JudikaturOLG Linz

4R93/25m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Versicherungsangestellter, **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte B* Limited , **, **, **, **, Malta, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 22.258,50 s.A., über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 26. Mai 2025, Cg*-15, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 2.482,62 (darin enthalten EUR 413,77 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der in Österreich wohnhafte Kläger hat als Verbraucher bei der Beklagten zur Teilnahme am Online-Glücksspiel einen Account eingerichtet. Die Beklagte mit Sitz in Malta veranstaltet Internet-Glücksspiel auf der Website ** . Die Beklagte verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority und darf unter dieser Lizenz Gücksspiel im Internet im gesamten Gebiet der europäischen Union anbieten. Über eine österreichische Glücksspielkonzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügt die Beklagte nicht und verfügte darüber auch zu keinem Zeitpunkt.

Kunden, die bei der Beklagten Glücksspielverträge schließen, also am angebotenen Glücksspiel teilnehmen wollen, müssen dafür ein Spielerkonto anlegen und die erforderlichen persönlichen Daten, wie unter anderem Namen und Adresse sowie Kontodaten, eingeben sowie Nachweise übermitteln. Nach der Anlage des Spielerkontos können die Spieler Geld über unterschiedliche Zahlungsmethoden auf ihr Spielerkonto einzahlen.

Der Kläger spielte bei der Beklagten zwischen 14. September 2020 und 13. April 2023 ausschließlich Online-Slots. In diesem Zeitraum zahlte er insgesamt EUR 73.824,00 ein und erhielt Auszahlungen von EUR 51.555,50. Außerdem wurden dem Kläger von der Beklagten weitere EUR 10,00 abgezogen. Im April 2023 beendete der Kläger aus eigenem Entschluss seine Glücksspieltätigkeit bei der Beklagten, weil er weitere Verluste nicht mehr erleiden und seine Zeit mit Glücksspielen nicht mehr vertreiben wollte. Die bei der Beklagten durchgeführten Glücksspiele tätigte der Kläger als reine Freizeitbeschäftigung.

Dass die Beklagte, da sie über keine Glücksspiellizenz nach dem österreichischen Glücksspielgesetz verfügte, allenfalls illegale Glücksspiele betreiben würde, wusste der Kläger während seiner Glücksspieltätigkeit bei der Beklagten zwischen September 2020 und April 2023 zu keinem Zeitpunkt. Erst nach dem er seine Glücksspieltätigkeit bei der Beklagten bereits beendet hatte, erfuhr er im September 2024 durch entsprechende Meldungen im Internet über Instagram, dass die Glücksspieltätigkeit der Beklagten allenfalls illegal sei, weil sie über keine erforderliche Konzession in Österreich verfüge.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung seiner im Zeitraum 14. September 2020 bis 13. April 2023 erlittenen Glücksspielverluste in Höhe von EUR 22.258,50 samt 4 % Zinsen ab dem Folgetag der letzten Transaktion aus dem Titel des Bereicherungs- und des Schadenersatzrechts im Wesentlichen mit der Begründung, dass der Rückforderungsanspruch im Hinblick auf die fehlende Konzession der Beklagten nach dem österreichischen Glücksspielgesetz aus einem verbotenen Glücksspiel resultiere. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages gezahlt worden sei, sei nach ständiger Rechtsprechung rückforderbar. Der Klagsbetrag setze sich aus allen getätigten Einzahlungen (EUR 73.824,00) abzüglich der getätigten Auszahlungen (EUR 51.555,50) zusammen. Zudem seien Sportwettenverluste von EUR 10,00 abgezogen worden.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass sie über eine aufrechte maltesische Glücksspiellizenz verfüge und unter dieser Lizenz Glücksspiele im Internet anbieten dürfe. Aufgrund der durch Art 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit sei es ihr erlaubt, in der gesamten EU Glücksspiele anzubieten. Das österreichische Glücksspielmonopol würde in ungerechtfertigter Weise in die unionsrechtlich gewährte Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AEUV eingreifen. Die österreichische Glücksspielregulierungen seien in ihrer Gesamtheit inkohärent und das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig. Verzugszinsen stünden erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage zu.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrages von EUR 22.258,50 samt Zinsen seit 14. April 2023.

Das Erstgericht stellte den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt fest; im Übrigen wird auf die Seiten 3 bis 5 der Urteilsausfertigung verwiesen (§ 500a ZPO).

