um Resozialisierung seitens des Angeklagten derzeit nicht mit Grund erwartet werden kann.

Insgesamt erweist sich damit entgegen den Berufungseinwänden die von den Erstrichtern ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe maßvoll unter Bedachtnahme auch auf die Auswirkungen der Strafe auf die Persönlichkeitsentwicklung und auf das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft verhängte unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren tat- und schuldadäquat und – auch unter Beachtung sämtlicher berechtigter Präventionsanliegen – nicht mehr reduzierbar.

Gemäß § 53 Abs 1 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe, den Strafteil oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn ein Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird und der Widerruf in Anbetracht der neuerlichen Verurteilung zusätzlich zu dieser geboten erscheint, um den Rechtsbrecher von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Mit den umfassenden prognostischen Erwägungen der Erstrichter:innnen bedarf es hier trotz des jugendlichen Alters des Angeklagten aufgrund seiner raschen und massiven Rückfälligkeit zusätzlich zur verhängten Freiheitsstrafe auch des Widerrufs der bedingten Entlassung (Strafrest: zehn Monate), um A* B* den Ernst der Lage und die Alternativlosigkeit aktueller strafrechtlicher Reaktion unumwunden vor Augen zu führen, spricht doch derzeit – einschließlich der Einschätzung der Bewährungshilfe – nichts mehr dafür, dass er das von der Gesellschaft in der Vergangenheit (auch schon vor Erreichen seiner Strafmündigkeit) immer wieder in ihn gesetzte Vertrauen ungeachtet vorangegangener – für ihn ausschließlich als bitter und kontraproduktiv empfundener, nicht aber als Chance und Pfad zurück in die rechtstreue Gemeinschaft begriffener – Vollzugserfahrungen nicht erneut enttäuschte und auch ohne diesen Schritt künftig straffrei bliebe.