4R91/25t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache des Klägers A*, geboren am **, CNC-Maschinentechniker, **straße **, **, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, gegen die Beklagte C* Limited , **, **, **, **, Malta, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 72.423,52 s.A., über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 20. Mai 2025, Cg*-16, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 3.797,82 (darin enthalten EUR 632,97 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist eine in Malta domizilierte Limited nach maltesischem Recht. Sie bietet u.a. über die Internetseite ** Glücksspiel in Österreich an. Kunden, die bei der Beklagten Glücksverträge schließen wollen, also am angebotenen Glücksspiel teilnehmen wollen, müssen dafür ein Spielerkonto anlegen, die erforderlichen persönlichen Daten eingeben und Nachweise dafür übermitteln.
Der Kläger, der vorher nie Online-Glücksspiel gespielt hatte, wurde durch eine Werbung auf das Angebot der Beklagten aufmerksam. Er eröffnete über die deutschsprachige Website der Beklagten zwei Spielerkonten, wozu es erforderlich war, die AGB der Beklagten zu akzeptieren und seine persönlichen Daten einzugeben. Im Zeitraum 30. Juni 2016 bis 7. August 2021 spielte der - im gesamten Zeitraum berufstätige - Kläger in seiner Freizeit als Hobby bei der Beklagten ausschließlich Online-Slotspiele. Er hat insgesamt EUR 337.667,00 eingezahlt und sich EUR 265.243,48 auszahlen lassen und demnach saldiert einen Verlust von EUR 72.423,52 erlitten.
Der Kläger begehrt die Rückzahlung seiner im Zeitraum 30. Juni 2016 bis 7. August 2021 erlittenen Glücksspielverluste in Höhe von EUR 72.423,52 samt Zinsen. Die Beklagte biete in Österreich über das Internet Online-Glücksspiel an, ohne über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) zu verfügen. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar. Eine Rechtsgrundlage biete sowohl das Bereicherungs-, als auch das Schadenersatzrecht, zumal der Eingriff ins Glücksspielmonopol auch eine Schutzgesetzverletzung bewirke. Er habe bei der Beklagten zwei Spielerkonten geführt und bei dem von dieser angebotenen Online-Glücksspiel insgesamt Spielverluste in Höhe von EUR 72.423,52 erlitten, wobei er insgesamt EUR 337.667,00 eingezahlt habe und sich EUR 265.243,48 auszahlen habe lassen.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass sie über eine aufrechte maltesische Glücksspiellizenz verfüge und unter dieser Lizenz Glücksspiele im Internet anbieten dürfe. Aufgrund der durch Art 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit sei es ihr erlaubt, in der gesamten EU Glücksspiele anzubieten. Das österreichische Glücksspielmonopol würde in ungerechtfertigter Weise in die unionsrechtlich gewährte Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 AEUV eingreifen. Die österreichische Glücksspielregulierungen seien in ihrer Gesamtheit inkohärent und das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung des Klagsbetrages von EUR 72.423,52 s.A. sowie zum Kostenersatz in Höhe von EUR 10.744,78 (darin enthalten EUR 1.272,13 USt und EUR 3.112,00 Barauslagen).
Das Erstgericht stellte den eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt fest; im Übrigen wird auf die Seiten 12 bis 19 der Urteilsausfertigung verwiesen (§ 500a ZPO).
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht in Anwendung österreichischen Rechts unter Heranziehung höchstgerichtlicher Judikatur zusammengefasst zum Ergebnis, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspreche und nicht gegen Unionsrecht verstoße. Wenn erkennende Gerichte zwar grundsätzlich im Rahmen der dynamischen Gesamtprüfung die Kohärenz jedes Mal neu beurteilen müssten, so bedeute dies keinesfalls, dass mit jedem Hinzukommen eines neuen Werbesujets die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung als überholt anzusehen sei. Nur eine allfällige Veränderung grundsätzlicher Werbestrategien oder des Ausmaßes der Werbung oder die Anwendung völlig neuer Werbemittel könnte die bisherige Tatsachengrundlage, auf deren Basis die Höchstgerichte zuletzt entschieden hätten, als neu zu überdenken erscheinen lassen. Konkretes Vorbringen, inwiefern sich die von der Beklagten argumentierten Gesamtumstände seit den letzten höchstgerichtlichen Entscheidungen geändert haben sollten oder diese (geänderten) Umstände nicht bereits Tatsachengrundlage der gefestigten höchstgerichtlichen Judikatur und des EuGH seien, sei von der Beklagten nicht erstattet worden.
