JudikaturOLG Linz

2R76/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
11. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Klägerin A* HandelsgmbH , FN **, **, **, vertreten durch Dr. Christoph Gernerth M.M., Dr. Gabriele Gernerth M.M. und Dr. Alexander Schalwich, Rechtsanwälte in Hallein, gegen den Beklagten B* C* , geb. **, Unternehmer, **straße **, **, vertreten durch die Rechtsanwälte Steflitsch OG in Oberwart, wegen EUR 23.911,63 s.A., über die Berufung des Beklagten (Berufungsgegenstand: EUR 23.794,93) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 7. April 2025, Cg*-65, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit EUR 2.613,72 (darin EUR 435,62 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin importiert mit ihrem Unternehmen (Natur-)Steinprodukte aus Indien. Der Beklagte bezieht seit über einem Jahrzehnt diese Produkte für seinen Steinmetzbetrieb im Südburgenland. Unter anderem stellt er auch Grabanlagen her.

Die Streitteile sind unterschiedlicher Meinung über die Ursache der zuletzt bei einigen Grabsteinen aufgetretenen Verfärbungen, Absplitterungen und Ausblühungen. Während die Klägerin die Ursache in der Verarbeitungsart und äußeren Umwelteinflüssen sowie dem salzhaltigen Boden im Burgenland als Ursache sieht, eine ordnungsgemäße und vertragskonforme Lieferung unterstellt und darauf verweist, dass der Beklagte keine Mängelrüge zur Lieferung erhoben habe, hält der Beklagte der Zahlungsklage des Klägers zur letzten Rechnung vom 10. März 2022 über EUR 24.495,12 Folgendes entgegen:

Es liege eine von der Klägerin nicht deklarierte chemische Behandlung der Oberfläche der Steine vor, weshalb er in Bezug auf die Produktqualität in die Irre geführt worden sei. Hätte der Beklagte gewusst, dass das Steinmaterial chemisch behandelt sei, hätte er es nicht gekauft. Erst mit dem Vorliegen eines Privatgutachtens sei er in Kenntnis der Mangelhaftigkeit gelangt. Sollte das Gericht nicht von einem veranlassten Irrtum ausgehen, liege eine Aliud-Lieferung vor, weil nur mechanisch poliertes und nicht chemisch behandeltes Material bestellt worden sei. Der Beklagte stütze sich aus prozessualer Vorsicht zudem auf einen Gewährleistungsanspruch, weil die Grabsteine durch die chemische Behandlung bereits sichtbare und außerhalb der Norm liegende Farb- und Strukturveränderungen erlitten hätten, welche einen erheblichen Mangel darstellten. Die Ware sei wertlos und es liege auch eine Verkürzung über die Hälfte vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines geringfügigen Mehrbegehrens von EUR 116,70 s.A. im Wesentlichen statt.

Es legte seiner Entscheidung den auf den Seiten 4 bis 14 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf welchen, soweit er nicht eingangs wiedergegeben wurde, gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Für das Berufungsverfahren sind noch folgende (unbekämpfte) Feststellungen wesentlich:

Schriftlich monierte der Beklagte den Einsatz von Farbvertiefer oder Imprägniermittel gegenüber der Klägerin bis September 2022 zu keiner Zeit.

Das von der Beklagten bei der Klägerin im Herbst und Winter 2021 bestellte Steinmaterial (Kommissionen D*, E*, F*, G*, H*, I*, J* und K*) lieferte die Klägerin der Beklagten am 2. März 2022 um EUR 24.495,12. Eine betreffend die Kommission „E*“ gelieferte Abdeckplatte mit einem Nettopreis von EUR 583,49, war gebrochen. Ob der Beklagte die am 2. März 2022 an ihn gelieferte Natursteinware bei der Klägerin in den folgenden acht Wochen in jeglicher Form beanstandete, ist nicht feststellbar.

Der Beklagte begann jedoch im Allgemeinen, die Ware der Klägerin als „schlecht“ darzustellen, als ihm der Geschäftsführer der Klägerin im Juni 2022 mitteilte, dass er der Klägerin die offenen Rechnungen von insgesamt EUR 130.000,00 zu bezahlen habe. Wegen des langjährigen Geschäftsverhältnisses und dem freundschaftlichen Verhältnis bot der Geschäftsführer der Klägerin dem Beklagten einen Nachlass von (insgesamt) EUR 30.000,00 bei im übrigen prompter Bezahlung an.

