JudikaturOLG Linz

1R76/25i – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Hermann Holzweber und die Richterin Dr. in Karin Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der klagenden Partei A* B*, geboren am **, Pensionistin, C*straße **, D* E*, vertreten durch Mag. Christian Schrott, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde E*, **-Straße **, D* E*, vertreten durch Mag. Stefan Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 58.702,64 und Feststellung (Streitwert EUR 2.000,00), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21. Mai 2025, Cg*-31, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.754,02 (darin EUR 625,67 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist Alleineigentümerin des Grundstücks 849 der EZ F* KG G* E*, welches in der Natur die C*straße in E* darstellt.

Mit ihrer am 26. November 2024 eingebrachten Klage begehrte die Klägerininsbesondere gestützt auf § 1319a ABGB, die Beklagte zur Zahlung von EUR 58.702,64 sA (Schmerzengeld EUR 6.000,00; Behandlungskosten EUR 546,10; Fahrtkosten EUR 1.055,04; Pflege- und Haushaltshilfekosten EUR 5.782,00; sonstige Kosten EUR 100,00; psychisches Ungemach EUR 500,00 sowie Verdienstentgang EUR 44.719,50) zu verpflichten und festzustellen, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für sämtliche künftigen Folgen aus dem Sturz vom 14. Dezember 2021 hafte. Sie brachte zusammengefasst vor, sie sei am 14. Dezember 2021 gegen 6.00 Uhr auf der C*straße im Bereich vor dem Rigol (an der in der Aufnahme aus dem SAGIS Beilage ./C rot eingezeichneten Stelle) gestürzt, weil der Sturzbereich teils mit Schnee bedeckt und stark vereist gewesen sei. Dabei habe sie sich schwer verletzt. Die Beklagte habe auffallend sorglos am Vorfallstag im Unfallbereich keinen Winterdienst verrichtet.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und erwiderte, aus der vorprozessualen Korrespondenz ergebe sich eindeutig, dass die Klägerin auf dem benachbarten Grundstück 450/32 der EZ **, KG G* E*, das der Beklagten nicht gehöre, gestürzt sei. Die Beklagte habe ihre Räum- und Streupflicht sowie ihre Verkehrssicherungspflichten auf dem ihr gehörigen Grundstück 849 stets ordnungsgemäß erfüllt. Auf dem benachbarten Grundstück 450/32, dem H*, habe sie weder einen Winterdienst zu verrichten, noch sei sie Wegehalterin.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage zur Gänze ab. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde, wobei die bekämpften Feststellungen in Kursivschrift dargestellt sind:

Die beklagte Partei ist Alleineigentümerin des Grundstücks Nr 849 der EZ F* KG G* E*, welches in der Natur die C*straße in D* E* darstellt. Die Klägerin wohnt an der Adresse C*straße D* in D* E*. Sie bewohnt dort seit 2019 mit ihrem Ehegatten eine Mietwohnung, deren Vermieter ist I* J*. Die Grundstücksgrenzen zwischen der Liegenschaft der beklagten Partei und der Liegenschaft von I* J* (Grundstück Nr 450/32) sind in der Natur nicht ersichtlich. Die C*straße mündet in den H*, wobei es sich beim H* um den Privatgrund von I* J* handelt. Mit Bescheid vom 18.07.2017 wurde das Grundstück Nr 450/32, KG E*, zu einem Bauplatz erklärt, wobei I* und K* J* die Einschreiter waren. In Punkt II. dieses Bescheides wurde unter „Verpflichtungen für öffentliche Verkehrsflächen“ Folgendes festgehalten: „...Festsetzung für private Grundabtretung: Die Breite der dem öffentlichen Verkehr dienenden Privatstraße Teil aus GN 450/32, KG E* wird laut Plan festgesetzt. Der Einschreiter ist verpflichtet, die im Lageplan im Maßstab 1:250 in der Farbe gelb dargestellte Grundstücksfläche des Grundstückes dieser KG dauernd dem öffentlichen Verkehr zu widmen bzw durch den Grundeigentümer widmen zu lassen. …“ .

Das Wohnhaus der Klägerin ist im Ortsgebiet. Ein Gehsteig ist in dieser Umgebung nicht vorhanden.