Die klagsgegenständlichen Spielverluste würden aus einem verbotenen, weil (in Österreich) konzessionslosen Glücksspiel resultieren. Nach ständiger Rechtsprechung würden verbotene Spiele nicht einmal eine Naturalobligation erzeugen. Der Rückforderung der gezahlten Wett- oder Spielschuld stünden demnach die §§ 1174 Abs 1 Satz 1, 1432 ABGB nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung gründete das Erstgericht auf § 41 ZPO. Dass zwischen dem Kläger und der Klagevertreterin ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe, könne schon wegen der sich aus dem Vorbringen des Klägers abzuleitenden Spezialisierung auf Verfahren gegen unterschiedliche ausländische Online-Glücksspielanbieter als gesichert angenommen werden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel und unrichtiger Kostenentscheidung mit dem Abänderungsantrag dahin, das Klagebegehren gänzlich abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt sowie die Abänderung der Kostenentscheidung dahingehend begehrt, dass sie dem Kläger EUR 11.965,66 an Kosten zu ersetzen habe.
Der Kläger erstattete eine Berufungsbeantwortung mit dem Antrag, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufungswerberin vertritt die Ansicht, das österreichische Glücksspielgesetz verstoße gegen EU-Recht. Die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Spielverträge seien gerade nicht nichtig und die Spieleinsätze nicht rückforderbar. Das Erstgericht habe keine Feststellungen getroffen, aus denen sich die EU-Rechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes ergeben würde, sondern sich bloß mit der Wiedergabe oberstgerichtlicher Entscheidungen begnügt. Zur Beurteilung der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols bedürfe es jedoch entsprechender Feststellungen, die auf Basis ihres umfangreichen Prozessvorbringens, der vorgelegten Urkunden und nach Einholung des von ihr beantragten Sachverständigengutachtens betreffend die Werbemaßnahmen und Geschäftsstrategie der österreichischen Monopolisten hätten getroffen werden können. Sekundäre Feststellungsmängel würden auch im Zusammenhang mit einer inkohärenten Regelung vergleichbarer Formen des Glücksspiels (horizontale Kohärenz) vorliegen und auch im Zusammenhang mit einem nicht erfolgten Nachweis des Staates Österreich für die Erforderlichkeit des Monopols und der unterbliebenen Notifikation der durch das Budgetbegleitgesetz 2011 eingetretenen Änderungen des § 14 GSpG durch die Europäische Kommission gemäß der Richtlinie 98/34/EG vom 22. Juni 1998. Zudem gebiete das GSpG allenfalls ein Abschluss- und kein Inhaltsverbot.
Das Berufungsgericht erachtet aufgrund seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung die Berufungsausführungen zum österreichischen Glücksspielmonopol für nicht stichhältig, die damit bekämpften Entscheidungsgründe des Erstgerichtes hingegen für zutreffend, sodass auf die Ausführungen des Erstgerichtes verwiesen werden kann (§ 500a ZPO). Die Frage der Kohärenz des österreichischen Glücksspielmonopols war bereits wiederholt Gegenstand höchstgerichtlicher Judikatur. Der Oberste Gerichtshof judiziert dazu in nunmehr ständiger Rechtsprechung, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und der vom Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben nicht gegen Unionsrecht verstößt. Zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revisionen maltesischer Online-Glücksspielanbieter wurden trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel zurückgewiesen, sekundäre Feststellungsmängel zum Thema Unionsrechtswidrigkeit verneint (vgl 1 Ob 182/22d, 2 Ob 146/22t, 7 Ob 9/23h, 5 Ob 174/23h uva; zuletzt 9 Ob 64/25i und 6 Ob 70/25z). Zur angeblich fehlenden Notifikation der Bestimmung des § 14 GSpG idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 nahm der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 3 Ob 200/21i ausführlich Stellung und verneinte eine entsprechende Notifikationsverpflichtung. Damit geht auch dieser Einwand ins Leere.
Im Anschluss an die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertritt auch dieses Berufungsgericht in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl zuletzt OLG Linz 3 R 121/24w, 6 R 146/24v, 4 R 50/25p, 1 R 49/25v, 11 R 8/25p, 2 R 92/25z uva).
Konkrete und auf die jeweiligen Zeiträume bezogene Umstände, die sich seit der letzten Beurteilung der tatsächlichen Kohärenz durch die Rechtsprechung geändert hätten, macht die Berufungswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht geltend. In mehreren Entscheidungen (etwa 9 Ob 20/21p, 1 Ob 229/20p) hielt der Oberste Gerichtshof ausdrücklich fest, dass die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet sei. Eine neuerliche Beurteilung im kurzen zeitlichen Abstand kommt daher nicht in Betracht (vgl 7 Ob 213/21f). Dem behaupteten Verfahrensmangel (unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachgebieten Marktforschung und Werbepsychologie) fehlt es daher an Entscheidungsrelevanz.