Der Beklagte schlug dieses Angebot aus und beauftragte am 20. Juni 2022 schließlich die Sachverständige L* mit der Erstellung eines Gutachtens zur seit Jahren diskutierten Frage, welche Ursache hinter den Schäden an der Oberflächenbeschaffenheit und der Farbstabilität einiger Grabanlagen im Burgenland stehen könnte, wobei der Beklagte der Sachverständigen bei der Befundaufnahme ausschließlich Grabanlagen zeigte, deren Material nicht mit der am 10. März 2022 an ihn übermittelten Rechnung abgerechnet wurde. Der Beklagte stand bereits vor der Einholung dieses Gutachtens auf dem Standpunkt, dass bestimmte von ihm an Grabanlagen wahrgenommene Schäden auf die Nutzung von Farbvertiefern oder einer Imprägnierung zurückzuführen seien, zumal diese verhindern würden, dass der Stein ausdampfe .

Die Privatsachverständige kam zusammengefasst zum Ergebnis, dass der bei den im Werk lagernden Grabanlagen an den Sägekanten erkennbare zusätzlich farbtonvertiefende Substanzauftrag nicht Ö-Normgemäß (EN 1468 und 1469, 12059) sei und damit nicht dem bestellten rein mechanisch polierten Material entspreche, da es zusätzlich behandelt sei.

Der Beklagte bestellte auch nach dem Einlangen des Gutachtens der Sachverständigen L* weiterhin Steinmaterial bei der Klägerin.

Der Beklagte richtete am 05.09.2022 schließlich folgendes Schreiben an den Geschäftsführer der Klägerin, wobei er diesem das Gutachten der Sachverständigen L* nicht anschloss (Beil./5):

Hallo M*!

Keine guten Nachrichten!

Die von mir beigezogene Sachverständige L* kommt in ihrem Gutachten zum Ergebnis, wonach ihr mir Material geliefert habt, das ich so nicht bestellt habe. Die Oberflächenbehandlung war von Euch nicht deklariert worden. Die jetzt auftretenden Probleme (Schäden bei den Kunden) mit dem von Euch gelieferten Material sind eindeutig darauf zurück zu führen. Das Gutachten ist im Anhang. Ich habe nicht nur die Schäden zu sanieren, sondern es leidet mein Ruf als Unternehmer, ich habe bereits Aufträge verloren.

Aufgrund der Anzahl der mit Eurem Material errichteten Gräber gehe ich davon aus, dass ich noch 10 Jahre diese Mängel sanieren muss.

Du wolltest von mir einen Lösungsvorschlag:

Dieser schaut so aus, dass ich Dir – was ich angesichts dieser Situation ohnedies nicht machen würde – deine angeblich offene Forderung von rund EUR 100.000.- nicht bezahlen werde und du darauf verzichtest. Zugleich möchte ich von Dir eine Sicherstellung, Bankgarantie oder Zahlung auf Treuhandkonto von EUR 60.000.- als Schadensausgleich für die Gewährleistungsarbeiten die ich noch in den nächsten 10 Jahre erwarte (alles was nach 10 Jahren von den 60.000.- Euro noch auf dem Konto vorhanden ist kannst du wieder retour haben). In diesem Fall würde ich alle Schadensfälle übernehmen und Euch würde mehr keine Haftung dafür treffen.

Ansonsten müsste ich jeden Schadensfall – auch die bisherigen – bei Euch zurückfordern. Die noch ausständigen Lieferungen werden weiter von dir, gegen Vorauszahlung von uns, ordnungsgemäß ausgeliefert. Bitte Achte darauf das die Lieferungen in Ordnung sind, die letzten beiden Lieferungen waren, verschnitten, Risse, Kanten abgeschlagen Einfassung Stein, verkratzt usw. haben auch Fotos gemacht.

Dieser Vorschlag gilt bis 20.9.2022, wobei im Fall der Annahme die Zahlung des Betrages von EUR 60.000.- bis 30.9.2022 zu erfolgen hat.

Ich ersuche um Deine Antwort.

LG

B*

Der Geschäftsführer der Klägerin beantwortete dieses Schreiben noch am selben Tag wie folgt (Beil./5):

Hallo B*,

was heißt keine guten Nachrichten – ich hab mir von dir nichts anderes erwartet. Es ist kein Gutachten anhängig.