Am 14.12.2021 stürzte die Klägerin am Weg von ihrer Wohnung zu ihrem Auto zwischen 6.00 Uhr und 6.10 Uhr. Die Klägerin ging, als sie das Haus verließ, in etwa bis zur Mitte der Zufahrt (Eingangsbereich) und weiter in etwa bis zur Höhe des Kanaldeckels, welcher an das Rigol angrenzt. Sie ging in weiterer Folge oberhalb des Rigols und stürzte. Wie weit oberhalb des Rigols die Klägerin ging bzw die konkrete Unfallstelle kann nicht festgestellt werden. Es kann daher auch nicht festgestellt werden, ob die Klägerin auf dem Grundstück der beklagten Partei oder auf dem Privatgrund ihres Vermieters stürzte.

Nach dem Unfall wandte sich der Gatte der Klägerin, L* B*, an den Vermieter und informierte ihn über den Sturz. Der Vermieter antwortete mit Email vom 14.12.2021 Folgendes: „...Bei den Parkplätzen neben dem Haus wird nicht gestreut, da wir den Grund ca. 0,5 bis 1 m hinter den geparkten Autos an die Gemeinde abtreten mussten. Wir haben festgestellt, dass dieser Bereich sehr stark vereist ist und die Gemeinde hier weder eine Salz noch Splitt Streuung durchführt. …“.

In weiterer Folge nahm der Gatte der Klägerin mit der beklagten Partei Kontakt auf und teilte über Anforderung der Unterlagen zum Unfall per Email vom 1.02.2023 Folgendes mit: „...Bezugnehmend auf unseren Kontakt von gestern habe ich nun die Unterlagen von Hrn. J* erhalten, aus denen hervorgeht, dass dieser Teil der Straße an die Gemeinde abgetreten wurde. …“.

Der Gatte der Klägerin telefonierte auch mit dem Amtsleiter der beklagten Partei, Ing. M*, wegen des Sturzes der Klägerin. Am 30.11.2023 teilte die Klägerin über die Emailadresse ihres Gatten der beklagten Partei Nachstehendes mit: „… Leider wird der bereits vorigen Winter bemängelte Bereich in der Gasse entlang dem Haus C*straße D* - H*? - noch immer nicht von Eis und Schnee geräumt. …“.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Beweislast für die Wegehaltereigenschaft, den mangelhaften Zustand des Weges und die grobe Fahrlässigkeit treffe den Geschädigten. Die negative Feststellung zur Unfallstelle gehe daher zu Lasten der Klägerin. Da sie nicht beweisen habe können, dass es sich bei der Unfallstelle um einen Weg der Beklagten handle, sei die Klage abzuweisen.

Gegen diese Entscheidung erhebt die Klägerin Berufung wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dass angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klage vollinhaltlich stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Verfahrensrüge:

Die Klägerin erblickt einen Verfahrensmangel darin, dass das Erstgericht das (in ON 14 Seite 3) beantragte Sachverständigengutachten „aus dem Fachbereich Winterdienst/ Schneeräumung“ nicht eingeholt hat. Sie meint, mit dem Sachverständigengutachten hätte die Klägerin bewiesen, dass die Organisation des Winterdienstes der beklagten Partei nicht nur hinter den Anforderungen der Richtlinie RVS 12.04.12 (Beilage ./J) geblieben, sondern derart mangelhaft gewesen sei, dass ihr ein grobes Verschulden anzulasten sei.

Ein primärer Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur vorliegen, wenn das Erstgericht infolge des Unterlassens der beantragten Beweisaufnahme andere als die vom Beweisführer behauptete Tatsachen festgestellt hätte (vgl Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 496 ZPO Rz 57). Hat das Erstgericht aber – wie hier – zu sämtlichen in der Verfahrensrüge genannten Themen keine Feststellungen getroffen, könnte im Unterlassen der Beweisaufnahme, vorausgesetzt die Beweisthemen wären rechtlich relevant, nur ein rechtlicher Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 3 ZPO liegen, der mit der Rechtsrüge aufzugreifen ist (vgl Pimmer aaO Rz 55, 58).

Ein primärer Verfahrensmangel besteht damit nicht.