Mit ihrer Kostenrüge bekämpft die Berufungswerberin den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes für die Verrichtung der Tagsatzung vom 5. Mai 2025. Der Kläger habe seinen Wohnort am Gerichtsort. Es hätte ihn nichts daran gehindert, einen in Wels ansässigen Rechtsanwalt mit der Einbringung der Klage zu beauftragen. Der doppelte Einheitssatz könnte nur dann zustehen, wenn der Kläger bescheinigt hätte, dass zwischen ihm und der Klagevertreterin ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliege. Die notwendige ausreichende Bescheinigung eines besonderen Vertrauensverhältnisses sei jedoch unterblieben. Unabhängig von der fehlenden Bescheinigung liege tatsächlich auch kein besonderes Vertrauensverhältnis vor. Das gegenständliche Verfahren sei Teil eines „Massenverfahrens“. Die Rechtsvertretung der Klägerin habe dabei zahlreiche Verfahren mit gleichlautendem Vorbringen initiiert. Es handle sich um ein Standardverfahren, bei welchem im wesentlichen identische Vorbringen erstattet würden.
Der Berufungswerberin ist zunächst zu entgegnen, dass ihr Abänderungsantrag insoweit verfehlt ist, als sie eine höhere Kostenersatzverpflichtung ihrerseits begehrt als das Erstgericht ausgesprochen hat. Offenbar übersieht sie bei ihrer Berechnung, dass das Erstgericht die Kosten einer Replik des Klägers als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nicht honoriert hat. Unabhängig davon hält das Berufungsgericht die Kostenrüge aus nachstehenden Gründen für nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung zu § 41 Abs 3 ZPO sind Mehrkosten eines auswärtigen, also nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes ungeachtet des Umstandes, dass die Partei selbst am Gerichtsort wohnt, im Einzelfall dann ersatzfähig, wenn besondere Gründe für seine Bestellung vorliegen (RS0036203). Solche Gründe bzw wichtige Umstände sind etwa eine im Vorfeld des Prozesses stattgefundene eingehende Befassung dieses Rechtsanwalts mit der Streitsache; ein solches Vertrauensverhältnis kann auch ein regelmäßiges Vertretungsverhältnis, ein hoher Streitwert oder eine besondere Komplexität der Sache sein ( M. Bydlinski in Fasching/Konecny ZPO 3II/1 § 41 ZPO Rz 32).
Hier hat die Klagevertreterin in ihrem Kostenverzeichnis (ON 13.2) geltend gemacht, es bestehe zwischen ihr und dem Kläger ein besonderes Vertrauensverhältnis. Zudem sei sie auf die Rückforderung von Glücksspielverlusten spezialisiert, was besondere Fachkenntnisse insbesondere im Glücksspiel-, Europa- und internationalen Privatrecht sowie detaillierte Kenntnisse über die jeweils anbietende Gesellschaft im Ausland erfordere. Am Ort des angerufenen Gerichtes gebe es keinen Rechtsanwalt, welcher auf die Rückforderung von Glücksspielverlusten spezialisiert sei. Dem hält die Beklagte in ihrer Kostenrüge entgegen, dass es sich bei gegenständlichem Verfahren um einen Teil eines Massenverfahrens handle, für das es keiner besonderen juristischen Spezialisierung bedürfe.
Nach ständiger Judikatur erscheint im vorliegenden Fall allerdings der Hinweis auf die ständige Befassung mit ähnlichen Verfahren, welche besondere Fachkenntnisse im Glücksspielrecht (und überdies im Europa- und internationalen Privatrecht) tatsächlich erfordern, als ausreichend, um den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes im Sinne der dargelegten Judikatur und Lehre zu begründen (OLG Linz 6 R 133/23f, 3 R 121/24w; LGZ Graz 6 R 171/23w; LG Salzburg 53 R 296/24x; vgl auch OLG Innsbruck 3 R 29/23y; OLG Linz 1 R 12/24a; LG Wiener Neustadt 18 R 188/23k, 18 R 25/24s; LG Linz 35 R 1/25g; Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.254: Vertrauensverhältnis zu einem „Glücksspielanbieter jagenden“ Anwalt). Dass die Klagevertreterin regelmäßig als Parteienvertreterin in Angelegenheiten des Glücksspiels auftritt, ist gerichtsnotorisch. Damit erweist sich auch die Kostenentscheidung des Erstgerichts unabhängig vom verfehlten Rechtsmittelantrag als nicht korrekturbedürftig.
Insgesamt musste der Berufung daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
Die ordentliche Revision war gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil von der (ständigen) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgewichen wurde.