Ich hab mir schon gedacht, dass das die L* ist

Mit besten Grüßen

M *

Der Beklagte antwortete am 05.09.2022 (Beilage ./5):

Hallo M*

Das Gutachten ist von meiner Seite bewußt nicht weiter geleitet worden. Die letzten 3 Gräber waren mit Reklamationen überseht. Ich brauche die Lieferung, aber was bringen mir die Gräber? Die Qualität ist einfach nicht in Ordnung. Du sagst ich bin zu ängstlich (weil es Klagen ja nicht alle) Es werde 1000 von Autos zurück geben,weil ein Mangel vorliegt. Mehrere Meinungen habe ich eingeholt. Alle geben mir recht. Wenn es soweit kommt werde ich alles am Tisch legen (alles).

Das am 2. März 2022 an den Beklagten gelieferte Steinmaterial war mechanisch poliert. Die dunklen Gesteinsarten waren ergänzend mit einem Farbvertiefer behandelt. Der Geschäftsführer der Klägerin deklarierte das an den Beklagten gelieferte Material gegenüber dem Beklagten zu keiner Zeit als mangelhaft, weil es eine „chemische“ Behandlung aufweise. Ob darüber hinaus eine weitere Korrespondenz zwischen den Streitteilen stattfand, ist nicht feststellbar. Welchen objektiven Wert das am 2. März 2022 an den Beklagten gelieferte Material aufwies, ist nicht feststellbar.

Rechtlich urteilte das Erstgericht, dass seine Feststellungen ein arglistiges Verhalten der Klägerin in keiner Weise tragen würden. Aber auch eine fahrlässige Irreführung der Klägerin scheide aus, weil die Behandlung mit einer Imprägnierung oder einem sogenannten „Farbtonvertiefer“ („chemische Behandlung“) in der Branche üblich sei und aus technischer Sicht keinen Mangel darstelle. Der Beklagte habe bereits vor der klagsgegenständlichen Bestellung die Problematik erkannt und es sei die Thematik der potentiellen Schadensursächlichkeit der Imprägnierung zwischen den Streitteilen seit Jahren offen diskutiert worden. Auf einen ergänzenden schriftlichen Hinweis der Behandlung der Natursteine durch die Klägerin komme es nicht an, weil der Beklagte darüber ohnedies im Bilde gewesen sei und eine Feststellung vorliege, wonach der Beklagte auch bei Hinweis auf die chemische Behandlung das Steinmaterial erworben hätte. Darüber hinaus stehe gerade nicht fest, dass eine Behandlung mit einer Imprägnierung jedenfalls zu Schäden führe. Die dazu getroffenen Negativfeststellungen gingen zu Lasten des beweispflichtigen Beklagten.

Auch eine Mangelhaftigkeit der Materialien scheide aus, weil eine „chemische Behandlung“ der dunklen, aus Indien importieren Natursteins branchenüblich sei. Die Behauptung, dass das gelieferte Steingut unzureichend poliert worden sei, habe sich nicht erweisen lassen. Das Gelieferte habe dem vertraglich Geschuldeten entsprochen und es liege kein Aliud vor.

Darüber hinaus habe der Beklagte auch die fristgerechte Mängelrüge iSd § 377 UGB unterlassen. Nach dessen Abs 1 habe der Käufer dem Verkäufer Mängel der Ware, die er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang nach Ablieferung durch Untersuchung festgestellt habe oder feststellen habe müssen, binnen angemessener Frist anzuzeigen. Unterlasse er diese Anzeige, könne er nach Abs 2 leg cit Ansprüche auf Gewährleistung (§§ 922 f ABGB), auf Schadenersatz wegen des Mangels selbst (§ 933a Abs 2 ABGB) sowie aus Irrtum über die Mangelhaftigkeit der Sache (§§871 f ABGB) nicht mehr geltend machen. Die Mängelrüge sei auch dann zu erstatten, wenn der Verkäufer über den Mangel bereits „im Bilde sei“.

Die Mängelrüge müsse alle Angaben enthalten, aus denen der Verkäufer erkennen könne, um welche Lieferung und welche Ware es sich handle, welcher ungefähre Teil der Ware betroffen, sei, worin die Mängel im Einzelnen bestünden und unter welchen Begleitumständen sie aufgetreten seien.