2. Zur Tatsachenrüge:

Die klagende Partei bekämpft die oben im Sachverhalt in Kursivschrift hervorgehobenen Passagen und wünscht dazu folgende Ersatzfeststellungen:

„Die Klägerin ging nach dem Verlassen der Haustüre in etwa bis in die Mitte der Zufahrt (auf dem Lichtbild Beilage ./D zwischen dem schwarzen und roten Auto ersichtlich) und von dort bis zur Höhe des Kanaldeckels, welcher an das Rigol angrenzt. Von dort ging die Klägerin ca ein bis zwei Schritte neben dem Rigol und als sie den ersten Schritt nach rechts hinauf Richtung des schwarzen Autos getan hatte, kam sie zu Sturz. Die Sturzstelle der Klägerin war knapp nach dem Kanaldeckel, welcher an das Rigol angrenzt und liegt auf dem Grundstück Nr 849, welches im Alleineigentum der beklagten Partei steht.“

Zusammengefasst bekämpft damit die Klägerin die vom Erstgericht angenommene non-liquet-Situation zur Frage, ob die Sturzstelle auf dem Grundstück 849 gelegen ist und will dazu positiv festgestellt haben – wie in der Ersatzfeststellung ersichtlich –, dass dies der Fall gewesen sei.

Die Klägerin erkennt in ihrer Berufung selbst, dass sie als einzige über unmittelbare Wahrnehmungen bezüglich der Sturzstelle berichtete. Die Zeugen I* J* (ON 24.2 Seite 6 unten), Ing. M* (ON 24.2 Seite 10 Mitte) und der Ehegatte der Klägerin, L* B* (ON 24.2 Seite 13) hatten dazu keine unmittelbaren eigenen Wahrnehmungen. Ebenso wenig ergibt sich aus der Aussage des Zeugen N*, der am 14. Dezember 2021 den Streudienst verrichtete (ON 27.4 Seite 3), ein Aufschluss darüber, wo die Sturzstelle konkret gelegen hat. Damit bleibt als einziges unmittelbares Beweismittel die am 9. April 2025 erfolgte gerichtliche Aussage der Klägerin im Rahmen ihrer Parteienvernehmung (ON 24.2 Seite 2 f). Diese Aussage der Klägerin erfolgte knapp drei Jahre und vier Monate nach ihrem Sturz. Die Klägerin schilderte in ihrer Aussage, dass sie am Weg zu ihrem PKW gestürzt sei, der auf dem vorletzten Parkplatz des auf Beilage ./D unteres Lichtbild neben den drei schwarzen PKWs abgestellt gewesen sei (ON 24.2 Seite 2 unten). Daraus resultiert, dass die Klägerin von der C*straße in den H* gehen musste.

In der vorprozessualen Korrespondenz hat die Klägerin die Sturzstelle erstmals am 21. Dezember 2023 in der E-Mail ihres Rechtsanwalts an die Haftpflichtversicherung der beklagten Partei konkret bezeichnet bzw auf dem SAGIS-Auszug, zeigend unter anderem die Parzellen 849 und 450/32 rot eingezeichnet (Beilage ./C). Es entspricht auch auch der gerichtlichen Erfahrung, dass normalerweise mit zunehmenden Zeitverlauf das Erinnerungsvermögen abnimmt (vgl dazu Rechberger in Fasching/Konecny 3III/1 § 281a ZPO Rz 2). Wenn daher das Erstgericht bei dieser Beweislage angesichts der vorprozessualen Korrespondenz (Beilage ./4) und der Beschwerde (E-Mail Beilage ./2) zur Auffassung gelangt, dass die Aussage der Klägerin nicht verlässlich genug ist, um darauf gegründet eine positive Feststellung zur Sturzstelle zu treffen (siehe zum Regelbeweismaß RS0110701), so ist dies unbedenklich. Im Übrigen ist die Berufungswerberin auf die plausible Beweiswürdigung des Erstgerichts zu verweisen (§ 500a ZPO).

3. Zur Rechtsrüge:

Die Rechtsrüge der Klägerin beschränkt sich darauf, floskelhaft sekundäre Feststellungsmängel zum Zustand der Sturzstelle und zum Schuhwerk der Klägerin zu relevieren. Da jedoch die Klägerin im vorliegenden Fall nicht einmal nachweisen konnte, dass ihre Sturzstelle auf dem Weg der Beklagten liegt (RS0124486), wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, liegen die gerügten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.

Ein Bewertungsausspruch hat zu entfallen, weil bereits das Leistungsbegehren die Streitwertgrenze von EUR 30.000,00 übersteigt.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil das Berufungsgericht keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zu lösen hatte.