In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht in Anwendung österreichischen Rechts unter Heranziehung höchstgerichtlicher Judikatur zum Ergebnis, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen im Sinne der Judikatur des EuGH nicht gegen Unionsrecht verstoße. In der Entscheidung 9 Ob 20/21p habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass aufgrund der jüngst vom EuGH (EuGH vom 18. Mai 2021, C-920/19 Fluctus/Fluentum) wie bereits zuvor von allein drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommener Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols davon auszugehen sei, dass die Frage abschließend beantwortet sei. Dazu habe etwa auch das Oberlandesgericht Linz ausgesprochen, dass ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung seinen Ausgang vom Obersten Gerichtshof nehmen müsste.

Die Argumentation der Beklagten erlaube keine von der gefestigten Rechtsprechung abweichende Beurteilung. Eine konkrete Änderung gegenüber bereits geprüften Sachverhaltsgrundlagen lasse sich aus dem Vorbringen nicht ableiten. Die vom Kläger aufgrund von Online-Glücksspielen erlittenen Verluste würden sich auf einen Zeitraum vom 14. September 2020 bis 13. April 2023 beziehen. Die österreichischen Höchstgerichte seien in einer Vielzahl von Entscheidungen, die in oder nach diesem Zeitraum ergangen seien, zu dem Schluss gelangt, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionskonform sei (mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die Einwände der Beklagten seien daher vor dem Hintergrund dieser mittlerweile ständigen Rechtsprechung unberechtigt. An der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols bestehe daher kein Zweifel.

Bei dem von der Beklagten in Österreich angebotenen konzessionslosen Glücksspiel handle es sich um verbotenes Glücksspiel. Die deswegen geschlossenen Glücksspielverträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, seien gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Nach der Rechtsprechung sei, was auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrages gezahlt worden sei, rückforderbar. Verbotene Spiele würden nicht einmal eine Naturalobligation erzeugen. Der Verlierer könne die bezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde. Entgegen der allgemeinen Regel (§§ 1431f ABGB) bestehe der Rückforderungsanspruch sogar dann, wenn die Ungültigkeit der Verpflichtung bzw Leistung bekannt gewesen sei, was hier jedoch gerade nicht festgestellt worden sei.

Daher könne der Kläger den aus dem illegalen Glücksspiel zu seinen Lasten verbliebenen Negativsaldo in Höhe des Klagsbetrages zurückfordern, wodurch dem Klagebegehren, das der Höhe nach (und damit auch betreffend der Zinsenhöhe und des Beginns des Zinsenlaufes) unstrittig sei, zur Gänze stattzugeben sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit dem Abänderungsantrag dahin, das Klagebegehren gänzlich abzuweisen, hilfsweise Verzugszinsen ab 21. November 2024 zuzusprechen; in eventu wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger erstattete eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufungswerberin vertritt die Ansicht, das österreichische Glücksspielgesetz verstoße gegen EU-Recht. Die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Spielverträge seien gerade nicht nichtig und die Spieleinsätze nicht rückforderbar. Das Erstgericht habe keine Feststellungen getroffen, aus denen sich die EU-Rechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes ergeben würde, sondern sich bloß mit der Wiedergabe oberstgerichtlicher Entscheidungen begnügt. Zur Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols bedürfe es jedoch entsprechender Feststellungen, die auf Basis ihres umfangreichen Prozessvorbringens, der vorgelegten Urkunden und nach Einholung des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens betreffend die Werbemaßnahmen und Geschäftsstrategie der österreichischen Monopolisten hätten getroffen werden können. Sekundäre Feststellungsmängel würden auch im Zusammenhang mit einer inkohärenten Regelung vergleichbarer Formen des Glücksspiels (horizontale Kohärenz) vorliegen und auch im Zusammenhang mit einem nicht erfolgten Nachweis des Staates Österreich für die Erforderlichkeit des Monopols und der unterbliebenen Notifikation der durch das Budgetbegleitgesetz 2011 eingetretenen Änderungen des § 14 GSpG durch die Europäische Kommission gemäß der Richtlinie 98/34/EG vom 22. Juni 1998. Zudem gebiete das GSpG allenfalls ein Abschluss- und kein Inhaltsverbot. Zinsen stünden erst ab Fälligstellung, also erst ab Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls zu.

