JudikaturOLG Linz

11Ra18/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Arbeitsrecht
21. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger sowie die fachkundigen Laienrichter DI Dr. Siegfried Pfandler (Kreis der Arbeitgeber) und Andreas Hauer (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, ** Straße **, **, vertreten durch Mag. Dino Srndic, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B* GmbH (FN **), **, **, vertreten durch Mag. Andreas Nösterer, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen EUR 11.990,00 sA und Feststellung, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. April 2025, Cga* 43, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.220,42 (darin enthalten EUR 370,07 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war von 19.3. bis 31.7.2024 bei der Beklagten beschäftigt.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von EUR 11.990,00 sA an Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung für zukünftige Schadensfolgen. Er sei durch Mobbing, Beschimpfungen und haltlose Behauptungen seitens Arbeitskollegen und Vorgesetzter psychisch erkrankt, dies verbunden mit Kopf-, Augen- und Bauchschmerzen, Schlafstörungen sowie Rückenbeschwerden. Es sei mit Spät- und Dauerfolgen zu rechnen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Der Kläger sei keinen Mobbinghandlungen ausgesetzt gewesen. Eine allfällige, ausdrücklich bestrittene Erkrankung des Klägers sei jedenfalls nicht der Sphäre der Beklagten zuzurechnen.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf folgende Feststellungen :

Der Kläger hat keine Schmerzen erlitten, die durch eine Erkrankung verursacht worden sind, die durch Mobbinghandlungen oder durch Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen während aufrechten Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Streitteilen verursacht worden sind. Es sind auch keine Spät- oder Dauerfolgen einer Erkrankung aufgrund von Mobbinghandlungen während aufrechten Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Streitteilen eingetreten.

In der rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht ausgehend von den getroffenen Feststellungen einen Schmerzengeldanspruch des Klägers ebenso wie eine Berechtigung des Feststellungsbegehrens.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag auf Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Mängelrüge:

Die Berufung wendet sich gegen die unterbliebene Einvernahme der vom Kläger beantragten Zeugen C* und D*. Damit hätte nachgewiesen werden können, dass der Kläger durch diese beiden Zeugen massiv gemobbt und rassistisch diffamiert worden sei. Dies hätte auch Einfluss auf die Beurteilung des beigezogenen Sachverständigen gehabt, wonach es keine mobbingartigen Handlungen gegeben haben könne, da beim Kläger keine psychischen Schmerzen aufgetreten seien.

Dazu ist auszuführen, dass die beiden Zeugen ausschließlich zum Nachweis von Mobbinghandlungen, nicht aber zum Eintritt einer Gesundheitsstörung beim Kläger geführt worden sind. Gegenteiliges wird auch von der Berufung nicht behauptet. Für den Eintritt der vom Kläger behaupteten Gesundheitsschäden wurde vom Erstgericht ein Gutachten aus dem Fachgebiet der Psychiatrie eingeholt. Der beigezogene psychiatrische Sachverständige konnte allerdings unter Berücksichtigung der Schilderungen des Klägers aufgrund inkonsistenter Angaben zum Gesundheitszustand die von ihm behaupteten psychischen und somatischen Symptome ebenso wenig festmachen wie zu erwartende Spät- oder Dauerschäden (vgl insb ON 35.1/S 20 f und ON 40.4/S 1 f). Vor diesem Hintergrund und angesichts der ständigen Rechtsprechung, dass ein Sachverständigengutachten durch Zeugen nicht entkräftet werden kann (vgl RS0040598), war die Einvernahme der beiden Zeugen zum Eintritt einer Gesundheitsschädigung des Klägers bzw zu erwartbaren Spät- und Dauerfolgen nicht erforderlich.

Damit erübrigte sich aber eine Beweisaufnahme zum Vorliegen von Mobbinghandlungen, würden diese allein nicht zu einer klagsstattgebenden Entscheidung führen, wovon auch die Berufung (zu Recht) ausgeht. Der von der Berufung geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

B. Zur Beweisrüge:

Die Berufung bekämpft sämtliche oben wiedergegebenen Feststellungen zum fehlenden Eintritt einer Erkrankung infolge Mobbinghandlungen oder Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen und zum Fehlen darauf gegründeter Spät- oder Dauerfolgen. Ersatzweise soll festgestellt werden, dass der Kläger Schmerzen erlitten habe, die durch eine Erkrankung verursacht worden sei, die durch Mobbinghandlungen während aufrechten Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Streitteilen verursacht worden sei, und dass auch Spät- oder Dauerfolgen einer Erkrankung aufgrund von Mobbinghandlungen während aufrechten Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Streitteilen eingetreten seien.