Der Beklagte hätte den von ihm behaupteten Mangel, nämlich die Imprägnierung des – nach den Feststellungen – dunklen Steinmaterials („die chemische Behandlung“), daher grundsätzlich in angemessener Frist rügen müssen. Für die Angemessenheit der Rügefrist sei im Anschluss an die österreichische Judikatur zu Art 38, 39 UN-Kaufrecht - entsprechend der Richtgröße im Ministerialentwurf zum UGB - von 14 Tagen auszugehen. Eine Mängelrüge, die nach mehr als einem Monat erhoben werde, sei in aller Regel verspätet.

In seinem zur Lieferung vom 2. März 2022 vorgebrachten Schriftverkehr vom 5. September 2022 ergebe sich auch bei Zubilligung, dass der Beklagte vorher ein Gutachten einholen habe dürfen, obwohl er in Kenntnis der Problematik gestanden sei, keine ausreichend konkrete Rüge, zumal wegen einer chemischen Behandlung mit keinem Wort auf eine konkrete Lieferung Bezug genommen worden sei. Auch habe der Beklagte nicht unter Beweis stellen können, dass der Geschäftsführer der Klägerin eine Mangelhaftigkeit des gelieferten Materials explizit zugestanden habe.

Der Einwand der Verkürzung über die Hälfte habe keiner Überprüfung unterzogen werden können, zumal der Beklagte trotz Erörterung keinerlei Beweisanträge erhoben habe. Den Einwendungen der Beklagten gegen die Klagsforderung sei daher nicht zu folgen.

Lediglich im Hinblick auf die Klagseinschränkung infolge der gebrochenen Deckplatte von EUR 583,49 (netto) sei das Ersturteil dahin zu korrigieren, dass die auf diese Position entfallende Umsatzsteuer vom Klagebegehren ebenfalls in Abzug zu bringen sei, was zur spruchgemäßen Abweisung des Mehrbegehrens führe.

Gegen den klagsstattgebenden Umfang der Klage richtet sich die Berufung des Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Hilfsweise wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auf die weitergehenden Berufungsausführungen muss insgesamt auf Grund folgender Prozesslage nicht eingegangen werden:

Das Erstgericht hat seine Stattgabe der Klage (auch) auf das von der klagenden Partei gerügte (ON 6, 2) Unterbleiben der Mängelrüge der Beklagten zur Lieferung vom 2. März 2022 nach § 377 UGB gestützt. Es wendete die Grundsätze der Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Rechtsfolgen des Unterbleibens der Mängelrüge (RS0122080; RS0043161 [T3]; RS0062435; RS0022870; RS0018493; RS0062357; 6 Ob 514/79, 8 Ob 45/06k; Kramer/Martini in Straube/Ratka/Rauter , UGB I 4 § 378 Rz 21) auf den vorliegenden Sachverhalt zutreffend an, sodass auf seine rechtliche Beurteilung verwiesen werden kann (§ 500a ZPO).

Die Berufungsausführungen nehmen dagegen auf die Feststellungen und die rechtliche Beurteilung zur Frage des Unterbleibens der Mängelrüge nicht Bezug. Die rechtliche Überprüfung einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht erfolgt nur insoweit, als im Rahmen einer Rechtsrüge Rechtsfragen zu selbständigen Ansprüchen und Einwendungen ausgeführt worden sind (RS0043338 [T20]). Der Einwand einer unterbliebenen Mängelrüge nach § 377 UGB ist eine solche rechtlich selbständige Frage. Das Berufungsgericht darf nicht von sich aus eine rechtliche Beurteilung auf eine selbständige Einwendung vornehmen, wenn die Berufung die diesbezügliche Rechtsansicht des Erstgerichts nicht bekämpft hat [T32].

Mangels entsprechender Berufungsausführungen ist daher die Stattgabe der Klage - wie vom Erstgericht dargestellt und vom Beklagten unkritisiert geblieben - schon wegen fehlender Mängelrüge nach § 377 UGB betreffend die Lieferung vom 2. März 2022 zu bestätigen.

Die Berufung bleibt erfolglos.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 ZPO nicht zulässig, weil zum Prüfungsumfang des Berufungsgerichts auf höchstgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden konnte.