Das Berufungsgericht erachtet aufgrund seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung die Berufungsausführungen zum österreichischen Glücksspielmonopol für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des Erstgerichtes hingegen für zutreffend, sodass auf die Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden kann (§ 500a ZPO). Die Frage der Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols war bereits wiederholt Gegenstand höchstgerichtlicher Judikatur. Der Oberste Gerichtshof judiziert dazu in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben nicht gegen Unionsrecht verstößt. Zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revisionen maltesischer Online-Glücksspielanbieter wurden trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel zurückgewiesen, sekundäre Feststellungsmängel zum Thema Unionsrechtswidrigkeit verneint (vgl 1 Ob 182/22d, 2 Ob 146/22t, 7 Ob 9/23h, 5 Ob 174/23h uva; zuletzt 9 Ob 64/25i und 6 Ob 70/25z). Zur angeblich fehlenden Notifikation der Bestimmung des § 14 GSpG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 nahm der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 3 Ob 200/21i ausführlich Stellung und verneinte eine entsprechende Notifikationsverpflichtung. Damit geht auch dieser Einwand ins Leere.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertritt auch dieses Berufungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl zuletzt OLG Linz 3 R 121/24w, 6 R 146/24v, 4 R 50/25p, 1 R 49/25v, 11 R 8/25p, 2 R 92/25z uva).

Konkrete und auf die jeweiligen Zeiträume bezogene Umstände, die sich seit der letzten Beurteilung der tatsächlichen Kohärenz durch die Rechtsprechung geändert hätten, macht die Berufungswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht geltend. In mehreren Entscheidungen (etwa 9 Ob 20/21p, 1 Ob 229/20p) hielt der Oberste Gerichtshof ausdrücklich fest, dass die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet sei. Eine neuerliche Beurteilung im kurzen zeitlichen Abstand kommt daher nicht in Betracht (vgl 7 Ob 213/21f). Dem behaupteten Verfahrensmangel (unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachgebieten Marktforschung und Werbepsychologie) fehlt es daher an Entscheidungsrelevanz.

Schließlich sieht die Beklagte eine unrichtige rechtliche Beurteilung darin, dass dem Kläger Zinsen bereits ab dem Tag der letzten Einzahlung zugesprochen wurden. Bei den gesetzlichen Verzugszinsen handle es sich um Verzugszinsen schadenersatzrechtlicher Natur, die eine Zahlungsaufforderung voraussetzen würden.

Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen, für die § 1333 ABGB anzuwenden ist (RS0032078). Nach ständiger Rechtsprechung hat auch der redliche Bereicherungsschuldner - abgesehen vom Fall einer hier nicht vorliegenden zulässigen Gegenleistung - die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben („Vergütungszinsen“). Auch bei Redlichkeit des Bereicherten ist nämlich die Nutzungsmöglichkeit des Kapitals „inter partes“ dem Bereicherungsgläubiger zugeordnet. Es wäre daher nicht zu rechtfertigen, wenn der Schuldner den Nutzungsvorteil bis zum Einlangen eines Rückzahlungsbegehrens behalten könnte (7 Ob 10/20a). Der Bereicherte schuldet bereits ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung Zinsen vom zurückzuerstattenden Geldbetrag ( Liebel/Perner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar 5§ 1000 Rz 3 mwN). Der Beginn des Zinsenlaufes ist zwar entgegen der erstgerichtlichen Begründung nicht unstrittig, aber somit nicht korrekturbedürftig (ständige Rechtsprechung des Berufungsgerichtes: OLG Linz 2 R 154/22p, 12 R 14/23z, 6 R 84/23z, 4 R 8/24k, 2 R 88/25m; vgl auch OLG Wien 15 R 6/23x, 12 R 13/23d, 33 R 28/24s; OLG Graz 2 R 212/22x, 7 R 33/24p uva). Die in vereinzelten Entscheidungen (OLG Innsbruck 5 R 70/22s; OLG Graz 6 R 244/22d; OLG Wien 16 R 205/22t) vertretene gegenteilige Rechtsansicht wird nicht geteilt bzw ist überholt (vgl in diesem Sinn OLG Innsbruck 4 R 34/25v; OLG Graz 4 R 73/25z; OLG Wien 16 R 4/25p; vgl auch 4 Ob 210/23w).

Insgesamt musste der Berufung daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil von der (ständigen) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen wurde.