3R84/25f – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geb. am **, Restaurantfachmann, **, **, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte B* N.V. , **, **, NL-Curacao, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in Linz, wegen EUR 22.933,92 s.A., über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 6. Juni 2025, Cg*-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.
Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.482,62 (darin EUR 413,77 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist ein in Curacao registriertes Unternehmen, welches - auch im klagsgegenständlichen Zeitraum - Online-Glückspiele über auch in Österreich auf deutsch abrufbare Websites anbietet. Sie verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine nationale Glücksspiellizenz in Österreich.
Der Kläger ist Verbraucher und eröffnete 2021 auf den von der Beklagten betriebenen Websites **, ** und ** jeweils ein Benutzerkonto, über das er in der Folge am Online-Spielangebot teilnahm. Zu den Spielseiten ist der Kläger über eine Online Werbung gelangt. Die Registrierung erfolgte auf Deutsch und als Land konnte Österreich ausgewählt werden. Zum Sitz der Beklagten und ob diese überhaupt eine Lizenz für das Glücksspiel in Österreich hat, machte sich der Kläger keine Gedanken. Der Kläger hatte im klagsgegenständlichen Zeitraum seinen Wohnsitz durchgängig in Österreich. Er spielte im Zeitraum von 12.12.2021 bis 21.07.2024 täglich mit seinem Account „**“ auf den Websites der Beklagten. Er spielte nur privat und ausschließlich Slot-Spiele. Abgesehen von den Websites der Beklagten spielte der Kläger auch auf anderen Websites, wobei er ca. EUR 2.000,00 verlor. Der Kläger spielte ausschließlich von Österreich aus und dies immer auf seinem Smartphone. Das Geld hiefür stammte aus seinem Arbeitseinkommen. Insgesamt zahlte der Kläger EUR 31.433,92 bei den Websites der Beklagten ein und erhielt Auszahlungen von EUR 8.500,00. Er erlitt auf Basis der vorgenommenen Ein- und Auszahlungen im genannten Spielzeitraum einen Verlust von EUR 22.933,92. Nachdem er erfuhr, dass man Spielverluste zurückerhält, spielte er nicht mehr bei der Beklagten. Mit E-Mail des Klagevertreters vom 14.11.2024 wurde die Beklagte (erfolglos) aufgefordert, die Verluste des Klägers bis längstens 13.12.2024 einlangend zur Anweisung zu bringen. Dieses E-Mail ging der Beklagten auch zu.
Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Spielverlustes. Er habe einen bereicherungs- und schadenersatzrechtlichen Anspruch wegen fehlender österreichischer Lizenz der Beklagten.
Die Beklagte wandte die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein, bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und wandte – soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz - ein, dass das österreichische Glücksspielmonopol mit dem Unionsrecht nicht vereinbar sei. Das Anbieten von Glücksspielen ohne österreichische Glücksspielkonzession sei daher rechtmäßig.
Mit der angefochtenen Entscheidung verwarf das Erstgericht die Einreden der fehlenden internationalen, sachlichen und örtlichen Zuständigkeit und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrags von EUR 22.933,92 samt 4% Zinsen seit 13.12.2024. Seiner Entscheidung legte es im Wesentlichen die eingangs wiedergegeben Tatsachenfeststellungen zu Grunde. Auf die weiteren Feststellungen auf Urteilsseite 3 kann gem. § 500a ZPO verwiesen werden.
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht in Anwendung österreichischen Sachrechts zum Ergebnis, dass nach ständiger Rechtsprechung das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt für den gegenständlichen Zeitraum den vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspreche. Neue und konkrete Umstände, die sich seit der letzten Beurteilung zur Kohärenz der österreichischen Glücksspielregelungen geändert hätten, seien von der Beklagten nicht aufgezeigt worden. Bei den von der Beklagten konzessionslos angebotenen Glücksspielen handle es sich um verbotenes Glücksspiel. Was auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar, ohne das dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde. Aufgrund der bereits vorliegenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung sei von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens Abstand zu nehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Stoffsammlungsmängel) und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Klagsabweisung, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger strebt mit seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zur Nichtigkeit:
Die Beklagte macht den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO geltend, weil das Erstgericht zu Unrecht von seiner örtlichen und internationalen Zuständigkeit ausgehe.
Dieser Vorwurf scheitert allerdings an der bereits zur internationalen Zuständigkeit in vergleichbaren Fällen ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Demnach setzt der Begriff Vertrag nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn voraus, vielmehr liegen bei autonomer Auslegung vertragliche Ansprüche unter anderem dann vor, wenn eine Partei gegenüber der anderen freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist. Der EuGH hat auch bereits ausgesprochen, dass im Verbrauchergerichtsstand Ansprüche geltend gemacht werden können, welche untrennbar mit einem Verbrauchervertrag verbunden sind (EuGH C-96/00, Gabriel, Rn 56 bis 58; EuGH C-500/18, AU/Reliantco, Investments Ltd., Rn 64, 73). Von den Regelungen der Artikel 17 ff EuGVVO 2012 sind daher auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrages sowie vertragliche (Rückabwicklungs-)Ansprüche erfasst (vgl etwa Simotta in Fasching/Konecny3 V/1 Artikel 17 EuGVVO 2012 Rz 46; RS0108679). Untrennbar mit einem Verbrauchervertrag sind aber auch die vom Verbraucher der Rückabwicklung eines unwirksamen (nichtigen) Vertrags dienenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche verbunden. Sie unterfallen daher ebenfalls den Artikeln 17 ff EuGVVO 2012. Damit ist auch die vom EuGH in der Entscheidung C-500/18, AU/Reliantco, Investments Ltd., Rn 72, betonte notwendige Kohärenz von anwendbarem Recht und Gerichtsstand gegeben (9 Ob 75/22b mwN). Die internationale Zuständigkeit ist daher gegeben.
Die Berufung wegen Nichtigkeit war aus diesen Gründen zu verwerfen (vgl auch OLG Linz 6 R 28/25t, 2 R 55/25h; OLG Wien 10 R 10/25a).
Die Berufung erweist sich auch zur Frage der Kohärenz des GSpG als nicht stichhaltig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Erstgerichts verwiesen werden kann. Ergänzend ist zu betonen, dass auch nach jüngster Rechtsprechung (zuletzt etwa 10 Ob 10/23b, 7 Ob 71/23a, 7 Ob 111/23h, 5 Ob 69/23t, 8 Ob 67/24x) des Obersten Gerichtshofs die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet ist. Zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revisionen von Onlineglücksspielanbietern wurden trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel und sekundärer Feststellungsmängel durch das Berufungsgericht zurückgewiesen (8 Ob 138/22k, 1 Ob 1/24i, 2 Ob 194/24d, 3 Ob 210/24i uva). Es wurde auch die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt (7 Ob 163/21b). Inwiefern es sich dabei um Entscheidungen handeln soll, die „nicht mehr den Erfordernissen einer dynamischen Kohärenzprüfung“ gerecht werden, ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar. Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19, Fluctus, ergibt sich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (2 Ob 146/22t). Konkrete und auf die jeweiligen Zeiträume bezogene Umstände, die sich seit der letzten Beurteilung der Kohärenz geändert hätten, zeigt die Berufungswerberin nicht auf (vgl 5 Ob 85/23w). Insofern fehlt es auch nicht an Feststellungen für den hier zu beurteilenden Spielzeitraum.
Der Berufung war damit nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufgrund der mittlerweile ständigen Judikatur des OGH, der das Berufungsgericht gefolgt ist, nicht zulässig.