Dazu ist auszuführen:

1. Es reicht zum Aufzeigen einer unrichtigen oder bedenklichen Beweiswürdigung nicht aus, dass nach den Beweisergebnissen auch allenfalls andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen. Ebenso ist die vom Gericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht schon deshalb bedenklich, weil ein Umstand nicht erwähnt wurde, der noch erwähnt hätte werden können, oder eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt hätte werden können. Vielmehr kann eine Beweisrüge nur dann erfolgreich sein, wenn die - praktisch zwingenden - Gründe dargelegt werden, warum anderen Beweisergebnissen eher Glauben zu schenken gewesen wäre, sodass beim Berufungsgericht Bedenken gegen die erstrichterliche Beweiswürdigung erweckt werden. Maßgeblich ist allein, ob für die erstrichterliche Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden ( Pimmer in Fasching/Konecny³ § 467 ZPO Rz 40/2; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 467 ZPO Rz 46 [Stand 9.10.2023, rdb.at]; Klauser/Kodek , JN-ZPO 18§ 467 ZPO E 39/1; RS0040180). Für den Erfolg einer Beweisrüge reicht somit der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Dabei ist auch darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen (6 Ob 177/21d mwN). Die gegen die bekämpfte Feststellung vorgetragenen Argumente sind nämlich unter Berücksichtigung aller dazu vorliegenden Beweisergebnisse zu prüfen, indem auf der Grundlage einer solchen Gesamtschau zu beurteilen ist, ob gegen die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung Bedenken bestehen (RS0040123).

2. Die Berufungsausführungen erschöpfen sich im Wesentlichen in der Darlegung, dass sich das Erstgericht nicht mit den für den Kläger günstigen Beweisen im hinreichenden Maße so insbesondere mit den Angaben des Klägers und mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen auseinander gesetzt habe, sondern lediglich das für den Kläger nachteilige Sachverständigengutachten herangezogen habe. Dem ist zu entgegnen, dass der vom Erstgericht beigezogene psychiatrische Sachverständige nachvollziehbar unter Verweis auf die inkonsistenten Angaben des Klägers im Rahmen der Befundaufnahme zum Schluss gekommen ist, dass die vom Kläger behaupteten psychischen und somatischen Symptome ebenso wenig vom Sachverständigen festzumachen sind wie zu erwartende Spät- oder Dauerschäden (vgl insb ON 35.1/S 20 f und ON 40.4/S 1 f). Die vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen (Beilage ./A) sind demgegenüber nicht aussagekräftig, enthalten diese doch bloß verschiedene Diagnosen ohne Rückführung auf Befundgrundlagen. Auch die von der Berufung herangezogenen Zeugenaussagen, wonach es Spannungen zwischen dem Kläger und bestimmten Mitarbeitern gegeben habe, sind schon aufgrund des von der Berufung dargelegten Inhalts nicht einmal ansatzweise geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens zum Eintritt einer Gesundheitsschädigung beim Kläger bzw zu Dauer- und Spätfolgen hervorzurufen. Insgesamt gelingt es daher der Berufung nicht im Mindesten, Zweifel an der Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen hervorzurufen.

3. Das Berufungsgericht übernimmt daher die bekämpften Feststellungen und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).

C. Zur Rechtsrüge:

Die Berufung meint, dass ausgehend von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts nicht zu beanstanden sei. Allerdings habe das Erstgericht zur zentralen Thematik, nämlich zu den vom Kläger vorgebrachten Mobbinghandlungen keine Feststellungen getroffen. Diese hätten jedenfalls einen Einfluss auf die Beweiswürdigung, insbesondere auch die Würdigung des Sachverständigengutachtens im Zusammenhang mit den vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen gehabt. Das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass der Kläger während des aufrechten Dienstverhältnisses zur Beklagten massiven Mobbinghandlungen ausgesetzt gewesen sei. In weiterer Folge hätte das Erstgericht auf Grundlage dieser Feststellungen und bei entsprechender Würdigung des Sachverständigengutachtens in Kombination mit den vom Kläger vorgelegten medizinischen Unterlagen feststellen müssen, dass beim Kläger dadurch ein psychischer Schaden eingetreten sei.

Dazu ist auszuführen:

1. Ein sekundärer bzw rechtlicher Feststellungsmangel ist schon dem Grunde nach nicht gegeben, wenn zu einem bestimmten Thema ohnedies Feststellungen getroffen wurden, mögen diese auch nicht den Vorstellungen des Rechtsmittelwerbers entsprechen (vgl RS0053317 [T1], RS0043320 [T16, T18], RS0043480 [T15, T19]).

2. Zum vom Kläger behaupteten Eintritt einer Gesundheitsschädigung bzw zu erwartbaren Spät- und Dauerfolgen hat das Erstgericht ausdrücklich Feststellungen getroffen, wenn auch nicht in seinem Sinn. Diese Feststellungen versucht die Berufung mit den als fehlend erachteten Feststellungen zu den vom Kläger behaupteten Mobbingvorwürfen zu bekämpfen. Dabei handelt es sich aber inhaltlich um eine Beweisrüge. Insofern kann auf die obigen Ausführungen unter B. verwiesen werden.

3. Dass ausgehend von den getroffenen Feststellungen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts korrekt ist, wird von der Berufung (zu Recht) eingeräumt. Damit bedarf es insoweit keiner näheren Befassung. Es reicht ein Hinweis darauf, dass der Kläger Schmerzengeld aufgrund einer eingetretenen Gesundheitsschädigung begehrt; dieser Nachweis ist ihm nicht gelungen. Auch das Feststellungsbegehren ist naturgemäß davon abhängig.

D. Zusammenfassung, Kosten und Zulässigkeitsausspruch:

1. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

3. Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil keine erheblichen Rechtsfragen zu klären waren.